Kapitel 1: Der Bauer

102 12 2
                                    

1214, Spätsommertag.
Felder an der Hütte
Markus Lykanon

-🐺-

Erbarmungslos sandte die Herbstsonne ihre unerbittlichen Strahlen der Erde entgegen. Schon vor vielen Stunden, war sie über den Horizont gestiegen und hatte die Nacht vertrieben. Mit ihrem Schein, hatte auch der Schlaf geendet und Leben in die kleine, verwitterte Hütte gehaucht. Der Hahn hatte noch nicht einmal gekräht, als ein junger Mann aus ihrem Inneren getreten war und sich in der Morgendämmerung ausgiebig gestreckt hatte, um die verspannten Muskeln zu lockern, ehe er an das anstrengende Tagewerk ging, dass ihm bis zur Abenddämmerung in Atem halten würde.

Schweißperlen, rannten über die sonnengebräunte Haut, sorgen dafür, dass sein dunkles, nachschwarzes Haar strähnig in das markante Gesicht ging. Flossen über die hohen Wangenknochen, die einem Prinzen gehören könnten, wären da nicht die Schlieren, die Dreck und Staub über sein Gesicht zogen und wie kleine Bäche das Gesicht schmückten, dort wo der Schweiß sie nicht hinfort wusch. Auch die Augenringe, die sich dunkel abzeichneten, verunstalten das hübsche Antlitz des Mannes, sprachen aus, was der Körper zu verbergen versuchte - die tiefe Erschöpfung des jungen Bauern.
Die Kleidung des Mannes war ebenso wenig erhaben. Das einmal vielleicht weiße Baumwollwams, war ergraut und vom vielen Tragen bereits dünn geworden. Klebte vom Schweiß an seinem, muskulösem aber dürrem Leib. Die Ärmel waren bis zu den Ellenbogen hochgeschoben und trotzdem zeichneten sich braune Ränder an ihnen ab, wo er sich den Schweiß und der Dreck ab und an von seinem Gesicht gewischt hatte. Auch das Beinkleid, eine abgewetzte, mit einer Vielzahl von Flicken verstärkte, ebenfalls aus Baumwolle gefertigte Hose, die gerademal bis knapp über die Knie reichte und von einer eng geschnürten Kordel an ihrem Platz gehalten wurde, war alles andere als neu und edel. Trotz der dünnen, hochgewachsenen Gestalt, die, wären da nicht die Muskeln, fast zerbrechlich wirken würde, schwang er immer wieder unermüdlich und in kräftigen Bogen geführten Hieben die scharfe Sichel dem reifen Korn, welches auf seinen Feldern stand entgegen. Ignorierte, das Brennen seiner erschöpften Schultern, die förmlich nach einer Pause schrien und die beißenden Schweißperlen die von seinem Haar in seine Augen flossen.

„Markus!" eine helle, fast engelsgleiche Stimme veranlasste schließlich den jungen Bauern in seiner Arbeit innezuhalten. Der große, hagere Körper richtete sich ein wenig auf und der Mann spürte, das leichte, schmerzliche Ziehen in seinem Rücken, was von der leicht gebückten Haltung, die sich nun seit Stunden, das erste Mal wieder aufrichtete. Die Sense mit ihrer Klinge dem Feld entgegen geneigt, warf der junge schwarzhaarige den Blick zurück über die Schneise, die er geschlagen hatte, der Stimme entgegen die seinen Namen gerufen hatte. Unbewusst griff er nach dem Saum seines ergrauten Wamses, wischte er sich den Schweiß von der Stirn und zeichnete so neue, braungraue Schlieren auf es, als er sich umwandte. Ein von Herzen gütiges Lächeln erschien auf dem verschwitzen, müden Antlitz und milderte die strenge Härte die seit Stunden sein Gesicht zeichnete. Rehbraune Irden blitzen unter dem strähnigem Haar und ebenso dichten Augenbrauen hervor, suchten einen Moment die Umgebung ab. Glitten über die goldenen Felder, die ihn umlagerten und sich sacht in der sanften Briese neigten, sodass immer wieder Wellen über die goldene See glitten. Zum ersten Mal nahm er den leichten Windhauch selbst auf der Haut war, der ein wenig die Hitze auf seiner Haut milderte und doch schenkte er ihr keine Aufmerksamkeit. Stattdessen fanden seine Augen den Ursprung des Rufes. Eine junge Frau stand am Feldrand. Sacht tanzten ihre dunkelblonden, sanft gelockten Haare im Windhauch, wurden aber von einem weißen Tuch, was sie sorgsam im Nacken zusammengebunden hatte, zurückgehalten. Die zierliche Gestalt, die ihm gerademal bis zur Brust reichte, wurde von einem einfachen, blauen Kleid verhüllt unter dem sie ein weißes Unterkleid trug, wie man an den längeren Ärmeln sah, die über Arme flossen. Vor einiger Zeit war dieses Kleid noch Locker über ihre Gestalt gefallen, hatten genau die richtigen Formen vielmehr betont, als verschleiert, sodass ein mancher der einfältigen Burschen bewundernd durch die Zähne gepfiffen hatte, wann immer seine Gemahlin im Dorf gewesen war. Eine Tatsache, die Markus mehr als nur einmal die Zornesfalten auf die Stirn getrieben hatte. Doch nun spannte der Stoff um ihren Bauch, verbarg nicht mehr das Leben, was unter ihrem Herzen heranwuchs. Unterstrich, dass diese wunderschöne, zierliche, junge Frau zu ihm gehörte. Gleichzeitig war ihr Umstand aber etwas, was die Sorge in Markus schürte. Mit jedem Tag der verging, näherte sich die lang ersehnte Stunde, doch mit ihr auch die Gefahr, seine Angst, dass er sein Licht in diesen schweren Zeiten verlieren könnte. Eine Sorge, die immer größer wurde, da seine sture uneinsichtige Frau es einfach nicht lassen konnte, die schweren Körbe mit Gemüse, Brennholz oder Wäsche, wie auch jetzt wieder, durch die Gegend zu tragen. Ein Umstand, der ihm immer wieder Sorgenvolle Falten auf die Stirn trieb und ihn innerlich Fluchen ließ. So auch jetzt. Schneller als man es erahnen konnte, lockerte sich der Griff um die scharfe Sense. Erst langsam begann sie zu kippen, aus den rauen, von Schwielen gezeichneten Händen zu gleiten und sich der Erde entgegen zu neigen. Seine Schritte schmatzen im feuchten Boden und er spürte mit jedem Schritt die lehmige Erde quellen, sowie das Stechen der geschlagenen Halme unter seinen baren Füßen brachen. Er strauchelte immer wieder, rutschte auf dem unebenen Boden weg und rang mit dem Gleichgewicht, während die Sense wie ein gefallener Krieger in dem goldenen Meer versank.

Chronik der Lykaner - Der Sohn des MondesWo Geschichten leben. Entdecke jetzt