Kapitel 9. Vertrauensprobleme

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Als Nachtstern wieder aufwachte, lag sie alleine im Sand.
Valka war auf Jagd gegangen, um für das Abendessen zu sorgen.
Schattensturm hatte sich zu seiner Artgenossin gelegt und war ebenfalls eingeschlafen.
Diese stand leise auf und ging auf die Suche nach ihrer Menschenfreundin.
Sie fand sie in der Nähe einer kleinen Lichtung, wo sie mit einem selbst gebastelten Speer auf ein paar Wildschweine lauerte.
"Hallo Nachtstern!", flüsterte sie, "Willst du mir helfen?"
"Gerne!", sagte die Drachin leise, "Was soll ich tun?"
"Was du für sinnvoll hälst!", sagte die Frau.
Die Echse pirschte sich leise an und sprang auf die Schweine zu.
Mit einem einfachen Biss in den Nacken lähmte sie eines und erlegte es mit einem weiteren in den Hals.
Sobald es aufgehört hatte, zu atmen, zog sie es zum Lager.
"Daran könnte ich mich gewöhnen!", sagte die Wikingerin.
"Wenn ich dafür ein Stück abbekomme!", sagte der Drache.
"Natürlich!", sagte die Erwachsene, "Es dauert aber noch ein wenig!"
"Ich kann warten!", sagte der Nachtschatten.
Sie verwandelte sich in ihre Menschengestalt, doch ihre Flügel sowie der Schweif blieben sichtbar.
"Du kannst dich also auch zur Hälfte verwandeln!", bemerkte die Reiterin, "Schön!"
"Es ist ganz praktisch, wenn ich die Schwanzflossen putze!", sagte die graue Drachin, "Oder wenn ich einfach mal auf dem Rücken liegen will!"
Sie legte sich hin und schloss die Augen.
"Wie kommt es eigentlich, dass du so anders aussiehst, als Ohnezahn?", fragte Valka, "Du hast viel spitzere Zähne und Krallen und überhaupt eine andere Körperform!"
"Meine Eltern haben gesagt, ich wäre ein Skrill-Mischling!", sagte Nachtstern, "Ich glaube aber eher, ich bin einfach so! Vielleicht liegt es ja auch daran, dass ich diesen Stein verschluckt habe! Sie meisten Zacken sind erst danach gekommen! Und warum meine Schuppen heller sind, weiß ich nicht!"
"Du bist trotzdem wunderschön!", sagte die Frau, "Eben etwas besonderes! Und vielleicht hat es ja auch Vorteile!"
"Ja, vielleicht!", sagte der Drache und lächelte.
In diesem Moment kam Schattensturm zu ihnen und legte sich wieder neben ihr hin.
"Hallo Schmusedrache!", sagte das Mädchen frech, "Na, gut geschlafen?"
"Du bist einfach abgehauen!", brummte der Junge, "Und nenn mich nicht so!"
"Ihr zwei habt euch wohl sehr gerne!", sagte Valka, "Möglicherweise werden ja aus zwei bald drei, was meint ihr?"
"Misch' dich nicht in unsere Angelegenheiten ein!", knurrte Nachtstern, "Was wir aus unserem Leben machen, ist immernoch unsere Entscheidung!"
"Ist ja gut!", sagte die Frau, "Ich möchte nur, dass ihr glücklich seid!"
Dann drehte sie sich weg und ging ihrer Arbeit nach.

Einige Zeit später aßen sie zu Abend.
Die Drachin weigerte sich jedoch, den anderen Reitern das Essen zu bringen.
"Ich gehe dort nicht nochmal hin!", sagte sie.
"Aber sie wollen dir doch nichts tun!", sagte die Wikingerin, "Das war ein Missverständnis!"
"Mir egal, ich werde nie wieder in ihre Nähe kommen!", sagte die Echse.
"Ohnezahn, kannst du es ihnen bringen?", bat die Erwachsene.
Der Drache brummte und kam auf sie zu.
"Bleib hier!", schrie das Mädchen, als er gerade losfliegen wollte, "Du gehst auf keinen Fall alleine dort hin!"
"Dann komm doch mit!", bat der Junge und landete vor ihr, "Irgend jemand muss ihnen das Essen bringen!"
Nachtstern überlegte.
"Du hörst ab jetzt nur noch auf den Namen Schattensturm, klar?", befahl sie dann, "Ich will nie wieder hören, dass du Ohnezahn genannt wirst!"
"Ist gut...", brummte ihr Artgenosse und senkte den Kopf.
Die Drachin sah die Menschenfrau an, welche daraufhin nickte.
"Dann ist ja gut!", sagte sie dann, "Valka, du kommst mit mir, wenn ich zu deinen Freunden fliege! Und wehe dir, wenn du auch nur daran denkst, ihnen zu helfen!"
"Ähh... i..in Ordnung!", sagte die Erwachsene und schluckte.
Sie stieg auf den Rücken des Drachen und dann flogen sie los.

