„Warum denkst du, dass ich dich nicht zwinge an dem Klassentreffen teilzunehmen, nur weil du dir zum fünften Mal den Schuh zubinden willst?" Ahri verschränkt kopfschüttelnd die Arme und kann nicht glauben, dass ich mich so kindisch verhalte. Ich kann es selbst nicht ganz nachvollziehen, aber irgendwie weigert sich alles in meinem Inneren, dieses Restaurant zu betreten. Schon den ganzen Tag erwische ich mich bei der Horrorvorstellung, dass ich den Raum betrete und plötzlich Taehyung gegenüberstehe. Dabei weiß ich selbst wie lächerlich und unwahrscheinlich das ist, aber ich bekomme die Gedanken einfach nicht aus meinem Kopf. Trotzdem hat Ahri recht, ich kann mir nicht ewig den Schuh zubinden. Irgendwann werde ich da reingehen müssen.
„Bereit?", fragt sie, als ich mich aufrichte und langsam, fast abwesend nicke. Das Blut rauscht in meinen Ohren und ich lasse den Blick zu Boden wandern, ehe ich auf der Stelle kehrt mache und in die entgegengesetzte Richtung davoneile. Ich höre meine beste Freundin hinter mir aufstöhnen, ehe sie mich einholt, an den Schultern ergreift, herumdreht und zurück zu dem Restaurant schiebt.
„Wir gehen da jetzt rein", sagt sie, ohne sich von meinem Widerstand stören zu lassen.
„Ich glaube, ich habe den Herd zuhause angelassen", entfährt es mir, als ich nur noch wenige Meter von der Eingangstür entfernt bin. Das Herz schlägt mir bis zum Hals und meine Knie zittern so sehr, dass ich befürchte, gleich zusammenzusacken.
„Eunji ist da, um ihn auszumachen."
Ruckartig stemme ich mich gegen sie und spüre, wie sie gegen meinen Rücken prallt.
„Oh mist, mir fällt gerade ein, dass ich Kookie aus Versehen in meinem Zimmer eingesperrt habe."
„Zwei Stunden wird sie überleben. Sie schläft eh den ganzen Tag auf deinem Bett, wenn du nicht da bist."
Ahri stellt sich wieder vor mich hin und zieht eine Augenbraue in die Höhe, die mich deutlich fragt: ‚Na? Bist du jetzt fertig?'. Doch so schnell gebe ich nicht auf.
„Und dann wäre da noch - "
„Jetzt komm schon." Sie greift seufzend nach meinem Handgelenk, stößt die Tür zu dem Restaurant auf und zieht mich hinter sich hinein. Dieses Mal wehre ich mich nicht. Stattdessen atme ich tief durch, straffe meine Schultern und setzte so selbstbewusst wie möglich einen Schritt vor den Nächsten.
Ich schaffe das.
Ich bin eine starke, unabhängige Frau und bin sehr wohl in der Lage mich zu benehmen, sollte er mir hier begegnen. Doch die Erleichterung, die ich empfinde, als ich unsere Gruppe erblicke und er nicht dabei ist, ist enorm. Ahri schaut mich an und lächelt, natürlich hat sie meine Gedanken längst erraten.
‚Siehst du, er ist nicht da', sagen ihre Augen und sie berührt mich kurz an meinem Arm, ehe sie sich abwendet und Yuna begrüßt. Diese ist sofort freudestrahlend von ihrem Stuhl aufgesprungen und fällt meiner besten Freundin in die Arme. Am Rande bekomme ich mit, wie Ahri das Idol nach ihrer Japantour fragt, als ich auch schon Nabi erblicke, die mir mit ihrem Sojuglas in der Hand zuprostet und mit der anderen Hand auf den freien Platz neben sich deutet. Das lasse ich mir nicht zweimal sagen. Jetzt wo ich hier bin, ist es wirklich schön, sie alle wiederzusehen. Das letzte Mal ist zwei Jahre her und in der Zeit muss sehr viel passiert sein. Ich begrüße die anderen, indem ich kurz in die Runde winke, und setzte mich dann neben Nabi. Ihre schulterlangen rosa Haare wippen vor und zurück, als sie das leere Glas auf den Tisch stellt und die Arme um mich schlingt.
„Es ist so schön dich zu sehen!", grinst sie freudestrahlend, greift nach der Sojuflasche und gießt mir etwas ein.
„Es ist auch schön dich zu sehen!", sage ich ehrlich und strahle sie an. Euphorie durchströmt meinen Körper und verscheucht die Angst, die ich bis eben noch verspürt habe. Schon in der Schulzeit sind Nabi, Yuna, Ahri und ich ein ziemlich gutes Team gewesen. Doch nach Yunas Debüt haben sich unsere Wege gespalten und als Nabi vier Monate danach ebenfalls in einer Girlband debütiert hat, habe ich die beiden kaum noch gesehen. Allerdings hat sich Nabis Gruppe auch schon ein halbes Jahr später wieder getrennt, weshalb sie nach Amerika gegangen ist, um dort zu studieren. Sie hat es in Seoul einfach nicht mehr ausgehalten, nachdem sie ‚versagt' hat.
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Between the Lines
FanfictionNachdem Sophia ihren Traum als Idol aufgeben hat, studiert sie nun Literatur und schreibt nebenbei Schundromane, um sich finanziell über Wasser halten zu können. Ihr beliebtestes Thema sind ihre missglückten Dates. Deshalb kann sie das Angebot, übe...