Ich fand den Weg zum Büro durch die Hilfe der immer noch schlecht gelaunten Putzfrau. Der Direktor war ein ausgesprochen freundlicher Mann, mit dem Namen Joseph Clark, welcher mich, sobald ich durch die Tür trat, auf eine Drink einlud. Ich lehnte dankend ab, schließlich war ich im Dienste, wenn man das so bezeichnen konnte. Seiner Bitte nachgehend setzte ich mich schließlich auf einen Stuhl vor dem großen Schreibtisch in der Mitte des Raumes. Kaum hatte ich meinen Block gezückt, damit mir auch ja nichts entging, setzte sich auch Mr. Clark und seufzte. „Es tut mir natürlich leid für ihren Verlust", sagte ich. Er winkte ab. „Schon gut. Bringen wir es hinter uns." Auf alle meine folgenden Fragen antwortete der Direktor nur knapp und ich konnte nicht wirklich etwas in Erfahrung bringen. Nachdem ich nichts mehr aus ihm herausbrachte, verabschiedete ich mich und ging in Richtung Tür. Doch ich blieb stehen, als eine Fotografie an der Wand meine Aufmerksamkeit auf sich zog. Darauf war Clark zu sehen, zusammen mit einem anderen Mann. Sie beide standen vor dem Theater. Was mir allerdings am meisten ins Auge stach, war die Harlekin Puppe, die auf dem Arm von Mr. Clark saß. „Sagen Sie...diese Puppe...was hat es mit ihr auf sich?" „Nun, sie war schon immer eine Art Maskottchen." „Ach...ist sie elektronisch oder ähnliches?" „Nein, das ist eine ganz normale Porzellanpuppe." „Und wo befindet sich die Puppe im Augenblick?" „Nun, dort, wo sie sich normalerweise immer befindet...in einer Glasvitrine in der Nähe des Eingangs...soll ich sie Ihnen zeigen?" „Ja, zeigen Sie sie mir." Verwundert über meine Fragen ging er voran nach draußen und ich folgte ihm. Anscheinend hatte keiner der Polizisten es für nötig gehalten, den Direktor über die Rolle der Puppe zu informieren. Wir gingen um die Ecke- und liefen geradewegs in jemanden hinein. Es war Holmes. „Oh, da sind Sie ja, Watson. Und das ist der Direktor des Theaters, nehme ich an. Holmes der Name, Sherlock Holmes." „Inspector Lestrade informierte mich bereits darüber, dass Sie mit ihrem Kollegen, Dr. Watson, mit dem ich mich bereits unterhalten habe, ermitteln werden. Ich wollte dem Doctor gerade zeigen, wo sich das Maskottchen des Theaters befindet." Die Augen meines Freundes begannen fast augenblicklich zu funkeln. „Ach wirklich? Wie interessant. Es würde Sie doch hoffentlich nicht stören, wenn ich Sie begleite." „Aber nein, ganz und gar nicht, folgen Sie mir." Während wir also hinter ihm hergingen, beugte sich Holmes etwas zu mir hinüber und raunte: „Sagen Sie bloß, das Maskottchen ist unser Harlekin." „Sie haben wieder den Nagel auf den Kopf getroffen", murmelte ich. „Ich bin schon gespannt wie eine Folter, was uns gleich erwarten wird." Wir gingen einen langen, dunklen Flur entlang, in welchem es überraschend kalt war. Die Lichter funktionierten nicht und flackerten, sie jagten mir einen kalten Schauer über den Rücken. Es fühlte sich an, als wären wir von der kompletten Außenwelt abgeschnitten worden. Plötzlich vernahm ich einen Schatten in den Augenwinkeln und fuhr erschrocken herum, doch dort war nichts, außer meinem eigenen Schatten. „Wo bleiben Sie denn?" hörte ich meinen Freund rufen, welcher schon um die nächste Ecke verschwunden war. Ich hastete ihm nach, denn ich wollte wirklich gerne darauf verzichten, mich hier noch länger allein aufhalten zu müssen. „Ich dachte, ich hätte etwas gesehen...", entschuldigte ich mich, als ich wieder neben dem Detektiv herging. Dieser sah etwas belustigt drein. „Haben Sie sich wieder vor Ihrem eigenen Schatten erschreckt?" Ich wollte schon empört etwas einwerfen, doch in diesem Moment stieß Mr. Clark einen entsetzten Schrei aus. „Der Harlekin! Er ist fort!" Er stand vor einer gläsernen Vitrine, welche vier Platten enthielt. Auf der ersten Platte, ganz unten, lag eine goldene Krone, auf der zweiten Platte stand ein eingerahmter Zeitungsausschnitt, die dritte war leer, und auf der vierten und letzten ein Pokal. Clark raufte sich die Haare. „Das verstehe ich nicht! Die Krone und der Pokal besitzen einen deutlich höheren Wert. Was sollte jemand mit einer einfachen Porzellanpuppe wollen?" „Ich habe da bereits einen Verdacht..." murmelte Holmes. „Wir sollten schleunigst zurück zum Tatort gehen." Wir eilten durch die dunklen Gänge und fanden uns schließlich hinter der Bühne wieder. Holmes zögerte keine Sekunde und trat nach draußen, ich folgte ihm. Der Tatort schien immer noch unangerührt, doch eine Sache war anders. Der Harlekin war verschwunden.
Holmes stürzte auf Lestrade zu, der in diesem Moment wieder den Hof betrat. „Hat irgendeiner ihrer Beamten die Puppe konfisziert?!" Der DI sah uns verwirrt an. „Ich habe keinen Befehl erteilt. Der Tatort sollte erst dann aufgeräumt werden, wenn Sie das sagen." „Und Sie haben nichts gesehen?" „Ich muss Sie enttäuschen. Ich wurde nach draußen gebeten, ich kann Ihnen nicht mitteilen, was sich in den letzten fünf Minuten hier zugetragen hat." Holmes bewahrte seine Ruhe und drehte sich zu mir und dem Direktor um. „Wegen des Diebstahls sollten Sie sich an den Inspector wenden. Doctor, dürfte ich sie für einen Augenblick unter vier Augen sprechen?" „Aber sicher", sagte ich und wir entfernten uns ein Stück. „Nun" begann mein Freund, „Ich habe mich mit diesem Robinson unterhalten. Er hat ebenfalls ein schwaches Alibi als auch ein Motiv. Wir befinden uns hier ausschließlich unter Verdächtigen." „Sollten wir die Alibis dann nicht noch einmal genaustens überprüfen, um Verdächtige ausschließen zu können?" „Wir sind hier in einem Theater, Watson. Von Robinson selbst stammt die Aussage, dass man mit hochprofessionellen Tricks arbeitet. Was ich damit sagen will..." er dämpfte seine Stimme. „Nichts hier muss so sein, wie es scheint." Auch ich redete etwas leiser. „Verstehe. Der Mörder ist sehr gerissen." „Sie liegen richtig, es gibt einen Mörder und er wird auch wieder zuschlagen. Allerdings kann ich mir auch vorstellen, dass ihm bei Hill der Zufall zu Hilfe kam. Halten Sie Augen und Ohren offen, die Vorstellung hat begonnen."
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Sherlock Homes und der singende Harlekin
FanfictionMord im Theater? Normalerweise nur in Theaterstücken, in denen alles plangemäß verläuft. Doch als einer der Hauptdarsteller tot auf der Bühne im Globe Theater aufgefunden wird, zieht das Scotland Yard den berühmten Detektiv Sherlock Holmes hinzu. De...