Als die beiden zusammen auf der kleineren Insel ankamen, waren die jungen Reiter äußerst überrascht.
"Mutter!", rief Hicks.
"Klappe halten!", brüllte die Echse, "Ich will keinen Mucks mehr hören!"
Die Menschen waren sofort leise.
Der Nachtschatten stellte den Korb hin.
"Hier, euer Abendessen!", sagte sie stumpf.
"D... danke!", sagte Astrid, "Auch wenn es nicht so freundlich war!"
Die anderen sahen sie verwundert an.
Normalerweise war sie doch diejenige, mit der man sich nicht anlegen sollte.
Der Drache schaubte.
"Wenn du versuchst, dich bei mir einzuschmeicheln, dann hast du dich geschnitten!", sagte sie, "Lass dir was besseres einfallen!"
"Was habt ihr mit Sturmpfeil gemacht?", fragte das Mädchen vorsichtig, "Habt ihr sie eingesperrt?"
"Sie liegt mit den anderen in der Sonne und genießt ihren wohlverdienten freien Tag!", sagte Nachtstern, "Ihr habt wohl noch nie daran gedacht, dass sie auch einmal eine Pause brauchen, hm? Oder könnt ihr mir erklären, wieso nicht ein einziger von ihnen auch nur versucht, zu euch zu kommen?"
"Du meinst...", fragte Fischbein.
"Ja, meine ich!", sagte die Drachin, "Ihr reitet auf Drachen und achtet nicht einmal darauf, dass es ihnen gut geht! Schöne Freunde seid ihr!"

In diesem Moment hörten sie ein Brüllen.
"Das war Hakenzahn!", sagte Rotzbakke und sprang von seinem Baumstamm auf, "Er vermisst mich!"
"Nein, der ärgert sich nur darüber, dass ihm jemand zwei seiner Fische geklaut hat!", sagte der Drache.
Der Junge stockte und setzte sich geknickt wieder hin.
"Tut mir leid, aber ich kann das alles nur bestätigen!", sagte Valka und seufzte.
"Was haben sie mit dir gemacht?", fragte ihr Sohn, "Haben sie dich eingesperrt?"
"Nein, ich liege genau wie sie schon den ganzen Tag im Sand!", sagte die Frau, "Sie sind wirklich nett zu mir! Ich kann nicht sagen, dass es mir schlecht geht!"
"Wieso müssen wir hierbleiben und sie darf einfach so bei euch sein?", fragte Rotzbakke wütend.
"Wenn du es unbedingt wissen willst: Sie hat bisher noch nicht versucht, mich mit dämlichen Tricks zu zähmen!", sagte die Echse, "Ihr könntet jetzt auch dort sein, wenn euer netter Freund mich nicht so angegangen wäre!"
"Das... ich wusste doch nicht, dass dir das so unangenehm ist!", sagte Hicks, "Das war doch nur..."
"Das war doch nur der gleiche Trick, den euer lieber Kollege Dagur auch benutzt hat!", sagte der Nachtschatten, "Woher soll ich denn jetzt noch wissen, dass ich euch vertrauen kann, hm?"
"Dagur?!", fragte der Junge erschrocken, "Dieser Mistkerl!"
"Wiedersehen!", sagte die Drachin und flog davon.

Wieder auf ihrer Insel angekommen, legte sie sich in den warmen Sand
Valka legte sich neben Wolkenspringer.
Schattensturm gesellte sich zu seiner Artgenossin und legte einen Flügel über sie.
Die Wikingerin musste schmunzeln, als sie das sah.
Die anderen Drachen kamen einige Zeit später ebenfalls und kuschelten sich zu ihnen.
Die Frau nahm ihnen noch die Sättel ab, die sie noch immer trugen, und legte sich dann wieder hin.
Die beiden Nachtschatten stiegen auf den kleinen Berg auf der Insel und machten es sich dort gemütlich, nachdem sie den Stein aufgewärmt hatten.
Von dort oben hatten sie alles im Blick und waren ungestört.
Sie beobachteten noch einige Zeit die Sterne, bevor sie schließlich einschliefen.

Der Drache, der den Reiter zähmte (Httyd ff)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt