Am Anfang war das Ende

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Erinnerst du dich noch an mich?, fragte er mit leiser, rauchiger Stimme. Ich erstarrte augenblicklich und starrte ihn einige Sekunden an, bevor ich meine Sprache wiedergefunden habe: Du bist der Grund, weshalb ich Blut an meinen Händen habe. Der Grund, weshalb ich nicht mehr auch nur eine Sekunde zögere den Abzug einer Waffe zu drücken. Der Grund, weshalb ich, selbst jetzt, 3 Jahre später nachts nicht schlafen kann. Verdammt, ich erinnere mich sehr gut an dich!" Ich starrte ihn an, meine Augen wurden glasig vor Wut. Doch alles, was er machte, war mich anzulächeln und langsam auf mich zuzugehen. Du weißt genau, dass wir keine Wahl hatten und verdammt, ich habe dir dein Leben gerettet, du undankbares Gör!, sagte er in ruhigem Ton, doch er musste sich sichtlich beherrschen, mich nicht anzuschreien. Mein Leben gerettet... na sicher. Natürlich war er überzeugt davon, dass genau das geschehen war und in Teilen, hatte er damit auch recht. Er hatte mein Leben gerettet, doch zu welchem Preis?

Alles fing an in diesem einen Sommer. Da war dieser junge Mann gewesen, Darin. Darin war ein paar Jahre älter, ich war 16, er 25, doch das machte mir nichts aus. Noch nie hatte ich mich in der Gegenwart eines Menschen so sehr wohlgefühlt. Er bemühte sich darum, mein Vertrauen zu gewinnen und er leistete großartige Arbeit dabei. Das erste Mal, seit ich denken konnte, hatte ich nicht mehr das Bedürfnis, für mich allein zu sein. Noch nie in meinem Leben hatte ich so empfunden, ich war schon immer ein Einzelgänger gewesen und ich war glücklich damit, doch er änderte alles und stellte mein Leben komplett auf den Kopf. Ich war ihm unendlich dankbar gewesen dafür. Leider war unsere Zeit sehr begrenzt. Als Teenager macht man sich über solche Dinge keine Gedanken, man denkt, man hätte ewig Zeit. Wir lachten, wir tanzten, wir hatten die beste Zeit unseres Lebens. Dann änderte sich alles. Darin begann sich zu verändern. Es umgab ihn eine Dunkelheit, aus der ich ihn nicht mehr herausholen konnte. Er schlich nachts allein durch die Gassen dieser gottlosen Stadt, die wir unser zu Hause nannten und jede Nacht lag ich wach, aus Angst, er könnte nicht mehr wiederkommen. Doch er kam wieder, jedes Mal. Von Nacht zu Nacht verdüsterte sich seine Stimmung und ich hatte das Gefühl, als würde ich in ein schwarzes Loch gesogen werden. Trotzdem wollte ich ihn und alles, was ich mit ihm verband, nicht aufgeben. Ich glaube, ja, ich bin mir sicher, mein 16-jähriges Ich hatte ihn geliebt, auch wenn er diese Liebe nie auf die gleiche Art und Weise erwidert hatte. Eines Tages bat er mich, ihn nachts zu begleiten. Ich zögerte einen Moment, doch willigte ein und er sagte, er würde mich in der nächsten Nacht, pünktlich um 1 Uhr vor meinem Haus abholen. Noch nie hatte ich mich aus dem Haus geschlichen, doch ich hätte alles für Darin getan.

Wie verabredet, stand ich um 1 Uhr nachts auf der Veranda meines Hauses und wartete darauf, dass er mich mit seinem Auto abholte. Er kam auf die Sekunde genau, wie immer. Er hatte mir eine Stunde vorher eine SMS geschrieben, mit der Bitte, mich komplett schwarz zu kleiden, gesagt, getan. Als ich in sein Auto stieg, bemerkte ich, dass Darin ebenfalls schwarze Kleidung trug, ich fragte ihn, weshalb es unbedingt schwarze Kleidung sein musste, wohl wissend, dass es garantiert nichts Legales sein konnte, was wir in dieser Nacht tun würden. Er zog es vor, nicht zu antworten und wir schwiegen eine ganze Weile, während er ein Stück aus der Stadt herausfuhr und ein verlassenes Fabrikgelände ansteuerte. Schon länger hatte ich vermutet, dass Darin mit Drogen handelte und vielleicht sogar selbst welche einnahm. Doch auf das, was in dieser Nacht wirklich geschehen sollte, war ich nicht vorbereitet gewesen. Wir parkten das Auto ein Stück weit von der Halle entfernt und gingen den Rest zu Fuß. Als wir uns der Halle näherten, fiel mir auf, dass in der Halle Licht brannte, doch als ich ihn danach fragte, mahnte er mich zur Ruhe und befahl mir den Mund zu halten, außer er würde mich ansprechen. Ich verstand ihn nicht, er hatte noch nie vorher so mit mir gesprochen. Als er meinen entsetzten Blick sah, versuchte er mich zu besänftigen und meinte, es sei zu meiner eigenen Sicherheit und dass ich alles verstehen würde, wenn die Nacht vorbei sei. Ich hatte keinen Grund an seinen Worten zu zweifeln, ich vertraute ihm mehr, als allen anderen Menschen in meinem Leben. Wir gingen also schweigend auf die Halle zu. Als wir sie betraten, saß dort ein Mann, gefesselt und geknebelt auf einem Stuhl, daneben stand ein mir ebenfalls fremder Mann, aber Darin schien ihn zu kennen. Darin nickte ihm zu und der Mann verließ die Halle.

Als ich erkannte, wer da vor uns auf dem Stuhl saß, traf mich fast der Schlag... ich kannte diesen Mann. Ich hatte ihn ein einziges Mal gesehen, in der Nacht, als er meinen Vater tötete. Sein Gesicht hatte sich in mein Gehirn eingebrannt und ich sah es jede Nacht in meinen Träumen. Warum war dieses Arschloch hier? Hatte Darin ihn gefunden? Und wenn ja, wie und warum hat er ihn nicht der Polizei übergeben? Ich sah ihn verwirrt an und er selbst schien auch etwas verwirrt. Ich habe ihn für dich ausfindig gemacht. Ich habe mich durch die zwielichtigen Viertel dieser Stadt gefragt, um ihn ausfindig zu machen und heute Nacht, werden wir beide es beenden." Ich sah ihn ungläubig an. Das konnte er nicht ernst meinen. Ja, ich hätte ihn gern tot gesehen, für das, was er getan hat. Doch einen Menschen töten? Ich? Er kam ganz nah an mich ran, drückte mir eine Waffe in die Hand und flüsterte in mein Ohr: Ich habe gespürt, dass wir diese Verbindung haben, du und ich. Schon in der ersten Sekunde als wir uns trafen, wusste ich, dass auch du diese Dunkelheit in dir hast. Du wirst ihn erschießen und glaub mir, nach allem, was er deiner Familie angetan hat, wirst du dich besser fühlen, mit der Gewissheit, dass er nie wieder jemandem etwas antun kann, der dir was bedeutet." Darin, was redest du denn da? Ich kann doch nicht einfach einen Menschen erschießen!", schrie ich ihn vor Entsetzen an. Doch er grinste nur, mit diesem unverkennbaren Grinsen, in das ich mich verliebt hatte, nahm meine Hand, in der sich noch immer die Waffe befand und drückte den Abzug, noch bevor ich reagieren konnte. Der Knall war ohrenbetäubend. Für ein paar Sekunden, war da nichts, außer dieses Klingeln in meinen Ohren. Meine Sicht verschwamm und ich konnte nicht begreifen, was gerade passiert war. Er hatte ihn einfach erschossen... nein, ICH hatte ihn erschossen. Ich hatte nur die Waffe gehalten, ich wollte nicht abdrücken, doch das würde mir niemals jemand glauben, ich wusste genug über Polizeiermittlungen, um zu wissen, dass Schmauchspuren an mir und Fingerabdrücke auf der Waffe sein würden. Ich geriet in Panik und schrie Darin an: Was hast du getan? Du hast ihn einfach erschossen! Wie konntest du das tun? Sie werden uns verhaften!" Beruhig dich mal Kleine, solange du tust, was ich sage, wird hier niemand verhaftet. Ich kümmere mich schon um ihn, ich wollte dir nur den spaßigen Teil überlassen. Beim nächsten Mal, wirst du schon viel entspannter sein, das kann ich dir versichern", sagte er mit einer Ruhe, als hätten wir gerade darüber gesprochen, was wir morgen unternehmen wollen. Ich konnte es kaum glauben, er musste wahnsinnig sein, wenn er dachte, dass ich jemals wieder eine Waffe in die Hand nehmen würde. Was meinst du mit nächstem Mal? Du glaubst doch nicht, dass sich so eine Situation wiederholen wird, oder? Er ist tot, aber das mit uns, das ist ebenfalls vorbei. Mit solchen Dingen will ich nichts zu tun haben. Ich will glauben, dass du das Ganze mit einer guten Intention getan hast, doch ich weiß nicht, ob ich das hier vergessen kann", antwortete ich und wollte die Halle so schnell wie möglich verlassen.

Darin jedoch, hatte andere Pläne. Er ergriff mein Handgelenk und zerrte mich zurück in seine Richtung: Was denkst du denn, wo du hingehst? Du kannst mir nicht erzählen, dass dir das nicht gefallen hat. Ich weiß doch, dass du so bist wie ich. Außerdem, wenn du jetzt einfach gehst, sehe ich mich gezwungen, die Behörden darauf aufmerksam zu machen, dass ich Schüsse aus einer alten Fabrikhalle gehört habe. Was meinst du, was sie finden werden, hm? Ach, und noch was Kleine... Der Typ, den du hier gerade umgelegt hast, hat Freunde in der kriminellen Unterwelt und ich bin mir sicher, dass sie dich suchen und auch finden werden, wenn du so allein durch die Gegend läufst. Jetzt heißt es, du gegen sie, töte, oder werde getötet." Ich wusste nicht, was ich sagen sollte. Doch in dieser Nacht, haben wir begonnen, die Leute, die hinter dem Tod meines Vaters steckten, aufzuspüren und zu töten, bevor es ihnen gelang, mich zu finden.

Am Anfang war das EndeWo Geschichten leben. Entdecke jetzt