☂ ˡᵃˢˢ ˡᵒˢ ᵘᶰᵈ ˢᵉᶤ ᶠʳᵉᶤ

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☂ erzählerin

Ohne noch etwas zu erwidern, drehte sich Jungkook um und spazierte den kleinen Pfad zum Teich der Klinik entlang, wo er sich stumm ans Wasser setzte und vertieft in dieses hinein blickte. Er brauchte einen Moment, um sich von den ganzen aufregenden und neuen Gefühlen zu erholen, die ihn plötzlich überkamen. Eines musste er sich gerade gestehen.

Die Anwesenheit des Älteren tat ihm wirklich gut.

Sie lehrte ihm neue Gefühle, neue Situationen und neue Gedanken, die er zu seinem Gunsten nutzen konnte. Als sich dieser nun neben ihm auf den Boden setzte, schaute dieser ebenso erstmal konzentriert auf das klare Wasser, welches durch den kleinen Herbstwind leichte Wellen schlug.

,,Mit 18 Jahren hatte ich meinen Abschluss gemacht und ein Jahr später die Bücherei von meiner Mutter übernommen. Die psychischen Erkrankungen zerrissen sie über die Jahre immer weiter.... Und der Job schien passend zu sein, denn ich lese wirklich sehr viel und sehr gerne. Auf das Lesen kam ich durch meinen Vater, der mit uns immer auf Segelfahrten gegangen war. Im Sommer, am Abend. Wir hatten uns zu dritt ein Buch jeweils geschnappt und auf dem Segelboot oft gelesen.",fing Taehyung ruhig an zu erzählen und gab damit einen wertvollen Teil seiner Kindheit und Identität von sich.

,,Je älter ich wurde, ließ ich das Lesen aber auch."

,,Wieso?",entkam es dem Jüngeren sofort, der ihm aufmerksam zu hörte und vorallem auf die kleinen Feinheiten Taehyungs Stimme achtete. Wie seine Stimme einen tieferen Ton annahm, wenn er bestimmte Silben aussprach. Wie er manchmal Pausen zwischen seinen Worten legte, um den nächsten Satz richtig bilden zu können.

,,Mein Vater starb, als ich 12 war. Somit blieb mir weder Zeit noch die Lust zum Lesen, da ich dies mit Erinnerungen meines Vaters verband. Aber als ich anschließend in die Mittelstufe kam, hatte ich diesen einen Jungen in meiner Klasse, von dem ich dir mal erzählte."

,,Der Junge, der dir diese Gedichte geschrieben hatte?",fragte Jungkook leise nach und saß im Schneidersitz ruhig neben Taehyung. Immer wieder pulte er an der trockenen Haut seiner Fingerspitzen und versank in seinen Gedanken an das Gespräch.

Taehyung nickte. Die Erinnerungen an dem Jungen erschienen ihm plötzlich wieder so klar vor das Auge.

,,Er war bereits im sehr jungen Alter unfassbar intelligent und stach dadurch heraus. Aufgrundessen und vielen anderen unnötiger Gründen wurde er nicht gemocht. Nachdem ich dieses Büchlein von ihm bekommen habe, fing ich wieder an mit dem Lesen. Dafür bin ich ihm dankbar. Selbst wenn ich bis heute nicht verstehe, was er an mir sah.",gab Taehyung schmunzelnd von sich und lehnte sich mit den Armen etwas zurück. Dabei schüttelte er sich seine Haarsträhnen so gut wie es ging von der Stirn und schloss die Augen für eine Weile.

,,Damals war ich ziemlich arrogant und frech, was wahrscheinlich einfach nur ein Schutzmechanismus war, um mit den harten Ereignissen meines Lebens klarzukommen. Ich ging mit meinen MitschülerInnen asozial und erniedrigend um. Tat so, als sei ich was Besseres. Ich bereue es so sehr, so vielen jungen Seelen das Leben schwer gemacht zu haben."

,,Sei nicht so hart zu dir selbst.",grätschte Jungkook sofort ein, ohne seine ruhige Stimmenlage zu ändern.
,,Wie du selber sagst, war dies nur ein Schutzmechanismus. Das Rebellieren in deinem Verhalten schien der einzige Ausweg für dich damals gewesen zu sein, mit deinen Gefühlen umgehen zu können. Heute bist du anders drauf, erwachsener und kannst dem kleinen Jungen von damals sorgsam auf die Schulter klopfen. Ihm sagen, dass du stolz darauf bist, wie dieser sich bis zum heutigen Tag entwickelt hat."

Ziemlich überrascht von den einfühlsamen Worten des Jüngeren, öffnete Taehyung seine Augen wieder und blickte diesen etwas überrascht an. Seine Worte trafen einen weichen Punkt in ihm, weshalb er sich auf die Lippe biss, um keine Träne zu verlieren. Somit ließ er seinen Kopf nach vorne hängen und seufzte leise auf.

,,Dafür, dass du so eine schwere Kindheit und Jugend hattest, hast du dich offensichtlich wunderbar entwickelt. Mit 20 eine eigene Bücherei zu besitzen, ist beeindruckend.",fügte Jungkook leise hinzu, als er seitlich zu Taehyung hinschaute und sah, wie dieser etwas in seiner Körperhaltung zusammen geklappt war. Dies ließ den Jüngeren leicht auflächeln, denn er verstand schnell, wie dieser sich wohl gerade fühlen musste.

Er empfand Empathie ihm gegenüber.

,,Danke dir. Ich habe mich auch stark verändert. Ich lebe heutzutage alleine, gehe meiner Arbeit nach und besuche meine Mutter oft. Als Person würde ich mich zwar selbstbewusst und offen, aber dennoch ziemlich introvertiert beschreiben." Mit den Worten endete Taehyung seine Erzählungen von sich selber und hob seinen Blick, als er den von Jungkook auf sich liegen spürte.

Dessen Hand wanderte aufeinmal auf seine breite Schulter, als er zärtlich sagte:,,Ich bin stolz auf dich. Für jeden Tag, den du bis heute alleine durchgekämpft und gelebt hast."

Wieder vollkommen außer Konzept gebracht durch Jungkook's so geduldige und warmherzige Art und Weise, schaute Taehyung ihn verloren bei seinen Worten und der Geste an, woraufhin sich seine Mundwinkel zu einem strahlenden Lächeln formten und er vorsichtig nach seiner Hand griff. Er nahm Jungkooks Hand und platzierte ihr Handpaar zwischen ihnen, ohne den Blick von dem verlegenen Jungen zu nehmen.

,,Jetzt bist du dran. Erzähle mir von dir. Wer bist du? Was ist deine Geschichte?"

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Ich wünsche euch schonmal einen guten Rutsch ins neue Jahr! :)
Wie hast du 2022 erlebt?

-Eleja ^^

ᵖˢʸᶜʰᶤᵃᵗʳᶤᶜ ᵐᵉᵐᵒʳᶤᵉˢ ; ᵗᵃᵉᵏᵒᵒᵏWo Geschichten leben. Entdecke jetzt