Kapitel 1

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Es war ein verregneter Morgen in der Bakerstreet 221 B, London. Ich saß mit Holmes am Frühstückstisch und blätterte in der Zeitung, während er etwas desinteressiert in einem Buch las. „Hören Sie", sagte ich und hoffte, damit seine Aufmerksamkeit zu erwecken. „Im Globe Theater wird „Othello" aufgeführt. Sollen wir uns das ansehen?" „Othello? Gibt es auch etwas interessanteres?" „Othello ist sehr interessant." „Da bin ich anderer Meinung." Seufzend blätterte ich weiter. Mein Mitbewohner konnte ein echter Sturkopf sein. Dieser hob in diesem Moment den Kopf. „Wenn ich nicht irre, bekommen wir Besuch." Ich ließ die Zeitung sinken, um angestrengt zu lauschen. Tatsächlich vernahm ich Schritte auf der Treppe und nur wenige Sekunden später klopfte es an der Tür. Beschwingt stand Holmes von seinem Stuhl auf. „Kommen Sie doch herein, Inspector!" Ich hatte keine Zeit zum Erfragen, woher er das nun wieder wusste, denn die Tür öffnete sich und Inspector Lestrade trat ein. „Ich sehe, Sie haben einen neuen Fall." „Allerdings, den habe ich. Es handelt sich dabei um-" „Oh, es bedarf keiner Erklärung. Ich bin mir sicher, den Fall bereits zu kennen." Verblüfft erhob ich mich nun ebenfalls von meinem Stuhl. „Na dann, erzählen Sie mal." „Aber gerne doch. Nun, ich denke, es handelt sich um Mord, nicht wahr? Der Tatort ist etwas weiter entfernt von hier. In der Nähe der Themse...Tod im Globe Theater, liege ich da richtig?" „Ja, in jedem Punkt.", bestätigte der Inspector die These. Auch ich war durch die Fähigkeiten meines Freundes wieder aufs Neue erstaunt. „Woher wussten Sie das?" „Seine Jacke." „Seine Jacke?" „Ja, sie ist fast trocken, das bedeutet, er war einige Zeit im Trockenen unterwegs. Er ist vermutlich Auto gefahren. Aber an den Stellen, an denen die Jacke noch nicht trocken ist, kann man erkennen, dass der Regen von vorne kam. Dies geschieht nur bei starkem Wind. In der Stadt also nicht der Fall, eher auf dem Land oder an einem Fluss. Wie kam ich auf Mord? Der Inspector hat noch Gummi-Handschuhe vom Tatort in seiner Tasche, offensichtlich benutzt. Wieso hat er diese noch nicht entsorgt? Weil er es eilig hatte, meine Wenigkeit zu kontaktieren und es in der Hektik vergessen hat. Wäre es etwas Unbedeutendes, wie ein Einbruch, wäre er nicht zu uns gekommen. Also Mord. Außerdem ist der Abriss einer Karte in der Jackentasche nicht zu übersehen. Es ist keine U-Bahn Karte, also ein Theater oder ein Museum. Mord, ein Theater, Fluss. Im Globe Theater findet bald eine Aufführung statt. Ist doch logisch, darauf hätten selbst Sie kommen können.", schlussfolgerte er. „Also ich muss doch sehr bitten!", empörte ich mich. „Sie hatten mit allem Recht, Mr. Holmes.", mischte sich Lestrade wieder ein. „Der Schauspieler des Roderigo, Edward Hill, wurde vor etwa einer Stunde tot im Theater aufgefunden." Sherlock warf sich bereits seinen Mantel über. „Worauf warten Sie denn noch, Watson?" „Aber wir haben noch nicht einmal zu Ende gefrühstückt.", beschwerte ich mich. „Keine Zeit zum zu Ende frühstücken! Das Verbrechen schläft nie!" „Aber es frühstückt...", murmelte ich leise, folgte meinem Freund, mit einem letzten Blick auf Ms. Hudsons Brötchen, aber dann doch.

Wir fuhren mit dem nächsten Taxi zur Themse. Schon von weitem konnte man die Absperrbänder und Blaulichter erkennen. Diskretion war nicht wirklich die Stärke des Scotland Yard. Wir folgten dem Inspector hinein in das riesige Gebäude, dass mich immer wieder staunen ließ. Das Globe Theater wurde erstmals 1599 erbaut und später, im 20.Jahrhundert, rekonstruiert. Besonders berühmt wurde es durch Aufführungen von William Shakespeares Stücken. Das Besondere an dem Theater war der Innenraum- die Bühne lag unter freiem Himmel. Und genau zu dieser Bühne führte uns unser Weg nun. Am Tatort angekommen wurde uns ein etwas ungewöhnliches Bild geboten. Der Schauspieler lag, mit dem Gesicht nach unten, auf dem Boden, er trug das Kostüm des Roderigos, es war keinerlei Blut zu sehen, und auch sonst nichts, dass auf einen Mord hindeutete. Das seltsamste jedoch war eine Puppe, die keinen Meter entfernt neben dem Toten saß. „Der Tatort gehört ihnen, Mr. Holmes. Wir haben selbstverständlich nichts verändert." „Wurde die Todesursache schon festgestellt?" „Ja, es war ein Herzinfarkt." Holmes hielt inne, noch bevor er mit der Untersuchung begonnen hatte. „Wieso haben Sie mich dann kontaktiert? Ein Herzinfarkt ist ein natürlicher Tod, nicht wahr? Oder ist es neuerdings Selbstmord?" „Fein beobachtet.", bemerkte Lestrade, die scharfe Zunge des Detektives ignorierend. „Auf den ersten Blick spricht alles gegen Mord. Aber dieses Ding hier", er deutete auf die Puppe, „ist anderer Meinung." Nun betrachteten wir beide, Holmes und ich, diese genauer. Sie war nicht gerade groß, etwas größer als eine Handpuppe. Ihr Gesicht war schneeweiß, nur die Augen und die Lippen waren schwarz geschminkt. Ihr Kostüm erinnerte mich an das eines Gauklers im Mittelalter, es war auf der linken Seite des Hemdes übersät mit einem Muster aus schwarz-weißen Karos, die rechte Seite war einfach nur weiß. Das fast exakte Bild war auf der Stoffhose zu erkennen, nur waren die Karos nun auf der rechten Seite und die linke war schwarz. Die Mütze der merkwürdigen Gestalt hatte fünf Zipfel, an denen jeweils ein Glöckchen hing, auch sie war schwarz-weiß gemustert. Im Großen und Ganzen machte die Kleidung einen sehr symmetrischen Eindruck und erinnerte mich an die Erscheinung eines Harlekins. Holmes ging näher an den Harlekin heran. In dem Moment, indem er sich beugte, um ihn eben genauer zu betrachten, begann dieser, zu singen:

Seht ihn euch an,

den toten Mann,

er war schlau, benahm sich dumm,

darum brachte ich ihn um.

Sherlock Homes und der singende HarlekinWo Geschichten leben. Entdecke jetzt