1. Roman - Unerwartet

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Ja, ich weiß, Finns Geschichte ist noch nicht abgeschlossen... Aber, die Geschichte von Roman beginnt genau jetzt...

Ich weiß auch, dass die wenigsten Roman leiden können... Er ist der typische Antiheld, der Arsch, der Chris verletzt und betrogen hatte und doch hat es mich so sehr gereizt diese Geschichte zu schreiben. Sie ist meine Liebste von den Vieren und in meinen Augen auch die beste...

Aber lies am besten selbst... Lass dich auf sie ein und lass dich mitnehmen auf Romans Reise... In die Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft...

PS: Dieser Teil hat keine Berührungspunkte zu den anderen 3 Teilen, außer das Roman der Ex von Chris ist. Somit kann man ihn auch ohne die anderen zu kennen, lesen ohne sich zu spoilern.

***

Ich war ein Arsch. Ein Riesenarsch! Was denn auch sonst? Wie war ich überhaupt auf diese beschissene Idee gekommen, dort bei ihm aufzutauchen? Oder was zum Teufel hatte mich geritten, dass ich mir tatsächlich ausgemalt hatte, er würde auf mich warten? Ja, überhaupt mit mir reden? Vor allem, nachdem ich so hirnrissig gewesen war, mich zweimal von ihm beim Fremdgehen erwischen zu lassen?

Klirrend krachte das leere Whiskey Glas auf den dunklen, teilweise mit kleinen Kratzern übersäten Tresen. Nur ein kleiner, letzter Eiswürfel kullerte darin und wartete auf sein baldiges Ende. Was ich mehr sah, als das ich es hörte, denn selbst an der Bar war die Musik in diesem Club noch ziemlich laut.

Heaven - so hieß der Club, in dem ich nun seit einer gefühlten Ewigkeit ein Glas nach dem anderen kippte. Widerwillig musste ich schmunzeln. Für mich war er an diesem Abend die Hölle. Die, die mich mit ihrer lauten Musik, der Dunkelheit und dem Alkohol schluckte. Die keine Fragen stellte und mich einfach nur ertrug.

„Einmal vollmachen!", befahl ich barsch und ungeduldig dem Burschen an der Bar, immerhin gehörte Geduld in dieser Nacht nicht zu meinen Tugenden.

Jung, blond, athletisch und gutaussehend war er. Ein kleiner Twink und eigentlich genau mein Beuteschema. Eigentlich! Doch heute widerte er mich an. Nein, falsch! Nicht er widerte mich an, sondern ich mich selbst.

Jahrelang hatte ich Chris, meinem nun endgültigen Ex, betrogen. Bei jeder sich mir bietenden Gelegenheit. Und wofür? Ich wusste es wirklich nicht! Vielleicht, weil ich ihn nicht wirklich liebte? Nie geliebt hatte? Oder vielleicht auch einfach nur, weil ich es konnte.

Anfangs hatte es noch Spaß gemacht. Diese Heimlichtuerei, dieses Abenteuer, all diese zum Teil hübschen, jungen Kerle. Aber das hielt nicht wirklich lange. Der Reiz dessen war nach und nach verflogen. Was hingegen blieb, war der fade Nachgeschmack. Die Leere in meinem Inneren, die immer größer wurde. Irgendwann waren selbst die Kerle, die einer nach dem anderen folgten, uninteressant geworden. Langweilig. Reizlos. Lösten kein Gefühl in mir aus. Als wäre ich innerlich tot.  

Wie durch Zauberhand füllte sich das Glas vor mir mit dunkler Flüssigkeit und ich kippte den Inhalt auf ex hinunter. Fühlte das Brennen und genoss es in vollen Zügen.

Chris hatte sie nicht füllen können, diese Einsamkeit, dieses schwarze Loch in mir, das immer größer wurde, das alles in sich hineinsog und schluckte. Hatte er nie gekonnt. Aber auch kein anderer dieser jungen, hübschen Kerle, die sich einer nach dem anderen aneinanderreihten und sich sonst was versprachen, wenn sie sich von mir abschleppen ließen.

Wieso rannte ich ihm dann nach? Was hatte ich mir erhofft? Vergebung? Lächerlich! Aber was sonst hätte er tun sollen? Ich wusste doch, dass er mir nicht helfen konnte.

Ganz am Anfang vielleicht, da hatte ich noch Hoffnung gehabt, er könnte etwas Besonderes sein, aus der Masse herausstechen. Ein paar wenige Wochen, in denen alles anders gewesen war, in denen ich geglaubt hatte, tatsächlich verliebt zu sein, und doch nur mit der gleichbleibenden Leere entlohnt wurde. Ich hätte gleich Schluss machen und gehen sollen, statt nächtelang durch die Bars zu ziehen und einen Kerl nach dem anderen zu ficken. Jetzt bekam ich die Retourkutsche, was mir wohl nur recht geschah.

