Blut

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(TW: Selbstmord)

Voller Wut ging ich auf Paula zu und schlug ihr mit der flachen Hand ins Gesicht.

Dominik drehte sich um und ging wortlos in sein Zimmer und knallte dabei die Tür zu.

Paula schlug sich auf den Mund, während sie mich geschockt anstarrte. Es war zum ersten Mal, dass ich eines meiner Kinder geschlagen hatte und das schockierte mich. Wie konnte ich nur? 

Vielleicht bin ich wirklich eine schlechte Mutter?

Wahrscheinlich hatte Paula recht.

Dann lief ich in mein Zimmer, schloss die Tür und lehnte mich mit dem Gesicht gegen die Wand. Tränen liefen in Strömen über mein Gesicht.

Langsam rutschte ich an der Wand entlang auf den Boden runter. Zitternd und in Gedanken versunken griff ich mir mit der verletzten Hand auf den linken Unterarm und verschmierte dabei das Blut. Lange starrte ich meinen blutverschmierten Unterarm an und betrachtete meine senkrecht verlaufende Narbe.

Ich dachte immer, ich mache alles besser als meine Eltern, aber scheinbar war ich nicht viel besser. 

Im Moment ist einfach alles scheiße! Warum?

Nach ein paar tiefen Atemzügen, fiel mir ein, dass ich vielleicht einmal meine Wunde verbinden sollte. In der Küche legte ich mir das Verbandszeug zurecht. Nun betrachtete ich die Wunde genauer. Sie verlief über die ganze Hand und blutete immer noch stark. Sie war wohl tiefer, als ich angenommen hatte.

Bei dem vielen Blut kamen Erinnerungen hoch, die ich irgendwo ganz hinten in meinen Kopf versteckt hatte.

Meine Hand wanderte wieder zu der Narbe auf meinen Oberarm. 

Ich war wieder 15 Jahre alt…

.. mein Leben war sinnlos…

…meine Eltern waren scheiße…

…Schule scheiße…

…alles scheiße…

Ich saß in der Badewanne und betrachtete meine Arme, sie waren übersät mit Schnitten, die ziemlich oberflächlich waren. Bis jetzt hatte der Rasierer gereicht, um mich ein bisschen lebendiger zu fühlen. 

Aber wozu hat das ganze noch einen Sinn? Lebendiger fühlen ist nicht mehr notwendig.

Schon lange hatte ich mich mit den Gedanken befasst. Eigentlich wollte ich vor einen Zug springen, aber was konnte der Zugführer dafür?

Ich hoffe, jemand von meinen Eltern findet mich. Sie sollen dafür büßen, dass sie keine Ahnung haben, wie es mir geht.

In meiner rechten Hand hatte ich eine Rasierklinge, die ich senkrecht an meinen linken Oberarm hielt. Kurz zögerte ich, aber dann schnitt ich zu. 

Es tut weh. Es tut mehr weh als erwartet.

Mein Arm sank ins Wasser und das Wasser färbte sich rot.

Mir wurde schwindelig und ich war so müde, endlich kann ich in Ruhe schlafen.

Da sperrte jemand von außen die Badezimmertüre auf.

Ich konnte nicht genau sehen, wer es war, denn meine Augen waren so schwer.

Ein gellender Schrei sagte mir aber, dass es meine Schwester Manu war.

Sie schrie und schrie! Blieb dabei aber in der Türe stehen. Da wurde sie von einem jungen Mann auf die Seite gestoßen.

Der Mann beugte sich zu mir runter. Ich spürte, wie er meinen Arm nahm und auf die Wunde drückte. 

Es tat gar nicht mehr weh.

Er schrie: "Michael! Ruf die Rettung!"

Alles wurde schwarz….

Scheinbar hatte ich tausend Schutzengel gehabt. Der junge Mann war ein Klassenkamerad meines Bruders. Der nur da war, um ihm bei der Planung der Maturareise zu helfen.

Fast ein Jahr später werde ich diesen Mann wieder treffen. Dieser Onenightstand würde mein ganzes Leben verändern. 

Aber das ist eine andere Geschichte.

Ich war komplett abgeschweift und versuchte noch immer, meine Hand zu verbinden.

Dominik stand plötzlich neben mir und packte meinen Arm.

Ohne ein Wort zu sagen, nahm er den Verband und machte mir einen ziemlich guten Druckverband. 

Ich war beeindruckt.

"Danke", flüsterte ich.

Ich habe so Angst. Was ist wenn er genau so dumm ist wie ich?

"Bitte, versprich mir, dass du so etwas nie wieder machst", sagte ich. 

Er reagierte nicht! 

Meine Beine gaben nach und ich saß flehend vor ihm.

Ich fing zu heulen an und flehte: 

"Bitte, bitte, bitte."

Geschockt sah er zu mir runter, als ich mich an seinem Pullover festklammerte. Vorsichtig löste er meine Umklammerung und ging zurück in sein Zimmer. Ich torkelte ins Wohnzimmer, denn mir war leicht schwindlig. Langsam wischte ich das Blut vom Boden auf.

Es kam mir so vor, als wäre das alles nur ein Albtraum. Als ich das Blut weggewischt hatte, starrte ich zuerst zu Dominiks Zimmer und dann zu Paulas.

Was soll ich nur tun?

Als ich die Tür zu meinem Zimmer schloss, sah ich hier auch ziemlich viel Blut an der Tür. Gerade wollte ich etwas holen, um das Blut wegzuwischen, als mein Handy läutete.

Soobin rief mich per Videoanruf an. Hm, dass er um diese Uhrzeit anrief, war komisch, denn bei ihm war es jetzt drei Uhr in der Früh.

Nicht Doch!Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt