Nachdem die U-Bahn lautstark davon gefahren war, sahen sie aus den großen Fenstern hinunter auf die nasse Straße. „Da vorne ist ein Coffeeshop! Ich glaub, wir brauchen beide dringen was, um wacher zu werden", sagte er und gähnte. „Unbedingt!" Jennifer stimmte ihm zu, ein Gähnen unterdrückend! Matt konnte sich ein Schmunzeln nicht verkneifen.
Bis auf einige ältere Menschen war es relativ leer und sie hatten freie Platzwahl. Gemeinsam suchten sie sich einen Tisch beim Fenster aus und Jennifer legte ihren Notizblock auf den Tisch. Die Atmosphäre war angenehm, nur das Angebot war ihr viel zu groß, weswegen sie einfach einen Cappuccino bestellte. Matt beobachtete sie und ihr dämmerte langsam, dass dieses Projekt für ihn nur eine lästige Angelegenheit sein musste.
„Sag mir bitte, dass du keine Glitzerstifte mithast!" Jennifer sah ihn mit hochgehobener Augenbraue an, nahm ihren Kugelschreiber aus dem Schüttelpenal und drückte dabei ihren lila Glitzerstift tiefer nach unten. „Was hast du den gegen Glitzer?" Matt schmunzelte und sah aus dem Fenster. „Nichts, wenn es nicht gerade um ein ernsthaftes Projekt geht. Ich hab einen Laptop erwartet, nicht ein paar Schmierzettel."
Er deutete auf ihren Notizblock, den Laura in einer der Pausen mit bunten Stickern verziert hatte. „Tja, ob du es glaubst oder nicht, aber nicht jeder kann sich das leisten." Sie knallte den Kugelschreiber auf den Tisch, dass er wackelte und die Tassen klapperten. Eine unangenehme Stille entstand zwischen ihnen, während Jennifer versuchte sich zu beruhigen, dabei presste sie ihre Lippen fest aufeinander, um nicht noch mehr zu sagen. Irritiert sah sie aus dem Fenster, wo sich ein Pärchen gerade lachend einen Regenschirm teilte, während sie auf den Bus warteten.
„Na gut! Wer wird dein Opfer?" Als ob nichts gewesen wäre, nahm er einen Schluck aus seiner Tasse und legte sein Handy verkehrt herum auf den Tisch. Verständnislos sah sie ihn an. „Wenn wirst du interviewen?", formulierte er seine Frage neu. „Ach so! Ich dachte an meine Oma. Meine Mama arbeitet zu viel und hat keine Zeit und mehr Familie hab ich nicht." Jennifer rutschte nervös auf dem Sessel hin und her, sie versuchte ihm nicht zu lange in die Augen zu sehen.
Seine grauen Augen machten Jennifer nervös, möglicherweise weil sie wunderschön waren oder aber auch weil er seinen Blick nie abwendete. „Fangen wir hiermit an." Er holte einen grünen Ordner aus seinem Rucksack und legte ihn ihr vor die Nase. „Das sind Fragen, die für gewöhnlich gestellt werden. Du kannst sie natürlich nicht eins zu eins übernehmen, doch sie werden dich in die richtige Richtung lenken."
Jennifer sah sich einige der Fragen an und erkannte sofort, dass Frau Schatz recht hatte. Er wusste, was er tat und hatte wohl auch ein organisatorisches Talent. Es waren viel mehr als nur Fragen in dem Ordner, es waren Tipps und Tricks, die einem bei der Fragestellung halfen und wie man es schaffte, dass sich der Befragte wohlfühlte. Für eine ganze Weile diskutierten sie über die beste Vorgehensweise, in der Zeit vibrierte Matts Handy ununterbrochen, bis er es auf stumm schaltete.
Trotzdem konnte er nicht die Finger davon lassen. Ihr fiel das nicht schwer, sie hatte kaum Freunde und Laura würde erst am Nachmittag aufstehen. Mehr als die obligatorischen ein oder zwei Memes würde sie heute nicht von ihr bekommen. Matt streckte sich schließlich und legte die Hände hinter seinen Kopf. „Du musst dich anstrengen bei dem Projekt. Frau Schatz hat sich doch etwas besorgt angehört!" „Wie motivierend!", sagte sie und legte ihren Kopf auf den Tisch. „Das mach ich dann ganz neben Mathe und Geografie und Geschichte und meinem restlichen Leben!", murmelte sie, erschöpft von der bloßen Vorstellung.
Matt stützte seine Ellbogen auf den Tisch und stupste ihr leicht mit einem Finger auf ihren Kopf. „Kopf hoch, immerhin musst du es nicht alleine machen." Jennifer wusste nicht, wie sie darauf reagieren sollte, richtete sich wieder auf und sah ihn verlegen an. „Was hast du eigentlich davon?" „Einen Pluspunkt bei den Lehrern und außerdem steht es als außerschulische Aktivität im Zeugnis. Da ich noch nicht weiß, was ich nach dieser Schule machen will, ist es gut, ihn alle Richtungen zu arbeiten." Die Neugierde backte sie, es war schwer, sich Matt für immer in dieser Umgebung vorzustellen.
Er wirkte immer etwas fehl am Platzt und das lag nicht nur an seinem Akzent.
„Du weißt noch nicht, auf welche Schule du weitergehen willst?" „Ich bin mir noch nicht ganz sicher. Vielleicht wird es doch die Schule mit Schwerpunkt Wirtschaft aber...." Matt unterbrach sich selbst und zuckte mit den Achseln. „Mal sehen! Ein wenig Zeit hab ich noch für die Bewerbung." Nach dem Zahlen gingen sie schnellen Schrittes zur Station, der Regen wurde jetzt immer stärker und sie glaubte ein Donnern zu hören. Die Bahn war jetzt voller als auf der Fahrt her und sie standen dicht zusammen, was sie dazu zwang zu ihm hoch zusehen, während sie redeten.
Jennifer strengte sich an seinen Worten zu folgen allerdings war es laut und alles, was sie wahrnahm, war sein Geruch. Ob er Parfüm drauf hatte oder war es vielleicht Aftershave? „Wenn du die ersten Aufnahmen hast, treffen wir uns bei mir! Mein Dad hat mir ein gutes Schnittprogramm gekauft und wir könnten auch Fotos einscannen. Ich geh mal davon aus, dass du das bei dir nicht machen kannst!"
Für einen kurzen Moment hatte Jennifer sich gestern gefragt, wie er lebte, jedoch nicht damit gerechnet, es wirklich jemals herauszufinden. „Ich dachte, ich mache das alles im Computerraum in der Schule." „Da wärst du jeden Tag ewig dort und um fünf hauen sie dich dann raus!" „Ja, ich war auch nicht gerade begeistert von der Vorstellung." Matt hatte sich etwas zu ihr gebückt, damit er sie besser hören konnte.
Eine Gruppe von Kindern, die nahe bei ihnen standen, machte es nicht einfacher. „Alles, was nur abgetippt gehört, machst du zu Hause bei dir und den Rest machen wir bei mir! Warte! Einen Computer habt ihr schon, oder?" „Ja, im Wohnzimmer, er ist alt, aber funktioniert." „Gut!" Bevor Matt ausstieg, bedankte sich Jennifer noch bei ihm.
Als sie für den Rest der Fahrt alleine zurückblieb, stellte sie sich in eine der Ecken beim Ausgang. Insgeheim hoffte sie das ihr keines der Kinder entgegenflog beim nächsten Mal bremsen. Die Mütter ermahnten zwar im Fünf-Minuten-Takt sich anzuhalten, doch zeigte das keine Wirkung.
Auf dem letzten Stück nach Hause wurde ihr bewusst, dass sie ein Problem hatte. Der Gedanke, ihn bald wiederzusehen, löste in ihren Bauch ein Kribbeln aus, sie versuchte es zu unterdrücke, aber es wollte einfach nicht weggehen. Dabei war er nicht besonders nett oder höflich gewesen, warum nur empfand sie so? Jennifer dachte an seine Augenringe, das Ständige am Handy herumtippen und dass er ihre Hand nicht angenommen hatte zur Begrüßung.
Dafür, dass sie selbst aus Komplexen bestand, was oft zu Seltsamkeit ihrerseits führte, war sie schnell darin, ihn zu verurteilen. Von sich selbst genervt, stampfte sie die letzten Schritte nach Hause. Ihre Schuhe hatten dem Regen nicht standgehalten und das Wasser hatte ihre Socken erreicht, bei jedem Schritt wurde es unangenehmer. Durchgeweicht kam sie zu Hause an und stellte sich sofort unter die warme Dusche. Jennifer zog einen ihrer Jogginganzüge an und beschloss, dass ihr hungriger Magen noch warten musste.
Es war an der Zeit, sich auf das Projekt zu stürzen!
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ꕤ Vergissmeinnicht ꕤ
Teen FictionJennifer möchte ihre Vergangenheit hinter sich lassen, wird aber immer wieder von ihr eingeholt. Auf unerwartete Weise bringt ein Schulprojekt sie wieder auf den richtigen Weg und macht ihr bewusst was sie wirklich braucht, um endlich glücklich zu w...