Wieder sah ich ihn dort in dem Flur dieses einfachen Hotels, in dem er seit unserer Trennung untergekommen war. Sah ihn zusammen mit diesem Kerl. Hörte, wie sie miteinander sprachen, miteinander umgingen.

Es hatte mich ernüchtert. Regelrecht mit einem kalten Schwall Wasser übergossen. Doch nicht, weil ich eifersüchtig gewesen war. Oder doch, eigentlich schon. Aber nicht wie erwartet, oder befürchtet, wegen Chris, sondern auf das, was die beiden verband. Dass, was sie sich scheinbar in so kurzer Zeit hatten aufbauen können. Diese Nähe, dieses Vertrauen. Erneut stellten sich mir die Härchen auf. Das war enttäuschend und genau das, nach dem ich mich sehnte. Aber was blieb mir? Nur kalte Leere!

„Noch einen!", zischte ich meinem Alkohollieferanten zu und schubste das Glas über den Tresen. Grade so fing er es auf und brummte dabei etwas Unverständliches in seinen nicht vorhandenen Bart. Aber auch das war mir egal. Ich musste mir über etwas klar werden, denn selbst der Alkohol vermochte mein Inneres nicht aufzuwärmen. Immer noch nur Kälte und Leere. Langsam schnürte es mir die Kehle zu.

Wie war es eigentlich soweit gekommen? Wo genau war der Ursprung, der Auslöser für mein Verhalten? Versuchte ich in mich zu gehen und zurückzudenken. Und wann genau hatte ich mich dabei selbst verloren?

Früher war ich doch auch nicht so gewesen. Hatte solche Kerle, zu denen ich nun selbst zählte, sogar bis aufs Blut verabscheut und jetzt, nun ja, jetzt war ich selbst einer von ihnen.

Ich wurde tatsächlich genauso wie er, schoss es mir plötzlich durch den Kopf und ließ mich überrascht innehalten. Bitter kroch das Lachen meine Kehle hinauf und ich erschauderte. Er ... An den ich seit Jahren versuchte nicht mehr zu denken, ihn zu verdrängen, einzusperren im hintersten Eck meines Verstandes.

Ein fieser Stich, der dafür sorgte, dass sich meine Eingeweide zusammenzogen. Wie lächerlich. Nach all den Jahren tat es immer noch weh. Nach all der Zeit hatte er tatsächlich immer noch die Macht, mir wehzutun und das, obwohl er gar nicht hier war.

Ein volles Glas schlitterte über den Tisch, riss mich aus meinen düsteren Gedanken und holte mich zurück ins Hier und Jetzt. Doch bevor ich nach meinem Drink greifen konnte, erschien eine Hand in meinem Sichtfeld und lange, knochige Finger kamen mir zuvor.

Überrascht und verärgert zugleich über diese Dreistigkeit, riss ich meinen Kopf in die Höhe, um dem Kerl, der mich meines Whiskeys berauben wollte, den Kopf abzureißen. Doch statt der Schimpftirade, die ich dem Unbekannten an den Kopf werfen wollte, blieben mir die Worte regelrecht im Hals stecken.

Diese blitzenden, grünen Augen, dieses schief sitzende Lächeln in diesem mir nur allzu bekannten Gesicht, ließ mich völlig erstarren. Das hier konnte nicht sein ... Mein Herzschlag setzte aus und Gänsehaut überzog auf eine unangenehme Weise meinen ganzen Körper. Am liebsten hätte ich mich geschüttelt.

Er hingegen setzte völlig ruhig mein Glas an seine Lippen und trank es in einem Zug leer. Sein Adamsapfel hüpfte bei jedem Schluck und ließ meine Kehle trocken werden. Herr Gott nochmal ... Mein Hirn war wie leergefegt. Ich musste träumen ...

„Wie viele von denen hatte ich bereits?", fragte ich den Burschen hinter der Theke beiläufig, konnte nicht den Blick von dem Mann neben mir abwenden. Aber das, was ich hier sah, konnte einfach nicht sein. Konnte nie und nimmer der Realität entsprechen.

„Sieben ...", ertönte es im Chor. Sowohl der Barkeeper, als auch der Mann neben mir hatten gesprochen. Rau und dunkel, war seine Stimme. Viel dunkler, als ihn meiner Erinnerung, was nicht gerade dazu beitrug, die Situation zu begreifen.

„Hallo, Roman!", säuselte er lächelnd und erneut rieselte eine Gänsehaut meinen Rücken hinab. Scheinbar mit seinem Auftritt zufrieden, setzte er das Glas ab und bat den Kerl hinter der Bar um zwei Neue, bevor ich erneut in seinen Fokus geriet. Wie die Fliege ins Spinnennetz. Gefangen, zappelnd und um ihr Leben bangend.

„Lange nicht mehr gesehen, Kleiner ..."

Mr. Unvollkommen (Mr. 4)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt