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"Jedes der Zimmer im zweiten und dritten Stock sieht gleich aus.", erklärte Blue. "Mit ein paar Ausnahmen. Einmal ist dort nämlich die Bibliothek.", sie öffnete eine Türe. "Mein Großvater war leidenschaftlicher Leser und hatte dementsprechend viele Bücher."
Die Bücherei war ein rechteckiger Raum, mit Bücherregalen die bis unter die Decke reichten. Auf dem Boden lag ein, wer hätte es erwartet, staubiger, roter Teppich und ein einzelner Sessel, neben welchem sich noch mehr Bücher türmten. Von den Wänden sah man nichts, da überall Regale standen. Die einzige Ausnahme bildete die zweite Türe, die ziemlich allein in der rechten Wand war.
"Dort ist das Kaminzimmer.", sie öffnete diese Türe. "Es ist sowas wie die Leseecke.", sie deutete in das anliegende Zimmer, in welchem es einen großen Kamin und mehrere Sofas und Sessel gab. Auch hier standen einige Bücherregale, allerdings weitaus weniger, als in der Bibliothek. Auf dem Boden lag ein Bärenfell und staubte vor sich hin. Die Fenster waren, überraschenderweise, noch alle komplett und unzerstört. Neben dem Kamin standen, auf beiden Seite, Gestelle mit Holzscheiten, die bis zum Platzen gefüllt waren.
Als nächstes führte Blue Logan einmal auf die andere Seite des Plateaus, und öffnete dort eine Türe.
"Und hier ist mein Zimmer.", sie lächelte. "Es ist eigentlich auch ein Zimmer wie die Gästezimmer, aber... es hat einen Balkon mit Blick auf den Garten. Und außerdem, da es das Zimmer neben der Treppe ist, hat es einen begehbaren Kleiderschrank und ein eigenes Bad."
Jetzt lachte Logan leise. Blue schien ihm nicht das Mädchen zu sein, welches sich über einen begehbaren Kleiderschrank so dermaßen freute.
"So. Sonst sehen alle Zimmer, wie gesagt, sehr gleich aus. Alles Gästezimmer. Auf jedem Plateau gibt es zwei Badezimmer, eines im Süden, eines im Norden. Ja, dann... such dir eins aus."
Sie führte ihn wieder auf das Plateau und es dauerte nicht lange, da hatte er sich für das Zimmer neben ihrem entschieden.
"Und jetzt?", fragte sie und sah Logan verlegen an.
Das erste Mal, seit sie hier waren, sagte er etwas. "Wir könnten vielleicht etwas essen, dann die Betten so herrichten, dass wir darinne schlafen können und einmal schauen, ob wir den Strom und das Wasser angeschaltet bekommen. Dann sehen wir weiter."
Sie nickte zustimmend und so liefen sie wieder nach unten, wobei beide sich so fühlten, als wären sie im Disneyschloss in Paris.
Ihre heutige Mahlzeit, die sie selbstverständlich im Speisesaal einnahmen, bestand aus kalter Dosensuppe und abgestandenem Wasser.
"Man wird das herrlich, wenn die Küche sauber ist und wir einkaufen waren.", murmelte Blue und schluckte den letzten Schluck ihres Wassers herunter.
"Kannst du kochen?", fragte Logan und stellte seine leere Dose beiseite.
"Mehr schlecht als recht, aber ja.", sie grinste. "Man kann es wohl essen. Im Dorf meinten sie immer, besser als Tante Bettys Gammel-Eintopf ist es allemal.", bei dem Gedanken an ihre alte Heimat wurde es ihr gleichzeitig heiß und kalt. Sie wusste nicht, ob sie Kanada vermisste, oder froh war, in Virginia zu sein. Sie war sich ihrer Gefühle im generellen nicht klar. Doch ehe sie sich damit befassen konnte, stand sie auf.
"Komm, du suchst nach Strom und Wasser und ich mache die Betten. Wer als erster fertig ist... bekommt die letzte Ration Kaffee, die wir haben."
Das war für Logan Ansporn genug. Er sprang auf und raste an ihr vorbei aus dem Zimmer in die Empfangshalle und in die Kammer unter der Treppe. Lachend folgte Blue ihm in die Halle und rannte die Treppe hinauf. Erst lief sie in sein Zimmer.
Es hatte zwei Fenster, mit gelben Vorhängen. Die Bettwäsche des Himmelbettes war farblich dazu abgestimmt und das braun der übrigen Möbel unterstrich die Farbe sanft. Es gab zwei Nachttischchen, einen Kleiderschrank, einen roten Bodenteppich, der perfekt mit dem gelb harmonierte, und das besagte Himmelbett.
Sie öffnete die Fenster und ließ kalte Luft herein, ehe sie die Bettdecke nahm und zwei Enden hinauswarf. Wie Frau Holle schüttelte sie die Daunendecke aus und eine weiße Staubwolke flog in den Abend hinein. Dann machte sie gleich mit dem Kopfkissen weiter. Draußen wurde es bereits dunkel und der Himmel wurde in allen möglichen Orange- und Rottöne gefärbt. Als sie ihr Bestes zum entstauben getan hatte, verließ sie sein Zimmer wieder und ging in ihres.
Es war exakt gleich eingerichtet, aber mit blauer Bettwäsche und Gardinen. Außerdem gab es eine Türe zum Balkon und anstatt eines Kleiderschrankes einen Schreibtisch. Auch hier schüttelte sie wieder Decke und Kissen aus und lüftete. Dann kehrte sie in Logans Zimmer zurück und schloss die Fenster wieder. Als auch in ihrem Zimmer alles dicht war, ging sie raus aufs Plateau und lugte hinunter. Von Logan keine Spur. Doch auf einmal hörte sie ihn Fluchen.
