Kapitel 3 - Maja Axt - Rollenvergabe

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Donnerstag, 05.05.2022

Der Tag zog sich etwas, aber an Leas Seite war es wunderschön. Ich mochte ihr Lächeln, ihren Humor; die schönen langen blonden Haare passten genauso gut zu ihrem Kleidungsstil. Die Zahnspange glänzte im Licht, wenn sie sprach. Ich mochte es, ihr zuzuhören, wenn sie über ihre selbstgeschriebenen Geschichten erzählte. Diese waren häufig sehr lustig, spannend oder emotionsgeladen. Wenn ich Lea in die Augen sah, überkam mich immer so ein seltsames Kribbeln, als wenn ich mich zu ihr hingezogen fühlte. Erstmals fühlte ich es als sie von einem Mädchen erzählte, in welches sie sich verliebte. Sie hat die Liebe so wundervoll beschrieben, obwohl sie kaum in Worte zu fassen war, das war unglaublich. War das was ich fühlte Liebe? Ich wusste es nicht, ich glaube ja, aber konnte das sein? Wenn ich mal so drüber nachdachte, passte auch die Beschreibung des Mädchens zu mir, aber dann hätte sie es mir doch anders gesagt, oder? Na ja, egal erstmal. Eine ihrer Geschichten wollten wir nun in der Theatergruppe der Schule nachspielen. Welche Geschichte wusste ich noch nicht. Das wollte Lea gleich vor der gesamten Gruppe verkünden.

Lea und ich betraten die Aula. Unsere Gruppenleiterin Marie Finow rückte gerade die Stühle zurecht, welche einen Kreis bilden sollten. „Guten Tag, Frau Finow!", begrüßte ich sie lächelnd. Ich wusste nicht, wie man das 'w' im Namen aussprach, aber glaubte gehört zu haben, dass es nicht mit ausgesprochen wird. Lea hob die Hand. „Hey Mädels, schon fertig mit eurer Pause. Es hat noch nicht geklingelt!" „Heute Morgen kam ich zu spät, da wollte ich jetzt mal überpünktlich sein zum Ausgleich." „Sehr löblich, muss ich sagen!" Ich legte meinen Rucksack in eine Ecke der Aula, direkt neben Leas Handtasche, welche sie dort ablegte. Es klingelte. „Und die anderen sind wohl zu spät", merkte Frau Finow sarkastisch an. Lea grinste. „Maja und ich sind anderen eben immer einen Schritt voraus!" „Sehr löblich! Na dann, helft ihr mir kurz noch mit den Stühlen?" „Klar!", sagten wir, schließlich konnten wir so schneller beginnen vielleicht.

Nach und nach kamen unsere dreizehn Schauspieler und Schauspielerinnen in die Aula. Wir waren alle gespannt auf Leas Story für das Theaterstück. Nur Lukas schien es nicht mitbekommen zu wollen. Schließlich fehlte er diesmal. „So, sind alle da?", mochte Frau Finow hoffnungsvoll wissen. Unser Gruppenmitglied Leona antwortete: „Ja, alle außer Lukas." „Schon wieder? Er fehlt jetzt seit zwei Tagen unentschuldigt. Weiß jemand, wo er ist?" Frau Finow machte sich anscheinend Sorgen. Ich beobachtete das Gespräch interessiert, aber vor allem Leas nachdenklichen Blick. Worüber dachte sie nach? Wusste sie etwas über Lukas? Aber dann erzählte sie: „Niemand weiß, wo er ist. Vor zweieinhalb Tagen wurde er zuletzt gesehen meines Wissens." Ich schluckte kurz. Das war merkwürdig. Lukas würde doch jemanden Bescheid geben, wenn er krank wäre oder so. Ich bemerkte das Lea blass wurde im Gesicht. Ich nahm sie in den Arm und streichelte ihr über die Schulter. „Das ist seltsam... Nun denn, er wird sicher bald wieder kommen." Frau Finow räusperte sich kurz. Sie kramte in ihrer Handtasche, um einen Block und einen Stift herauszuholen. Die Zeit nutzte ich, um herauszufinden, warum Lea so blass wurde. „Warum bist du so bedrückt?", flüsterte ich vorsichtig in ihr Ohr. Lea zögerte kurz. Sie schaute mit ihren Augen in meine. Ihre Augen sahen so aus, wie als wenn sie gleich weinen müsste, es aber unterdrückte. Nach kurzem Zögern flüsterte sie mir ins Gesicht: „Papa ist auch seit der Zeit ungefähr verschwunden." Meine Augen weiteten sich kurz. Ich glaube, auch einige Gruppenmitglieder bekamen es mit. Frau Finow hingegen nicht. Während ich schockiert in mich ging, aus Angst um den Vater meiner Freundin, fing Frau Finow mit dem Thema des Gruppentreffs an.

„Lea, was hast du uns denn für eine Geschichte mitgebracht?" Lea rieb sich mit dem Arm über die Augen. Sie schniefte einmal. „I- ich habe schonmal kein 'Romeo und Julia' mitgebracht, aber dennoch eine Geschichte über Liebe. Um genau zu sein, geht es um eine verbotene Liebe zwischen zwei Mädchen. Sie lernen sich kennen und verlieben sich, nachdem sie einander aus der Seele sprachen. Die eine will einen Vater, die andere eine Mutter, beide wuchsen mit einem Elternteil auf. Was sie nicht wissen, ihre Eltern waren bis zu deren Geburt ein Paar und sie haben gemeinsame Eltern. Am Ende läuft es darauf hinaus, dass die Eltern wieder zusammenkommen und sie eine Familie werden. Nur auf eine Liebesbeziehung muss am Ende zwischen den Töchtern verzichtet werden. Dafür finden beide je ein anderes Mädchen, in das sie sich verlieben und kommen drüber hinweg."

Ich grinste. So eine Story konnte sich nur Lea ausdenken. Auch alle anderen Menschen im Stuhlkreis nickten zufrieden. „Gute Story, darf ich eine der Freundinnen am Ende spielen?", fragte ich Frau Finow hoffnungsvoll. Ehe sie antworten konnte, warf Lea ein: „Sei gewarnt, es wird eine Kussscene geben." Mein Bauch kribbelte. „Na dann, wer möchte mich küssen?" Ich blickte in die Runde. Zwei Mädchen meldeten sich, Rana und Lea. Frau Finow schaute Lea und mich an. „Gut, ihr beiden, Lea und Maja, spielt eine Tochter und eine Freundin!" Meine Freundin und ich grinsten uns verwegen an. Irgendwie freute ich mich, sie küssen zu dürfen. Mir wurde wohlig warm und ich wandte zögerlich meinen Blick zum Boden. Nun wurden alle anderen Rollen verteilt. Hoffentlich kommt Lukas nächstes Mal, dachte ich mir, da wir noch einen Vater benötigten.

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