Hilfe vom Adonis - 3.1

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𝐃𝐞𝐛𝐛𝐢𝐞

»Hey Schatz, meine Verabredung mit Karla hat sich überraschend verkürzt, weil sie einen Notfall-Anruf erhalten hatte und dann zu einem kurzfristigen Meeting musste. Na ja, schade irgendwie, immerhin war sie nur übers Wochende in Boston und so hätten wir uns endlich wieder sehen können. Tja, dann heißt es wohl wieder Videochaten.« Ich lache halbherzig. »Aber davon lasse ich mir jetzt nicht die Laune verderben. So kann ich wenigstens schneller zu dir! Hach, ich freu mich so. Die letzte Woche, die ich noch ohne dich in Boston war, war wirklich Folter. Aber so bin ich noch aufgeregter auf unser neues Leben in Chester. Hast du schon alles fertig eingerichtet? Oh Mann, ich quatsche dir hier den ganzen Anrufbeantworter voll. Was ich eigentlich sagen wollte, ist, dass ich in ungefähr einer halben Stunde da sein werde. Liebe dich, bis später!«

Ich nehme einen langen Atemzug, um wieder Luft in meine Lungen zu füllen. Meine nervige Angewohnheit ist es, ohne Punkt und Komma - noch dazu ohne Atem zwischen den Sätzen zu holen - vor mich hin zu schnattern. Ich schicke die Nachricht mit einem Lächeln ab und sehe dann wieder auf die Fahrbahn vor mir.

Jim, mein Verlobter - Kreisch! - und ich sind vor ein paar Wochen aus Boston in die Kleinstadt Chester gezogen. Jim ist schon eine Woche früher abgereist als ich, weil ich mich noch mit meiner alten Collegefreundin Karla treffen wollte, die ich kaum außerhalb unserer Laptop Bildschirme zu Gesicht bekomme. Sie lebt in New York und hat einen einspannenden Job und ist deswegen auch nur schwer aus der Stadt zu kriegen. Durch eine Geschäftsreise ist sie übers Wochende in Boston, und daher wollten wir uns treffen, was dann doch schneller geendet hatte, als erhofft.

Aber positiv denken! Mein neues Leben würde in ein paar Kilometern beginnen. In Chester werden wir im alten Haus meiner Großmutter leben, die uns ihr Haus zur Verlobung geschenkt hat, da sie sowieso ausziehen und ins Altersheim umsiedeln wollte. Ich werde morgen die Schlüssel zu meinem neuen Geschäft abholen und dann am Montag offiziell öffnen. Ein Monat vor unserem Umzug war ich schon ein paar Mal nach Chester gefahren, um alles mit dem Laden zu regeln und Grandma mit ihrem Umzug zu helfen. Und nun würde alles perfekt und neu werden.

Mit einem aufgeregten Lächeln umklammere ich das Lenkrad und fahre dem Navi hinterher.

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Ich wühle in meiner großen Handtasche und verfluche mich zum gefühlt hundertsten Mal, dass ich mir immer noch keine kleinere, umgänglichere Tasche besorgt habe. Nach jahrelanger Suche stoße ich einen kleinen Freudenschrei aus, als ich das kühle Metall zu fassen bekomme und schließ die Tür auf.

»Hallo? Schatz?«, frage ich in die Stille des Hauses, als ich die Tür hinter mir schließe. Ich lege die Schlüssel auf der leeren Kommode ab und gehe den Flur entlang. Ich sehe mich im leeren Haus um, das fasst nur mit Kartons, als mit Möbelstücken möbliert ist.

»Jim? Bist du da?«, rufe ich nun etwas lauter, doch noch immer schlägt mir Stille entgegen.

Zu meinem Unmut ist Grandmas Haus gigantisch. Sodass ich nun schön durchs ganze Haus streifen muss, um meinen Verlobten zu finden. Zu aller erst schaue ich im Wohnzimmer nach und sehe, dass sein Handy auf dem bereits fertig aufgebauten Couchtisch liegt. Aus jahrelangem Wissen weiß ich, dass Jim niemals ohne sein Handy weggehen würde. Ich greife danach, prompt blinkt meine Nachricht, die ich ihm während der Fahrt hinterlassen habe, auf dem Display auf. Er muss sie noch nicht abgehört haben.

Nachdem ich die Küche, das Esszimmer und das Gästebadezimmer im Untergeschoss abgeklappert habe, steige ich die Treppe hoch.

Auf einmal höre ich angestrengte Laute von oben und muss fasst lachen. Der Kerl hat einfach keine Puste für das ganze Schleppen und Möbel aufbauen. Mit einem breiten Grinsen trete ich auf die Tür zu unserem Schlafzimmer zu und öffne sie.

Und bleibe wie angewurzelt stehen. Die Worte, die mir über die Lippen kommen wollten, bilden sich zu einem Kloß in meinem Hals und mein Grinsen verblasst.

Die angestrengten Laute kommen wirklich von Jim, aber nicht, weil er Möbel verrückt, sondern weil er mit einer ungesunden Bewegung immer wieder den nackten Arsch vor und zurück stößt und damit eine Frau, die definitiv nicht ich bin, zum Orgasmus bringt.

Der Schock sitzt tief, ich höre, wie mein Magen mit einem lauten Platsch auf dem Laminat aufschlägt. Mir wird schlecht.

Die beiden haben mich noch nicht bemerkt, aber das werden sie gleich. Der Schock und der Schmerz fließen in ungezügelten Zorn um.

Wie konnte er nur?

Wie konnte er mir das antun?

Bilder unsere gemeinsamen Vergangenheit blitzen vor meinem inneren Auge auf und treiben mir Tränen der Wut in die Augen.

Vier Jahre. Vier verdammte Jahre.

Wir sind verlobt, zum Teufel noch mal!

Blind vor lauter Wut greife ich nach dem erst besten, das mir in die Hände fällt - was übrigens ein Kleiderbügel ist - und schleudere ihn mit aller Kraft auf Jims nackte Gestalt.

Mit einem schmerzerfüllten Aufschrei hält er in der Bewegung inne und blickt über die Schulter. Als er mich sieht, erblasst sein Gesicht und seine Augen weiten sich entsetzt. Er löst sich von seiner derzeitigen Gespielen und wirbelt zu mir herum. Ich verziehe bei seinem Anblick angeekelt das Gesicht.

»D-debbie. Ich ... du ... warum bist du schon hier? Du und Karla wolltet den Tag doch heute miteinander verbringen.«, stammelt er und sieht nervös in alle Richtungen.

Ich lache bitter auf und muss mich davon abhalten, nach einem weiteren Kleiderbügel zu greifen und ihn genau auf seine Kronjuwelen zu schleudern.

Mein Verlobter will gerade wieder ansetzen zu sprechen, als der Kopf der Frau hinter ihm kurz hervor lugt. Genau in diesem Augenblick werde ich zur Furie.

»Maddie?!«, keife ich fassungslos.

Jim erstarrt und stellt sich schützend vor sein kleines Geheimnis. Meine neue Aushilfe im Laden kommt hinter Jim hervor, die Decke um ihren nackten Körper geschlungen, und lächelt mich peinlich berührt an.

»Hey Debbie. Ich, also ... wir können das erklären.«, versucht sie sich rauszureden. Am liebsten hätte ich ihr ihre goldblonden Locken vom Kopf gerissen.

»Wie lange?«, stoße ich hervor. Meine Muskeln sind zum zerreißen gespannt, mein lodernder Blick liegt auf meinem betrügerischen Verlobten.

Wenn es überhaupt möglich ist, wird er noch blasser. Er fängt an zu stottern und zappelt herum. Da wird mir klar, dass er die Woche, in der er alleine in Chester war, doch nicht ganz alleine verbracht hat.

Das bringt das Fass in mir endgültig zum überlaufen, und aus einer Kurzschlussreaktion öffne ich das Fenster, sammle alle herumliegenden Klamotten der beiden auf und werfe sie mit voller Freude aus dem Fenster. Die Blicke der beiden sind die Genugtuung wert. Allerdings kehrt die brennende Wut augenblicklich zurück.

»Was zum Teufel stimmt nicht mit dir?«, kreischt Maddie und sieht erschrocken ihren Klamotten nach.

»Debbie, bist du irre?«, ruft nun auch Jim fassungslos.

Ich beiße die Zähne zusammen, vor Zorn sehe ich die beiden nur noch als verschwommene Gestalten vor mir. Ich greife nach dem nächst besten Gegenstand in einem weiteren geöffneten Karton und habe im nächsten Moment eine Pfanne in der Hand. Um mich zu fragen, wie diese in die Kiste fürs Schlafzimmer gelangt ist, bin ich zu wütend.

Normalerweise bin ich kein gewalttätiger Mensch. Doch jetzt gerade ärgere ich mich über den Verrat von zwei Menschen, die mir beide vertraut sind.

Und hebe die Bratpfanne.

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⏰ Letzte Aktualisierung: Sep 06, 2022 ⏰

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