"Alles okay?", rief sie besorgt.
"Ich habe mir nur einen Stromschlag gefangen...", kam die Antwort zurück und sie kicherte. Eigentlich hatte sie die Wette schon gewonnen, doch sie wollte ihm noch eine Chance geben. Also ging sie ins Kaminzimmer und legte einige Holzscheite hinein. Dann holte sie aus ihrer Tasche zwei Taschentücher und ein Feuerzeug. Damit zündete sie ein hübsches Feuer an. Dann ging sie runter.
"Und, wie weit bist du?", fragte sie in die Kammer hinein.
Die Kammer fungierte sowohl als Vorratskammer als auch als Putzmittel- und Technikraum. An der einen Seite standen Metallregalen, in denen einige Konserven standen, die vermutlich seit 1990 abgelaufen waren. Auf der anderen Seite hingen Besen, Wischmops und andere Haushaltsgeräte und ein Sicherungskasten, an dem Logan gerade arbeitete.
"Wasser und Gas laufen schon. Ich habe einen Keller gefunden.", er nickte in Richtung einer Bodenluke. "Strom läuft... jetzt.", er legte einen Schalter um und tatsächlich flackerten einige Lampen sofort auf. Vor Glück fing Blue an zu strahlen und sah Logan an, der sich ebenfalls lächelnd zu ihr drehte.
"Vielleicht wird es gar nicht so schlimm.", sagte er und Blue kamen beinahe wieder die Tränen. Doch sie drehte sich schnell weg.
"Du hast dir gerade einen Kaffee verdient, würde ich sagen.", sagte sie und hustete noch einmal, um den Kloß in ihrem Hals loszuwerden.
"Aber du warst vor mir fertig."
"Tatsächlich? Naja, egal. Die Notfallration war sowieso für dich gedacht.", sie lächelte und lief in die Küche. "Komm, du kannst mir beim Saubermachen helfen, dann kann ich dir einen Kaffee kochen."
Gute zwanzig Minuten später stand ein Wasserkessel auf dem notdürftig geputzten Herd. Ohne Putzmittel war es gar nicht so einfach, zu Putzen, aber sie hatten es geschafft. Blue servierte das Getränk in einer frisch gespülten Porzellantasse aus einem Schrank in der Küche und sie setzten sich ins Kaminzimmer, wo es inzwischen angenehm warm war.
"Verstehe ich das aber richtig? Du bist reich?", fragte Logan und nippte an seinem Kaffee. Er saß auf einem der Sofas und Blue in einem Sessel. Sie hatte die Beine angezogen und sah ihn aufmerksam an.
"Naja... wenn ich das Erbe erhalte... schon irgendwie. Meine Familie war eine große Handelsfamilie und wir haben viel Geld gemacht. Ich weiß nicht wie viel genau, aber Pete hat sich früher immer darüber aufgeregt, dass er keinen Zugriff auf das Geld hatte. Und mein Großvater schenkte mir jedes Jahr zu Weihnachten eine Goldmünze, also nehme ich an, war er nicht ganz arm."
"Erzähl mir mehr von deinem Großvater.", bat Logan und Blue seufzte tief.
"Wie ich ja sagte, ist er an Krebs gestorben. Und das ziemlich schnell. Er hatte wohl einen Hirntumor. Bis er krank wurde, war er jedenfalls regelmäßig bei uns, und solange er gelebt hat, hat Pete mich auch nie geschlagen. Großvater hat mir, wie gesagt, jedes Jahr zu Weihnachten eine Goldmünze geschenkt, die Pete allerdings immer eingesammelt hat, unter dem Vorwand sie aufzubewahren. Großvater hat das Geschäft der Familie mit Stolz geleitet und das Vermögen sicherlich noch einmal verdoppelt. Er hat seine Frau schon sehr früh verloren, als meine Mutter noch ein junges Mädchen gewesen war. Sie war sein Schatz, hat er immer gesagt. Und dass ich ihr sehr ähnlich sähe. Dass er immer für mich da wäre, auch wenn er wieder bei ihr wäre... Er war mir mehr ein Vater, als Pete jemals.", flüsterte sie den Schluss und auch wenn sie sich dagegen wehrte, aber Tränen rannen ihr über die Wangen.
Logan stellte die Tasse beiseite und setzte sich aufrecht hin. Dann klopfte er auf den freien Platz neben sich und sah sie mit einem warmen Blick an, der allerdings dafür sorgte, dass sie noch mehr weinen musste. Sie fühlte sich wie ein kleines Kind, als sie sich neben ihn setzte und er sie in seine starken Arme zog und an seinen warmen Körper drückte. Sie schluchzte leise vor sich hin, und er hielt sie einfach, ohne etwas zu sagen. Es tat ihm unendlich leid, dass ihr Vater so früh begonnen hatte, sie zu schlagen. Dass sie so viele Verluste hatte erleiden müssen, ohne jemanden zu haben, der ihr zur Seite stand. Doch das, so sagte er sich, hätte sich jetzt geändert. Sie müsste nie wieder alleine trauern. Jetzt waren die anderen von X-Mansion da. Jetzt war er da.

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Leute, es tut mir unfassbar leid, dass am Mittwoch kein Kapitel kam.
Aber ich hatte eine Bindehautentzündung, und durfte darum nicht an irgendeine Form der Medien ._. 
Naja, nun ist das Kapitel ja da. Ich hoffe, es hat euch gefallen.
Was haltet ihr von Blue und Logan?
Fröhlichen 1. Advent und 1. Dezember, übrigens.
Hab euch lieb,
Thi

Das Mädchen mit der blauen Mütze (Logan FF)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt