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Nach dem Frühstück zeigte Logan Blue die Schule und erklärte, dass er für den heutigen Tag ihr Bodyguard sein würde. Ebenso die nächsten Tage, wenn es nötig wäre. Bis sie wussten, dass sie in Sicherheit war.
"Kriegst du dann auch so eine coole Sonnenbrille und trägst einen schwarzen Anzug?", fragte Blue, als sie durch den Garten spazierten.
Logan schnaubte. "Unwahrscheinlich."
Danach schwiegen sie eine sehr lange Zeit, bis die Schulglocke ertönte und die Schüler auf den Hof stürmten, wo die beiden auf einer Bank saßen. Logan grüßte hier und da mit einem Kopfnicken, reagierte aber sonst nicht viel.
"René also.", sagte er aus heiterem Himmel, was Blue ziemlich überrumpelte.
"Ja...", gestand sie leise und senkte den Blick.
"Du magst den Namen wohl nicht besonders, was?", sagte Logan, ohne sie anzusehen.
"Nicht wirklich."
"Warum?"
"Naja...", sie seufzte. "Früher mochte ich den Namen sehr gerne. Es ist der Zweitname meiner Mutter. Ich habe sie mir immer wie einen Engel auf Erden vorgestellt. Das Gegenteil von Pete.", ihr Blick glitt in die Ferne. "Hmpf, jedenfalls... Im Dorf hat man mich dafür gehänselt. Weil es angeblich ein Jungenname ist."
"Du hast deine Mutter nie kennengelernt, oder?"
"Nein...", sie tippte sich an die blaue Mütze. "Die, und ein Bild sind das Einzige, was ich noch von ihr habe..."
Darauf antwortete Logan nicht.
"Komm.", sagte er irgendwann. "Der Professor wollte dich doch sehen."
"Ist Schule etwa schon aus?", fragte Blue verwirrt.
"Natürlich. Was dachtest du denn?"
"Keine Ahnung was ich dachte! Ich war noch nie in der Schule. Lesen, Schreiben, Rechnen hat Pete mir beigebracht."
Logan nickte knapp und führte sie dann durch das Gebäude zum Büro. Dort angekommen wollte er gerade klopfen, da ging die Türe auch schon auf.
"Herein.", sagte Professor Xavier unnötigerweise und Blue betrat vor Logan den Raum, in dem sich Storm, Cyclops, Jean und der Professor befanden.
Nervös stand sie im Zimmer und wäre am liebsten davongerannt. Die Erwachsenen bereiteten ihr noch immer Unbehagen, zumal sie nicht annähernd alles über die Fähigkeiten wusste, was es für sie nicht besser machte.
"Setz dich ruhig, Blue. Du brauchst nicht nervös zu sein. Wir wollen und werden dir helfen.", sagte der Professor.
Sie nickte und setzte sich, blickte aber noch einmal hinter sich, um sicherzugehen, dass Logan noch da war.
"Also.", begann Xavier, sobald Blue ihn wieder ansah. "Ich denke, wir wissen alle, was gestern Nacht vorgefallen ist. Solange wir nicht wissen warum, und insbesondere wer etwas so dringend von Blue will, dass er, oder sie, in eine Schule voller Mutanten einbricht, bedarf sie eines ganz besonderen Schutzes."
"Könnte Magneto dahinter stecken?", fragte Jean.
"Es ist nicht ausgeschlossen, aber sehr unwahrscheinlich. Schließlich sitzt Erik in einem Hochsicherheitsgefängnis."
"Über das Wer können wir uns auch Gedanken machen, wenn Blue in Sicherheit ist.", warf Storm ein.
"Hast du irgendwelche Feinde?", fragte Scott an das Mädchen gewandt.
"Ein Dorf in den Tiefen Kanadas.", sagte sie und schob dann noch hinterher: "Aber mehr Menschen kenne ich nicht. Und in dem Dorf gibt es nur einen Mutanten, aber der hasst es so sehr, dass er ein Mutant ist, dass ich nicht glaube, dass er weitere Mutanten kennt."
"Das war eine Wer-Frage.", knurrte Logan.
"Oh, Entschuldigung. Kannst du zurück nach Hause?", fragte Scott bissig.
"Nein.", antworteten Blue, Logan und Xavier gleichzeitig. Verwirrt sah Scott die drei der Reihe nach an, ersparte sich aber eine Antwort.
"Ich habe vielleicht eine Idee...", sagte Blue kleinlaut.
Der Professor sah sie an, dann nickte er. "Das ist eine gute Idee."
"Würde das bitte einer erklären, nicht alle hier können Gedanken lesen!", sagte Logan gereizt.
"Der Familie meiner Mutter gehört seit Generationen ein Grundstück in Virginia. Aber da alle aus dieser Familie gestorben sind, und meine Mutter es mir vererbt hat, gehört es jetzt technisch gesehen mir. Und außer dem Anwalt, Pete und mir, weiß auch keiner davon."
"In Virginia sagst du?", fragte Jean, woraufhin das Mädchen nickte. "Ich habe mal eine Zeit in Virginia gewohnt. Vielleicht könnte ich also mitkommen, um auf sie aufzupassen."
Doch der Professor schüttelte den Kopf. "Ausgeschlossen. Wer auch immer die beiden Schläger geschickt hat, beobachtet mit Sicherheit die Schule. Wenn wir Blue hier rausschaffen, dann mit Logan an der Seite, weil ich ihn eher wegschicken würde, als einen von euch.", er dachte kurz nach. "Ja, ich denke, so machen wir es. Hört zu:"

