Es war grausam, den Sportunterricht auf die ersten zwei Stunden zu legen!
Ein wenig sahen ihre Mitschüler wie eine Horde Zombies aus, die langsamen, unkoordinierten Bewegungen und das genervte Gestöhne erinnerten stark an Weltuntergangs Szenarien. Der Gedanke brachte sie schließlich zum Lächeln, nicht mehr lange und keiner von ihnen musste diese Schule wieder betreten. Ihr Ziel war es, wegzukommen und die Welt zu bereisen, dafür musste allerdings erst Geld her. Ihre einzige Begabung waren Sprachen, bis jetzt konnte sie Englisch, Spanisch und Französisch, aber sie arbeitet an Koreanisch und Arabisch. Nicht ganz leicht im Selbststudium. Geduld zählte leider auch nicht zu ihren Stärken. Sie setzte ihre Kappe auf und sah zum Himmel hoch, zumindest regnete es nicht mehr, der Nebel hing noch in der Luft, löste sich aber langsam auf.
„Komm schon!" Laura nahm ihren Arm und zog sie weiter die Bahn entlang. „Wir sollen laufen, nicht herumstehen!" „Deine gute Laune ist nicht auszuhalten!" „Da hat sie recht!", sagte Dennis, der gerade mit genervtem Blick an ihnen vorbei joggte. Er war der Zwillingsbruder ihres Ex-Freundes und sie mieden sich für gewöhnlich seit der Trennung. Laura war um einiges sportlicher als sie, schon bei der kleinsten körperlichen Anstrengung wurde ihr Kopf rot und sie gab auf. Der einzige Sport, den sie betrieb, war Yoga. Jennifer blieb kurz stehen, um sich den Pferdeschwanz neu zu binden, als eine Stimme hinter ihr dröhnte. „Wer rastet, der rostet! Weiter laufen!" Der Satz wurde von einem Klatschen begleitet und war eindeutig an sie gerichtet. Langsam setzten sich ihr Füße in Bewegung, gerade schnell genug, um in Ruhe gelassen zu werden. Ihr wurde kurz schwindelig und sie wusste auch genau warum, erst den Morgen hatte sie sich auf die Waage gestellt. Fünf Kilo hatte sie in den letzten zwei Wochen verloren, wenigstens war jetzt der Babyspeck weg. Der Sportplatz war groß und bietet genügend Platz für die Sportlehrer, um die Schüler zu allen möglichen Aktivitäten zu zwingen. Eine weitere Klasse kam gerade durch die Tür nach draußen, die sie im Blick hatte, lautstark wurde die Aufteilung besprochen, während ein paar von ihnen schon mit dem Fußball spielten. Laura überrundete sie und deutete dabei mit ihrem Finger in die Ferne. „Sieh mal, wer da ist." Matt stand unmotiviert im Tor und richtete sein Schweißband, das er auf dem linken Arm hatte. Das Spiel hatte noch nicht begonnen und er winkte ihnen plötzlich zu, sie taten es ihm beide gleich. „Guck mich nicht so an." Laura legte wieder an Geschwindigkeit zu und ließ sie mit ihren Gedanken alleine. Jennifer quälte sich durch die erste fünfzig Minuten, ihre Lungen brannten und ihr rechter Fuß tat weh. Die alten Turnschuhe waren nicht die beste Wahl, aber Geld für neue Schuhe ausgeben, die dann doch nur im Sportunterricht verwendet wurden, war auch nicht akzeptabel für sie.
Die erste Pause kam und sie setzten sich auf die Treppen, die zu den Zuschauerplätzen führten. „Hi!" Matt setzte sich zu ihnen und streckte die Beine von sich, er sah wie so oft ziemlich müde aus. Etwas verwundert studierte Jennifer sein Gesicht, er kam hier rüber, als ob sie schon seit Jahren befreundet waren. In Wahrheit hatten sie vor dem Projekt keine zwei Worte miteinander gesprochen. Laura lehnte sich auf Jennifers Oberschenkel, um ihn besser sehen zu können. „Fußball ist nicht so dein Sport, was? Du weißt, dass man als Torwart die Bälle aufhalten soll." Matt schnaufte und wischte sich über die Stirn, auf der kleine Schweißflecken glänzten. „Allwissende Laura, danke für die Informationen, was würden wir nur ohne dich tun!" Matt lehnte sich nach vorne und leerte sich Wasser über die Haare. Jennifer hielt ihre Arme schützend vor ihr Gesicht, um nicht nass zu werden und schlug damit unabsichtlich Laura mit dem Ellbogen. „Autsch!" „Ah, tut mir leid. Pass doch auf Matt!" Er lachte und schüttelte seinen Kopf in ihre Richtung. Laura fuhr sich über die Stelle, an der sie getroffen wurde und bückte sich kurz. „Ihr zwei seid das pure Chaos zusammen." Mit den Worten drückte sie Jennifer eine offene Flasche Wasser in die Hand und Matt sprang auf. „No, wait!" Seine Hände beschwichtigend hochhaltend, ging er einen Schritt nach hinten. Jennifer drückte die Flasche fest zusammen und eine gute Portion Wasser landete in seinem Gesicht, sodass er sich prustend mit der Hand übers Gesicht wischte. „Hoppla, das war mehr als ich wollte." Schnell nahm er seine Flasche von der Bank und Jennifer rannte quietschend davon, als sich eine Hand um ihre Taille schlang und sie aufhielt. Kaltes Wasser rann ihren Nacken herab und sie schnappte lachend nach Luft.
Er ließ von ihr ab, als ein Lehrer nach ihm riefen. Matt ging grinsend seines Weges und auch sie gingen wieder zurück. „Nach der Abkühlung ist dir sicher heiß, nicht?" „Ist das die Rache für den blauen Flecken?" Entsetzte griff sich Laura auf die Stelle. „Nein, sag nicht, dass es schon blau wird?" „Ich fürchte schon." „Oh, man!" „Weiter gehts ihr Faulpelze. Ich brauche zwei Gruppen. Dennis und Laura wählen aus." Sie versammelten sich gerade, als plötzlich Tanja neben ihr stand und sich zu ihr lehnte. „Seid ihr zwei etwa zusammen?" „Was? Meinst du Laura?" Ihr war durchaus klar, dass Tanja wegen Matt nachfragte, aber hatte einfach keine Lust auf ihre Spielchen. „MATT, nicht Laura!" „Nein, er hilft mir bei dem Projekt." Sie konnte Tanja nicht ausstehen, eine Klatschtante wie aus dem Buche. Namen wurden aufgerufen und Jennifer hoffte, dass Laura ihren Ehrgeiz vergaß und sie zu sich in die Gruppe rief, Hilfe suchend sah sie zu ihr. „Du weißt, ich bin keine Klatschtante, aber ich will dich nicht ins offene Messer laufen lassen." Mit großer Mühe konnte Jennifer sich ein Kommentar verkneifen. Übertrieben legte Tanja ihre Hand auf ihr Dekolleté und wurde noch leiser. „Du wirst es nicht glauben, aber seine Mutter hat ihn weggeschickt, weil er ein Mädchen geschwängert hat!" „Was!" Durchaus überrascht von der Aussage sah sie auf den Boden, um ihre Gefühle zu verstecken. "Ja, er..." „JENNIFER!" Laura brüllte ihren Namen regelrecht und erleichtert ließ sie Tanja stehen.
Nachdem die Gruppen gebildet waren und sie auf ihren Plätzen standen, warf ihr Laura einen fragenden Blick zu, sie zuckte mit den Schultern und versuchte nicht weiter daran zu denken. Ballspiele waren ihr persönlicher Albtraum, ihre Fähigkeit etwas zu fangen, war irgendwie nicht vorhanden, doch jetzt war sie noch abgelenkter als sonst. Gut, es gab viele Gerüchte, das war ihr nichts Neues, aber trotzdem hatten die oft einen Ursprung. Doch selbst wenn das Gerücht stimmte, kannte wohl niemand die ganze Geschichte. Matt war attraktiv und hatte gute Noten, trotzdem wäre ihr noch nie aufgefallen, dass er flirtete. Weder auf der Party noch in der Schule. Der Ball traf sie mit voller Wucht am Kopf und sie setzte sich etwas benommen an die Seite. "Tagträumen könnt ihr später, konzentriert euch!" Während die anderen auf dem Spielfeld herumhüpften, dachte sie nach. Was war denn jetzt der Plan? Wollte sie sich auf die Schule konzentrieren oder mehr leben? Sich zu ändern, an sich zu arbeiten war nicht einfach, der Weg war einfach zu unklar. Es gab so viel zu tun und sie fühlte sich verloren. Was, wenn es zu viel war, wenn sie genau so endete wie ihre Mutter? Gebunden an ihr Trauma, immer zu alles verdrängend und sich nie weiterentwickelnd. Doch war es nicht schon ein Schritt nach vorne, all diese Probleme zu erkennen? Diese Ratlosigkeit machte ihr zu schaffen, aber fürs Erste blieb ihr nichts anderes übrig, als in ihrem Gefühl der Hilflosigkeit zu sitzen.
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ꕤ Vergissmeinnicht ꕤ
Teen FictionJennifer möchte ihre Vergangenheit hinter sich lassen, wird aber immer wieder von ihr eingeholt. Auf unerwartete Weise bringt ein Schulprojekt sie wieder auf den richtigen Weg und macht ihr bewusst was sie wirklich braucht, um endlich glücklich zu w...