12| Keiner hat etwas gemerkt

170 13 0
                                    

Der nächste Morgen brach an und Lydia erinnerte sich nur ungern daran zurück, was gestern alles passiert war. Es war ihr nicht nur unangenehm, sondern sie schämte sich auch für den Ausbruch, den sie vor Jackson hatte.
Mit ihren achtzehn Jahren hatte sie schon viel mehr durch machen müssen, als andere in ihrem Alter. Sie hatte zusehen müssen, wie ihr bester Freund einen Alter Ego, der gleichzeitig ein böser Dämon war, entwarf. Wie ihre beste Freundin umgebracht wurde und der Junge, den sie liebte, ebenfalls zu Tode kam. Sie hatte erlebt, wie es war, anderes zu sein. Sie musste am eigenen Leib spüren, wie eine Verwandlung begann und wie sie fast von einer verrückten Lehrerin erdrosselt wurde. Und trotzdem sollte man meinen, dass es zu Ende wäre. Aber es fing erst an.
Nachdem sie unter Dusche war und ein Frühstück mehr oder weniger herunter gewürgt hatte, nahm sie ihre Tasche und verließ das Haus.
Stiles und Malia warteten schon auf sie, damit sie nicht unterwegs verschwinden konnte.
»Morgen Sonnenschein«, zwitscherte Malia und grinste Lydia an. Sie hatte immer diese positive Art, die auf andere übertragbar war und man sich nie vorstellen konnte, was dieses Mädchen schon erlebt hatte. Malia hatte es in kurzer Zeit geschafft, so menschlich wie es nur ging zu werden. Für jemanden, der über elf Jahre in der Wildnis verbracht hatte, eine reife Leistung.
»Hey«, sagte Lydia zaghaft und schloss die Tür von Stiles Jeep. Der Junge hatte bisher geschwiegen und nur einen besorgten Blick auf sie selber gegeben. »Okay, Stiles, erzähl was dir auf der Seele liegt.«
Stiles warf ihr einen Blick von der Seite zu, bevor er wieder auf die Straße schaute und sein Gesicht sich anspannte. »Ich habe mich gefragt, was es wohl für dich und Jackson bedeutet, wenn ihr miteinander verbunden seid. Ist es dann wie Seelenverwandheit oder mehr wie Bruder und Schwester?«
»Ich kann es dir nicht sagen«, seufzte Lydia und sah aus dem Fenster. »Aber ich weiß, dass ich etwas für ihn empfinde.« Da war es! Sie hatte es gesagt! Sie hatte es laut gesagt und sich eingestanden, das sie Gefühle für Jackson hatte. Wie konnte sie auch nicht? Die beiden waren lange Zeit zusammen gewesen. Vielleicht wären sie es noch immer, wenn er nicht nach London gezogen wäre. Eine Weile überlegte Lydia, wie dass alles wohl verlaufen wäre, wenn Jackson nicht gegangen wäre, sondern in Beacon Hills geblieben. Wahrscheinlich hätte sie Aiden nie so kennen gelernt. Wahrscheinlich wäre ihre Übergangs-Banshee-Phase anderes verlaufen, als das sie vor Leichen zu sich kam.
»Lydia?«, fragte Malia und schüttelte ihre Schultern. »Wir sind da.«
Überrascht sah sie auf und entdeckte vor dem Jeep Scott und Kira, die sich angeregt, aber dennoch sanft und fürsorglich unterhielten. Neben ihnen stand Liam und rollte nur mit den Augen, als Scott sich vorbeugte und Kira einen Kuss gab. Lydia musste schmunzeln. Liam hatte sich eben so schnell in die Gruppe integriert, wie es nur wenige könnten. Dafür das er noch ein Frischling in dieser Welt wahr. Dennoch fiel ihr auf, dass er viel Zeit mit ihnen verbrachte und sich immer mehr von seinem besten Freund Mason abkapselte.
»Hey Leute«, begrüßte Lydia die Runde und das erste Mal seit einem Jahr verspürt sie die tiefe Trauer und Abwesenheit von Allison. Diese Leere, die da war, war so dominant, dass es Lydia zum japsen brachte. Ihr Hals schnürte sich zu und sie musste stehen bleiben.
Natürlich blieb das nicht unbemerkt. Stiles und Malia drehten sich zu ihr um, wobei Stiles sofort nervös nach Lydias Arm griff.
»Lydia?«, rief er und sie vernahm das Gefühl der Ohnmacht nahe zu sein. Es war zu lange her, als das sie jetzt fallen würde. »Lydia, nicht fallen.«
Ihr Gehirn schaltete sich aus und sie konnte nicht mehr denken. Sie sah Scott in die Augen. »Wie kannst du nur leben, wenn sie es nicht kann.« Natürlich war es fies ihn vor die Tatsache zu stellen, dass er lebte, während Allison tot war. Doch Lydia wusste nicht anderes mit dem Schmerz in ihrer Brust um zugehen. Sie wusste, dass sie sich bei Scott entschuldigen sollte, doch sie hatte keine Kraft um es auch wirklich zu machen.
»Wie kannst du glücklich sein, wenn sie tot ist?« Jetzt schrie sie. Ihre Stimme war schrill und der Schmerz flammte bei jedem Wort mehr auf. Als wären die Schmerzen die Monate nach ihrem Tod nicht alles gewesen. Stiles zog sie in seine Arme und strich ihr über das Haare. Doch Lydia wollte nicht. Sie wollte keine tröstenden Gesten oder beruhigende Worte, sie wollte ihre Schmerzen hinaus schreien. »Sag mir, Scott, wie du mit dem Wissen leben kannst, nichts dagegen unternommen zu haben?«
Scotts Gesicht war eine undurchsichtig Miene und er hielt Kira fest in seinem Arm.
»Stiles, bring sie von hier fort«, sagte er und schaute Lydia mit diesem Blick an, dem man sonst Obdachlosen gab. Mitleidig und ein wenig angewidert.
»Lass mich los, Stiles«, schrie sie und wehrte sich gegen seinen festen Griff. »Ich will es hören. Ich will wissen, wie es sich anfühlt, dass größte zu verlieren, was es gibt. Ich will wissen, wie es ihn quält sie sterben zu lassen. Ich will wissen, wie er leidet!«
»Du willst es wissen?«, schrie Scott zurück. Er hatte sich von Kira gelöst und sie hinter sich geschoben. »Ja, du hast recht. Ich habe nichts unternommen, jedoch habe ich mehr gemacht, als ich konnte. Als in meiner Macht stand. Lydia, wach auf. Es hilft nichts immer noch diesen Schmerz zu spüren! Sie hätte nicht gewollt, dass wir so leiden und sie hätte sich schämend von uns weggedreht, wenn sie jetzt hier wäre.«
Lydia bleib stocksteif stehen. Als hätte jemand einen Schalter umgelegt, schien sie zu realisieren, was sie getan hatte und mit wem sie sprach. Das war Scott, der Junge, der ihr Anführer war. Der Junge, mit dem sie schon eine wild geknutscht hatte. Der Junge, der ebenso empfand wie sie.
»Scott ... ich ...«, begann sie und wusste im selben Moment, dass der Schaden ihrer Worte kaum mit einer Entschuldigung behoben werden konnte. »Ich wollte das nicht.«
»Ich weiß«, hauchte Scott und drehte sich um. »Atme tief durch und beruhig dich erstmal, Lydia.«

»Scott hat schon so einige Verlust auf sich genommen«, sagte Stiles und versuchte Lydia zu beruhigen. »Der wird sich jetzt nicht auf ewig hassen.«
Stiles war sich bewusst, dass er Lydia nur ein wenig damit die Sorge nehmen konnte. Er wusste jedoch nicht, was er von ihrem Ausbruch halten sollte. Möglicherweise war es alles zu viel auf einmal. Jackson taucht wieder auf. Dann Ethan, der Aiden einfach zu ähnlich war. Die Sache mit dem Anker und das Lydia und Jackson irgendwie verbunden sind. Und obendrein kommt noch, dass durch all diese Faktoren ihre Beziehung mit Jordan erst einmal auf Eis gelegt war. Die beiden waren zwar nicht zusammen, aber definitiv in der fortgeschrittenen Dating Phase.
»Ich weiß nur einfach nicht, was mit mir los war«, schniefte Lydia und öffnete ihre Spindtür. »Als hätte meine innere Stimme gesagt: ›Beschuldige ihn‹. Es war grässlich.«
Sie holte ein paar Bücher aus dem Schließfach und klappte es dann zu.
Stiles wollte ihr so gern helfen, doch wusstet er nicht, wie er anfangen sollte. Es gab zwei Varianten. Die erste, Lydia war durch einander oder die zweite, in ihr hauste ebenfalls ein Alter ego. Stiles hoffte um Lydias Seele, dass es Erstens war.
»Wir sollten jetzt in den Unterricht gehen, Stilinski«, sagte sie und zog ihn an seinem Hemd hinter sich her. »Und hör auf zu grübeln.«

Während der Unterricht nur so anLydia vorbei zuziehen begann, stellte sie fest, dass in vier von achten Stunden Jackson hätte bei ihr sein müssen. Doch er war nicht in einer einzigen aufgetaucht. Niemand hatte ihn gesehen, weder Ethan noch Danny. Keiner wusste, ob er überhaupt in der Schule war.
Natürlich war Jackson alt genug um selbst zu entscheiden, ob er in die Schule wollte oder nicht, aber die Tatsache, dass er gestern nicht angedeutet hatte, dass er Schwänzen wollen würde, machte Lydia ein ungutes Gefühl.
In der Mittagspause lief sie zu Kira und Malia, die schon einem Tisch ihre Nudeln aßen.
»Hat eine von euch Jackson schon gesehen?«, fragte sie und warf ihre Handtasche auf einen der Stühle.
»Nein«, sagten sie beide aus einem Munde und sahen dabei ziemlich erschrocken aus. Lydia klang öfters panisch, aber nie wegen eines Jungen.
»Er ist nicht da!«, sagte sie und schob sich eine Strähne aus der Stirn. »Und keiner hat etwas gemerkt.«
»Lydia, ganz ruhig«, sagte Malia und blieb entspannt. Zu entspannt, wie Lydia fand. »Da ist er doch.«
Und tatsächlich, durch de Menge der Schüler kam eine ziemlich ramponierter Jackson. Seine Augen waren müde und eingefallen, eins war blau von einem Veilchen. Seine Wangen waren von Kratzern gesäumt.
»Verdammt, Jackson, wo warst du«, schrie Lydia und boxte gegen seine Schulter.
»Sie haben mich gefunden«, sagte er nur und drehte sich zu Kira und Malia. »Die Garde weiß, wo wir sind.«

Back In Town - Teen WolfWo Geschichten leben. Entdecke jetzt