Am Abend, gegen 19 Uhr, war es soweit.
Zwei schwarze Autos verließen das Schulgelände. An der Landstraße bog der eine Wagen nach rechts, der andere nach links ab. In dem rechten Wagen saß Scott am Steuer und in dem linken Jean. Scott fuhr zum nächstbesten Flughafen, verweilte dort zwei Stunden und kam zurück. Jean tat das Gleiche, fuhr allerdings zu einem Bahnhof.
Eine Stunde später, um 22:15, öffnete sich zweieinhalb Kilometer westlich von X-Mansion, mitten auf einem Weg in einem Wald, ein Gullideckel, und Logan und Blue kletterten heraus.
"Wir werden nie wieder durch die Kanalisation wandern.", murrte Blue.
"Das hoffe ich.", stimmte Logan ihr zu, und kletterte hinter ihr ins Freie.
"Und jetzt?", fragte sie und blickte sich in dem Wald um.
"Wir laufen nach Virginia. Das sind ungefähr 440 Meilen, dass müssten wir in... sagen wir zehn Tagen schaffen."
Ungläubig sah sie ihn an. "Zehn Tage?", fragte sie.
"Jup. Das ist zu schaffen."
"Ja, klar!", sie lachte hysterisch. "Ich wollte ja auch nicht irgendwann noch ankommen."
Er grinste sie frech an. Dann holte er aus seinem Rucksack eine Karte und breitete sie auf dem Laubboden aus. Blue, die inzwischen ein neues Outfit aus zusammengewürfelten Sachen aus der Fundgrube der Schule trug, kniete sich neben ihn.
Sie trug mehr oder weniger neue, schwarze Boots, die, im Gegensatz zu ihren alten, nicht auseinander fielen. Dazu eine dunkelblaue Jeans und unter der braunen Winterjacke einen hellgrauen Hoodie mit der schwarzen Aufschrift "Harvard 1975". Und natürlich ihre blaue Mütze.
Außerdem hatte der Professor ihr einen Rucksack für Proviant, einen weiteren Hoodie und andere Kleinigkeiten, die man eben so brauchen konnte, gegeben. Ursprünglich hatte er auch gewollt, dass die Beiden Zeltsachen mitnahmen, doch Logan und Blue hatten sich darauf geeinigt, das Zeug in der Schule stehen zu lassen, da es zu viel Platz wegnehme würde, und sie genauso gut auf dem Boden schlafen könnten.
"Also gut.", sagte Logan und deutete auf einen Punkt auf der Karte. "Wenn wir jetzt losgehen, können wir die Hälfte des Weges bis zum Morgengrauen schaffen. Oder wir gehen jetzt noch zwei bis drei Stunden, vielleicht ein bisschen mehr, schlafen und laufen Morgen so weit, wie wir es schaffen."
"Dann lass uns das machen.", antwortete sie, und während er die Karte fein säuberlich zusammenfaltete, besah sie sich die Bäume in der Umgebung. Als Logan fertig war und sich erhoben hatte, deutete sie in eine Richtung.
"Da lang.", sagte sie selbstsicher.
"Sicher?", fragte er und ohne zu zögern und ohne eine Spur Unsicherheit, nickte sie. Er nickte ebenfalls und sie setzten sich in Bewegung.
Die Nacht war schon fortgeschrittener, als die zwei beschlossen, für heute genug gelaufen zu sein.
Sie suchten sich eine schöne Stelle unter einem Baum und legten sich dort hin. Blue zog ihren Rucksack aus, legte ihn hin und ließ ihren Kopf darauf fallen. Es dauerte keine zwei Sekunden, da war sie eingeschlafen.
Logan allerdings wartete, bis sie schlief und holte aus seinem Rucksack eine Decke, die er über den zierlichen Körper neben ihm ausbreiten. Er ging davon aus, dass es in der Nacht Bodenfrost geben würde. Und da seine allererste Vermutung über Blue, sich als wahr erwiesen hatte - dass sie nämlich nur aus Haut und Knochen bestand -, war er ziemlich sicher, dass sie zu frieren beginne würde, wenn es erst richtig kalt war.
Als er sie zugedeckt hatte, blieb er noch ein wenig wach, beobachtete, lauschte und roch, ob irgendwer ihnen gefolgt war.
Als sicher war, dass das nicht der Fall war, legte er sich in einem gewissen Abstand neben sie, machte die Augen zu und war kurz darauf auch eingeschlafen.

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Sooo, etwas später als gewöhnlich, und trotzdem noch perfekt pünktlich. Wie es sich gehört.
Ich hoffe, das Kapitel war okay.
Hab euch lieb,
Thi

Das Mädchen mit der blauen Mütze (Logan FF)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt