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*noch zwei Jahre*

~Felix

In meinem Kopf hörte ich noch immer, wie meine Finger auf die Tastatur donnerten. Wie in Hypnose fuhr ich mir durch die Haare, wobei ich den Kopf zurück in die Kissen fallen ließ. Heute Mittag hatte mich ein Junge erkannt und wollte ein Foto. Das war so ein wahnsinniges Gefühl, gekannt, gemocht zu werden. Dass ich das Vorbild anderer war... unfassbar. Jetzt durfte ich auf keinen Fall aufgeben. Ganz im Gegenteil, ich würde loslegen, Videos machen, schneiden... ja, vielleicht würde ich mit YouTube den Durchbruch schaffen. Der Gedanke ließ mich grinsen, obwohl mein Kopf dröhnte, als hätte man mich jahrelang mit lautstarker Musik vollgepumpt.

Doch durch all die Gedanken konnte ich nicht schlafen, war gezwungen, mir die Nächte um die Ohren zu schlagen, als wären es Tage ohne Licht. Ich seufzte. Wie gerne hätte ich nun Sunny in meinem Arm liegen. Doch es war bloß ein Kissen, dass an meiner Seite lag.

*noch ein Jahr*

~Colden

Hey, Sunny

Es tut mir so unendlich Leid. Ich werde in nächster Zeit nicht mehr so viel Zeit für dich haben. Ich habe ein paar Probleme, aber bald wird sich das ändern. Es wird wieder wie früher. Ich verspreche es dir. Und meine Versprechen halte ich auch. Es wird nicht lange dauern. Du bist mir ehrlich wichtig. Bitte, vergiss mich nicht.

dein Felix

Das war vor einem Jahr gewesen. Danach hatte er mir nicht mehr geschrieben. Manchmal weinte ich abends, wenn die Sehnsucht nach ihm zu groß wurde; wenn ich wieder an sein Versprechen, den Brief denken musste. Ja, es tat weh. Ich vergaß ihn nicht, auch, wenn mir das manchmal lieber war. Aber ich liebte ihn. Und das konnte keine Entfernung, keine Zeit ändern. Doch er hatte sein Versprechen gebrochen. Es war nicht bloß eine Zeit lang gewesen. Sicher hatte er mich vergessen. Bestimmt hatte er das. Zuletzt hatte er mir nichts mehr über sich gesagt, wo ich vorher noch seinen ganzen Tagesablauf, all seine Gedanken wusste. Aber es hatte sich etwas geändert. Ich wusste nicht warum, doch ohne ihn fühlte ich mich alleine. So, als wäre er die Hälfte, die mir ab seinem letzten Brief fehlte.

Ich konnte ihn doch nicht einfach gehen lassen. Ob er jetzt wieder Zeit hatte? Zeit für mich? Ob er überhaupt noch mit mir schreiben wollte? Vielleicht war ich ihm zu kindisch, zu nervig. Ich war gerade achtzehn geworden. Er, so weit ich es wusste, neunzehn oder zwanzig. Waren wir nicht zwei komplett verschiedene Menschen? Ich wollte nicht Colden gerufen werden. Ich wollte Briefe, in denen Felix mich Sunny nannte. Mein Felix. Das war er von Anfang an für mich gewesen. Der neue Freund meiner Mutter hieß Felix. Von Anfang an war er für mich Daniel, sein Zweitname. Für mich gab es nur einen Felix. Und das war meiner.

Er war nicht irgendein Felix, der sich im Internet Dner nannte.

Kein Felix, der als Hase Postkarten um die Welt schickte.

Nein, er war bloß Felix. Mehr nicht. Einfach Felix.

Und so gefiel er mir am Besten. Doch mittlerweile war er mehr.

Felix, der nie Zeit hatte.

Felix, der Probleme hatte.

Felix, der nicht mehr mit mir schrieb.

Felix, der mich vergessen hatte.

Unsicher zog ich den Laptop auf meinen Schoß, tippte seine Mail-Adresse ein.

Felix,

Na, Felix? Kennst du mich noch? Ich bin das Mädchen, von dem du mal gesagt hast, es sei anders; das von Anfang an Sunny war; das immer für dich da war, genauso wie du für es. Dieses Mädchen sagte einmal zu ihrer besten Freundin, dass du der wichtigste Junge in ihrem Leben seist. Gerne hätte sie es dir gesagt, doch du hast ihr auf einmal nicht mehr geantwortet; hast ihr das Gefühl gegeben, alleine zu sein. Felix, ich war alleine. Denn du hast mich alleine gelassen. Ich bin mir sicher, du weißt nicht mal mehr meinen Namen, doch ich kenne noch jeden Brief, den du mir seit unserem ersten "Gespräch" zugeschickt hast. Denn für mich warst du nicht einfach ein alberner Brieffreund. Nein, bei jedem Wort, das sorgfältig ausgesucht von dir schien, pochte mir mein Herz, als zerschmettere gleich mein Brustkorb. Das war vor einem Jahr. Ich weiß nicht, wie du gefühlt hast, aber ich habe dich geliebt. Und ich tue es immer noch.

deine Colden

Only the Letters  》DnerWo Geschichten leben. Entdecke jetzt