☂ ᶤʳᵍᵉᶰᵈʷᵒʰᵉʳ ᵏᵒᵐᵐᵗ ᵐᶤʳ ᵈᵃˢ ᵇᵉᵏᵃᶰᶰᵗ ᵛᵒʳ

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☂ jungkook

Bereits um acht Uhr morgens war ich zum gemeinsamen Frühstücken wach. Es war nicht so, als hätte ich es mir ausgesucht, wann ich aufwachen möchte. Es war mehr die Pflicht, um meine Tagesstruktur hier in der Klinik aufrecht zu erhalten. Täglich wurde mir mitgeteilt, wie wichtig es eigentlich für mich war, eine Tagesstruktur zu haben. Dementsprechend wehrte ich mich auch nicht dagegen. Als hätte ich auch irgendeine Wahl...

Ruhig saß ich am Tisch mit zwei anderen Pflegerinnen, die hier ein soziales Jahr absolvierten und mich mit ihren neugierigen Blicken fast schon auffraßen. Schön und gut, wenn sie diesen Berufsweg leidenschaftlich anstrebten, dennoch war dies kein Grund, mich ,,unauffällig" anzustarren, als sei ich eine Schaufensterpuppe.

Gerne saß ich immer alleine beim Frühstück oder auch beim Mittag - und Abendessen. Auch bei den Freizeitaktivitäten saß ich immer alleine. Dies war, weil ich es eben so haben wollte. Niemand hatte ein Problem damit gehabt, wofür ich auch ziemlich dankbar war. Obwohl ich zugeben musste, dass meine Psychologen schon ein kleines Problem damit hatten, aber dies interessierte mich weniger.

Langsam zerkaute ich das Brot zwischen meinem Kiefer, welches sich von der Panikattacke vor einer Woche immernoch ziemlich verletzt anfühlte. Die Fixierung daraufhin war ebenso nicht gerade ohne Verletzung beiderseits ausgegangen. Somit griff ich nach meinem Wasser, um das trockene Zeug einfach runter schlucken zu können und stand wie so oft bereits nach 10 Minuten des Frühstücks auf, um mein Geschirr wegzustellen und auf mein Zimmer zu gehen.

Stumm ging ich die zur Tageszeit lebendigeren Flure entlang, derweil ich meinen Infusionsständer, an dem ich gefühlt die Hälfte des Tages dran hing, hinter mir her zog. Das leichte Quietschen der vier Räder ging mir auch nach Jahren nicht auf die Nerven. Wahrscheinlich weil es so still auf der Traumastation war, dass mir jedes Geräusch lieb gewesen wäre als die tote Stille, die hier alltäglich herrschte.

Langsam öffnete ich die Zimmertür von mir, die sich ganz hinten der Station befand und schloss diese hinter mir. Ich hatte ein Einzelzimmer gehabt, welches in einem freundlichen, hellen Orangeton gestrichen war. An der Wand hingen Poster von Philosophen oder kleine Gedichte von mir, die ich seit kleinauf gerne verfasste. Familienfotos hatte ich keine, da ich ein Einzelkind war und meine Eltern einer der zahlreichen Gründen waren, weshalb ich in der Psychiatrie saß.
Resultierend konnte man sagen, dass ich familienlos beziehungsweise Waise war.

Da ich aber nie wirklich in den Genuss einer Familie kam, vermisste ich dies auch nicht. Ich war im wahrsten Sinne des Wortes dafür geboren, alleine auf diese Welt zu überleben und wieder zu gehen. Wobei ich hoffte, daß Letzteres nicht all zu lange noch dauern würde.

Ich setzte mich achtsam auf mein Bett hin, schnappte mir das Buch ,,Das Mythos des Sysiphos" und öffnete dies ruhig. Davor hatte ich noch das kleine Fenster geöffnet, um die frische Luft in meinem großen Zimmer willkommen heißen zu dürfen.

Direkt fiel mir das Lesezeichen auf, welches ich vor kurzem geschenkt bekommen hatte. Von dem Jungen Mann, der mich besuchen kam. Es war wirklich unfassbar schön. Das Lesezeichen hatte eines der besten Zitaten von Nietzsche eingraviert gehabt und roch ganz leicht noch nach dem warmen, glatt geschliffenen Holzspänen.

Ich konnte mich erinnern, wie ich an dem Abend das Geschenk öffnete und eine Weile brauchte, um darauf klar zu kommen. Er hatte damit wirklich die Faust auf das Auge getroffen! Es war ebenso sehr sorgfältig und ordentlich verpackt. Drinne steckte ein kleiner Brief von ihm, den ich mir täglich durchlas. Schließlich war es das erste Geschenk nach Jahren, was ich bekam. Umso achtsamer ging ich damit um.

Hey namenloser Freund,

ich weiß nicht, wie du den Weg in meine Bücherei gefunden hast, aber es war der Moment, wo du am Regal standest und ich dich sofort wieder erkannte. :)

Wie geht es dir? Bis heute bin ich immernoch ziemlich dankbar für deinen Besuch bei mir, auch wenn du bestimmt nur friedlich deine Bücher lesen wolltest. Verzeih mir, falls ich dich arg überrumpelt habe. :'D

Wenn du diesen Brief liest, habe ich dich bereits in der Klinik besucht oder es wenigstens versucht. Ich hoffe, du verstehst, dass ich keinerlei böse Absichten mit meinen Annäherungsversuchen habe. Sondern ich dich einfach unfassbar interessant finde und an erster Stelle meinen Dank für die Nacht, wo du für mich da warst, aussprechen wollte.

Siehe dieses kleine Geschenk als doppelten Dank. Ich mag Geschenke machen, daran finde ich immer eine riesige Freude, weißt du? :)
Vielleicht wirst du mir eines Tages auch von deinen Freuden und Interessen erzählen...

Bis dahin denke ich an dich!

- Dein komischer Buchhändler des Vertrauens von nebenan :D

Selbst nach mehreren Malen des Durchlesens musste ich bei seiner Beschreibung von sich selbst etwas lachen. Sein Brief war mir richtig sympathisch. Wofür ich umso dankbarer war, war der Fakt, dass er keinerlei Druck auf mich ausübte. Dies ließ mich etwas Aufatmen und entspannen.

Doch ehe ich mich versah, legte ich den Brief zur Seite und las mein Buch vertieft bis zur nächsten Therapiestunde am heutigen Nachmittag. Bis ich friedlich einschlief und seit langem etwas an seelischer Ruhe abbekam.

ᵖˢʸᶜʰᶤᵃᵗʳᶤᶜ ᵐᵉᵐᵒʳᶤᵉˢ ; ᵗᵃᵉᵏᵒᵒᵏWo Geschichten leben. Entdecke jetzt