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Als die Schallwelle Blues Mitte traf, war es, als hätte jemand sie mit einem Baseballschläger geschlagen.
Noch während der Schmerz sich stechend in ihrem Körper ausbreitete, dachte sie, dass sie morgen mit Sicherheit einen fetten blauen Fleck haben würde. Doch kaum, dass die Welle sie getroffen hatte, erwachte ihre Mutation. Sie nahm die Kraft des gegnerischen Angriffs mit in eine Drehung und spiegelte sie. Sie schoss die Welle also zurück. Da diese allerdings nun doppelte Stärke hatte - Blues und die des Angreifers - fegte die Welle ihn von den Füßen. Doch Blue ließ ihm keine Zeit, um aufzustehen, sondern drehte sich um und rannte los.
Bitte Professor!, dachte sie. Wenn Sie zufällig meine Gedanken gerade hören, helfen Sie mir! Ich weiß nicht, wo ich bin und so zwei Typen wollen mich entführen!
Sie wusste nicht, ob es etwas brachte, aber in ihrer Verzweiflung fiel ihr nichts besseres ein. Und plötzlich traf die zweite Schallwelle ihren Körper; dieses Mal am Rücken. Sie stolperte und fiel auf den Boden, rollte sich aber reflexartig ab und kam wieder zum Stehen. Da ihre Mutation allerdings nicht so funktionierte, dass sie die Kraft eines Angriffs aufnehmen und einsetzten konnte, wann immer sie wollte, sondern, dass die Kraft in ihre nächste Bewegung floss, war er letzte Angriff in ihre Rolle gegangen.
Also stand sie nun, als gewöhnliche 17-jährige zwei erwachsenen Männern gegenüber, von denen der eine Schläge mit einem Fingerschnipp austeilte und der andere Stimmen nachmachte. Ihre Chancen, zu gewinnen, waren also weniger als gering.
"Komm schon, Blue.", sagte der Stimmen-Typ mit Logans Stimme. "Wir geben dir noch eine letzte Chance. Komm mit uns mit."
"Nur über meine Leiche.", keuchte Blue und wartete auf den Angriff des Schnippsmannnes.
Dieser ließ auch nicht lange auf sich warten und er schickte innerhalb weniger Sekunden ein dutzend Schallwellen los.
Blue wusste nicht, wie ihr geschah, als plötzlich ihre Reflexe das Handeln übernahmen. Manchen Wellen wich sie aus, andere schickte sie zurück, doch keine einzige traf ihr Ziel.
Auf einmal stürzte sich der Stimmen-Typ mit einem wütenden Schrei auf sie und sie war zu überrascht, um den Angriff abzuwehren. Er wollte ihr gegen den Kopf schlagen, doch aus der Not heraus ließ sie sich nach hinten fallen. In dem einen Moment, in dem sie die Augen schloss - aus Reflex wegen des Falls - spürte sie einen Luftzug über sich hinweg wehen.
Sie erwartete, dass der Stimmen-Typ sie jeden Moment ausknockte. Sie hörte ihn mit Logans Stimme einen Wutschrei ausstoßen und machte sich darauf gefasst, seinen Ellenbogen in ihrem ungeschützten Bauch oder an ihrem Kopf zu spüren. Doch stattdessen hörte sie nur ein Grunzen und erneutes Schnippen. Aber die Angriffe schienen nicht mehr ihr zu gelten, also öffnete sie verwirrt ihre Augen.
Sie brauchte einen Moment, um das Bild zu verstehen, welches sich ihr bot. Der Stimmen-Typ lag bewusstlos an der Wand und der Schnippsmann kämpfte mit dem richtigen Logan um sein Überleben.
"Zwei gegen eine; ein bisschen unfair, oder?", knurrte Logan, ehe er seine Klauen bis zum Anschlag im Fleisch des Angreifers versenkte. Dieser keuchte ungläubig und sackte leblos zusammen. Logan hielt ihn noch einige Sekunden, dann zog er die Klauen ein und der Mann fiel tot zu Boden.
Logan drehte sich um. "Alles okay?"
Sie nickte. "Ich wurde schon öfter angegriffen. Aber nie von Mutanten..."
"Ich verstehe nicht, wie sie hier hereinkommen konnten...", sagte plötzlich Professor Xavier und sofort wandte Blue sich um. Der Professor wurde von Scott und einer anderen jungen Frau herbei geschoben. "Jean, untersuch sie."
Die Frau, die dann wohl Jean war, kam auf das Mädchen zu und kniete sich hin.
"Sie heilt auch schneller.", warf Logan ein und Scott sah ihn herausfordernd an.
"Und woher willst du das wissen?"
"Er war dabei, als mein von Kugeln durchlöcherter Körper sich regeneriert hat.", antwortete Blue für ihn.
Jean lehnte sich etwas zurück. "Soll ich dich trotzdem untersuchen?"
Blue schüttelte den Kopf, nahm ihre Schlafklamotten, die neben sie gefallen waren, und erhob sich langsam. Ihr Bauch pulsierte von dem Schlag, doch ansonsten ging es ihr gut.
"Haben die beiden gesagt, was sie von dir wollen?", fragte Logan.
"Sie meinten, jemand, dem es sehr wichtig ist, mich zu treffen, hätte sie geschickt, mich zu holen."
Plötzlich stöhnte der Stimmen-Typ auf, doch ehe er irgendwie reagieren konnte, trat Logan ihm einmal gezielt gegen den Kopf.
"Scott, bring den ungebetenen Gast doch bitte nach unten. Jean, kontrollier seinen Zustand. Logan, du geleitest Blue zu ihrem Zimmer. Ihr müsst euch ausruhen, und morgen kümmern wir uns um deinen Verbleib.", wies Professor X alle an.
Blue wollte widersprechen, doch auf einmal war sie so müde, dass sie im stehen beinahe einschlief, und es ihr schwer fiel, die Augen aufzuhalten.
"Komm, Kampfzwerg.", sagte Logan und stieß sie sachte am Arm an, damit sie losging. Allerdings fiel sie fast um, sodass er sie am Arm griff und festhielt. "Aufpassen, Schlafmütze. Sonst tust du dir weh.", schmunzelte er belustigt.
"Mh... 'tschuldigung.", murmelte sie und stolperte los, wobei ihr nicht auffiel, dass Logan sie weiterhin festhielt, damit sie nicht irgendwo gegen lief, oder einfach umkippte.
Als sie das Zimmer erreichten, war Blue nur noch ein Schatten ihrer Selbst. Sie wollte sich bei ihrem Begleiter für die Rettung bedanken, doch sie murmelte nur unverständlichen Kram, weshalb sie es frustriert aufgab und ihre Hand zum Abschied hob. Sie betrat das Zimmer und ließ sich mit den Klamotten im Arm auf das Bett fallen. Sie schaffte es nicht einmal mehr, die Türe zu schließen und schlief, mit den Beinen über der Bettkante hängend, sofort ein.
Logan stand etwas verwirrt vor der offenen Tür und wollte diese kopfschüttelnd schließen, als sein Gewissen sich meldete und er den Raum doch einmal betrat. Er ging zum Fenster und da bereits die Sonne wieder aufging, zog er die Gardinen zu. Dann ging er zu ihrem Bett und schob sie behutsam von der Kante weg, damit sie nicht herausfallen konnte. Dann wollte er ihr die Mütze vom Kopf ziehen, dachte aber daran, wie sie reagiert hatte, als sie ihre blaue Mütze das letzte Mal nicht gefunden hatte. Und so schwebte seine Hand einen Moment über ihrem Kopf, ehe er noch einmal die Haare aus ihrem Gesicht schob und den Raum verließ.

Der nächste Tag begann für Blue verhältnismäßig spät.
Da sie ja gestern erst so gegen sechs Uhr Morgens ins Bett gekommen war, schlief sie dementsprechend lange. Und sie hätte vermutlich auch noch länger geschlafen, aber um 14 Uhr kam Jean herein und weckte sie sanft.
"Guten Morgen Blue. Es ist Zeit, um aufzustehen.", sagte sie und stupste das Mädchen vorsichtig an. Zwar war sie ein wenig verwundert darüber, dass Blue eine Mütze trug, aber sie war der Meinung, dass sie tragen sollte, was sie glücklich machte.
Grummelnd schlug Blue die Augen auf und blinzelte ein paar Mal. Jean zog die Gardinen auf und öffnete das Fenster.
"Der Professor hat dir Frühstück aufbewahren lassen und Logan wollte auf dich warten. Er sitzt in seinem Zimmer, damit ihr zusammen zum Speisesaal gehen könnt.", sagte sie. "Nach dem Unterricht möchte der Professor dich in seinem Büro sehen.", fügte sie noch hinzu und verschwand dann.
Blue blieb noch ein paar Minuten liegen, dann setzte sie sich auf und blickte sich um; die Bettdecke war rot, mit dünnen weißen und schwarzen Streifen. Das Bett und die übrigen Möbel, ein Schrank, ein Tisch, ein Stuhl und ein Bücherregal, waren aus dunklem Holz. Auf dem Boden lag ein Teppich, der den gleichen Rotton hatte, wie die Bettdecke und die Gardienen. Über ihrem Bett, welches in einer Nische stand, hingen ein Gemälde von New Yorks Skyline und eine Leselampe. Das Zimmer war völlig unpersönlich und trotzdem fühlte Blue sich mehr Zuhause als irgendwo dort, wo sie bisher gewohnt hatte.
Als sie sich das Zimmer genau besehen hatte, erhob sie sich aus dem Bett und stand einen Moment einfach im Raum herum. Sie ließ den vergangenen Tag einmal Revue passieren, ehe sie ihre blaue Mütze richtete und das Zimmer verließ, um gegenüber zu klopfen.
Während sie darauf wartete, dass Logan die Türe öffnete, sah sie einmal an sich hinab. Sie trug schwarze Boots, die sich an allen Enden bereits von der Sohle lösten, eine dunkelgraue Jeans, deren Stoff verfärbt war und sich teilweise schon auflöste, und einen grauen Handwerker-Pulli, dessen einer Ärmel schon vier Mal angenäht worden war, und der andere löste sich am Ellenbogen ebenfalls auf. Außerdem war er blutrot verfärbt und hatte auf der Vorderseite drei Löcher.
"Warum sagt mir denn keiner, dass ich völlig beschissen aussehe?", fragte sie frustriert, als Logan die Türe öffnete.
"Dir auch guten Morgen.", sagte er belustigt. "Und wie kommst du darauf, dass du beschissen aussiehst?"
"Ähm, hallo? Hast du mich mal angesehen? Meine Klamotten sind alle kaputt. Kein Wunder, dass mich alle anstarren, bei den Blutflecken."
Er grinste schief. "Damit sind deine Klamotten kaputt, aber du doch nicht hässlich."
Sie seufzte. "Wenn mir etwas einfällt, was ich darauf antworten kann, sage ich Bescheid. Los, lass uns frühstücken gehen."
Kopfschüttelnd trat Logan auf den Flur. "Wie auch immer, Kampfzwerg.", murmelte er, musste aber trotzdem grinsen.

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So Leute,
Pünktlich wie eh und je. Ich versuche gerade krampfhaft Latein zu lernen, aber gut...
Ich hoffe, das Kapitel hat duch gefallen.
Hab euch lieb,
Thi

Das Mädchen mit der blauen Mütze (Logan FF)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt