Ich streiche mir die Haare aus dem Nacken und lasse die dunklen Wellen über meine linke Schulter fallen. Ahri ist schon vor einer Weile zwischen den Regalen der Unibibliothek verschwunden – angeblich, um nach einem passenden Buch zu dem Thema ‚die Anfänge der schwarzweiß Filme' zu suchen, aber ich befürcht, dass sie einfach nur eine Ausrede gebraucht hat, um sich nicht länger ihrem Referat widmen zu müssen. Mein Thema ist allerdings genauso wenig spannend wie ihres. Mein Dozent hat von mir verlangt, dass ich bis Übermorgen einen Vortrag vor der Klasse halte, bei dem ich erläutere, aus welchen geschichtlichen, wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Gründen die Frühromantik ihren Ursprung gefunden hat, abgerundet mit einigen Werken bekannter Autoren, bei dessen Inhaltsangaben sich mir eine unüberwindbare Müdigkeit aufdrängt.
Ich richte mich auf, reibe mir über die Augen und schaue mich um. Von Ahri fehlt nach wie vor jede Spur. Deshalb schiebe ich lustlos meine Bücher beiseite und will meine Augen etwas ausruhen, indem ich meinen Kopf auf den verschränkten Armen bette. Nach dem Angebot mit der Biografie habe ich die letzten zwei Nächte kaum geschlafen. Obwohl mein Herz ganz klar dagegen ist, sagt mir mein Kopf, dass ich mir eine großartige Chance entgehen lasse. Dieses Buch würde mir genug Geld einbringen, um die nächsten zwei Monate meine Studiengebühren zu bezahlen.
Aber wieso muss es ausgerechnet über Taehyung sein?
Von allen möglichen Idols, welche die K-Pop-Industrie hervorbringt, wieso er?
Fakt ist jedoch, dass sich die schlaflosen Nächte irgendwann bemerkbar machen müssen. Und dieser Moment ist eben genau jetzt gekommen, denn sobald ich die Augen schließe, schlafe ich sofort ein.
Ich werde erst wieder wach, als ich eine sanfte Berührung an meiner Wange spüre. Federleicht streichen Fingerspitzen hoch bis zu meinem Ohr, ehe meine Haarsträhne dahinter geschoben wird. Eine geschlagene Sekunde halte ich den Atem an, warte ab und hoffe, dass ich es mir nur eingebildet habe. Doch die Berührung bleibt und dieser Jemand lässt seine Finger noch eine Weile länger auf meiner Haut ruhen. Ich muss die Augen nicht öffnen, um zu wissen, wer vor mir sitzt. Sein Geruch ist für mich wie nach Hause zu kommen. Ich würde ihn überall wieder erkennen.
Ist es ein Traum?
Ich atme aus, konzentriere mich auf die Stimmen im Hintergrund und weiß, dass ich nicht schlafe. In einem Traum wäre es um mich herum ruhig, aber ich kann deutlich die Diskussionen meiner Kommilitonen hören. Das bedeut nur eines.
Er ist wirklich hier.
Langsam öffne ich die Augen und ignoriere dabei mein verräterisches Herz, dass ich meiner Brust wie verrückt schlägt. Taehyungs Finger sind noch immer an meinem Ohr, zucken jedoch für einen kurzen Moment zurück, als ihm bewusst wird, dass ich ihn erwischt habe. Doch anstatt sich aufzurichten und schnell von dem Stuhl aufzustehen, sehe ich wie sich ein kleines Lächeln, das bis in seine braunen Augen wandert, und kleine Fältchen bildet, eher er die Wange an seinen Arm schmiegt und den Druck seiner Finger wieder auf meiner Haut verstärkt.
Diese Szene kommt mir bekannt vor und ich empfinde eine gewisse Nostalgie, als ich an damals zurückdenke. Es ist das erste Mal gewesen, dass Taehyung mich so angeschaut hat, und heute wie damals, hat mein Herz bei diesem Blick verrückt gespielt. Diesen Moment zwischen uns habe ich nie vergessen. Deshalb ist es mir auch unmöglich irgendwie auf diese Situation zu reagieren. Alles was ich tun kann, ist ihn anzuschauen, als würde er verschwinden, sobald ich blinzle.
Taehyungs Fingern wandern von meinem Ohr an meine Wange, während seine Augen jeder seiner kleinen Bewegungen folgen, als will er sich alles ganz genau einprägen. Das kleine Lächeln auf seinem Gesicht wird breiter, als sich vorsichtig seine Handfläche an meine Wange legt. Sie fühlt sich warm und weich an, irgendwie beruhigend und heimisch. Dann schaut er mir in die Augen und mein Herz setzt aus. Mir stockt der Atem und ich starre einfach nur zurück, nicht fähig mich zu bewegen. Doch plötzlich schießt eine Hand hervor, packt Taehyung am Handgelenk und löst somit unseren Moment. Ahri schiebt sich zwischen uns, mit dem Rücken zu mir. Ich muss sie nicht ansehen, um zu wissen, wie wütend sie ist. Ihre tiefe Tonlage und die gewählten Worte sagen alles.
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Between the Lines
FanfictionNachdem Sophia ihren Traum als Idol aufgeben hat, studiert sie nun Literatur und schreibt nebenbei Schundromane, um sich finanziell über Wasser halten zu können. Ihr beliebtestes Thema sind ihre missglückten Dates. Deshalb kann sie das Angebot, übe...