Lillianne Delcourt (Paulo)

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Ich stand auf und hielt Lilly meine Hand hin. Sie allerdings stützte sich am Tisch ab um aufzustehen. Sie schien leichte Schwierigkeiten zu haben das Gleichgewicht zu halten. Kaum war sie drei Schritte Richtung Tür gelaufen, da kippte sie auch schon bedrohlich und war im Begriff auf dem Boden zu landen. Zum Glück war ich direkt hinter ihr und konnte sie gerade so auffangen. „Okay, ich glaube das war zu schnell. Hier, nimm meinen Arm und stütz dich ab.", „Ich kann alleine laufen.", maulte sie mich an. „Lilly!", „Ja okay."
Glücklicherweise gab sie sich geschlagen. Langsam, Schritt für Schritt, gingen wir durch die Tür und die Treppen runter. Wir standen vor der Praxistür. „Bist du bereit?", fragte ich Lilly. Sie schüttelte den Kopf. „Muss das wirklich sein?", fragte Lilly angsterfüllt. „Ja Schatz, leider schon. Aber wir machen das in deinem Tempo, Stück für Stück.", „Okay. Ich schaff das.", meinte sie eher mehr zu sich selbst als zu mir. Ich musste lächeln.
„Na komm wir gehen rein." Sie schluckte, ging allerdings los, als ich sie anstupste. Ich öffnete die Tür der Praxis und steuerte direkt meinen Praxisraum 1 an. Ich hatte das Gefühl, dass das die bessere Entscheidung sein könnte. Im „entspannten" Raum würde sie sich wahrscheinlich vorkommen, als würde ich sie nicht ernst nehmen und das wollte ich nicht. In meinem Raum angekommen, stützte sich Lilly fast mit ihrem ganzen Gewicht auf mich. „Hinsetzen?", war alles was ich sie fragte und Lilly nickte schwach. Langsam ließ ich sie auf die Liege gleiten. „Willst du dich nicht hinlegen?" Kopfschütteln. Okay, dann halt nicht.
„Wir fangen ganz harmlos an, Okay?" Keine Reaktion. „Mach mal deinen Mund ganz weit auf und streck mir die Zunge raus.", „Warum?", „Weil ich schauen möchte ob dein Rachen entzündet ist.", „Aber ich hab Halsschmerzen.", „Gerade deswegen. Keine Sorge ich tu dir nicht weh.", erklärte ich ihr einfühlsam. Schlussendlich öffnete sie ihren Mund, allerdings nur so gering, dass ich sie nicht untersuchen konnte. Ich atmete einmal durch um ruhig zu bleiben. "Cariño, bitte." Sie verdrehte die Augen und öffnete ihren Mund noch weiter. "Danke Schatz." Ihr Rachen war stark gerötet, allerdings schienen ihre Mandeln zum Glück nicht entzündet zu sein. „Lilly, ich berühre jetzt deinen Hals, Okay?" Sie wurde sofort unruhig und atmete schneller und schneller. „Hey, ganz ruhig. Shhh.. Schon gut.", besänftigte ich sie.
Ich stand vor der Liege, meiner Freundin gegenüber. Lilly hatte ihren Kopf gegen meine Brust gedrückt und ich strich ihr beruhigend durch die Haare. „Shhh. Schon okay. Du bist in Sicherheit. Alles wird gut." Ich gab ihr einen Kuss auf die Stirn und strich ihr die Haare aus dem Gesicht. „Lilly, leg deine Hände auf meine Unterarme. Ich taste deinen Hals ab und wenn es dir zu viel wird, dann ziehst du meine Hände einfach weg. Deal?" Lilly nickte schwach.
„Okay, ich fange jetzt an." Vorsichtig tastete ich ihren Hals und die Lymphknoten ab. Sie hatte merklich Probleme damit ruhig zu bleiben. „Vergiss nicht zu atmen. Ein... und aus... . Super machst du das. Und nochmal, ein... und aus... . Okay, ich höre jetzt dein Herz und deine Lunge ab. Darf ich dein Oberteil hochschieben?" Wieder nickte sie nur leicht. „Hey, schau mich an.", bat ich sie sanft. „Darf ich dein Oberteil hochziehen?", „Ja.", flüsterte sie.
Ich schnappte mir mein Stethoskop und hörte sie schnell und trotzdem gründlich ab. Immer wieder musste ich sie daran erinnern zu atmen, so nervös war sie die ganze Zeit. Ein leichtes Rasselgeräusch war in ihrer Lunge zu hören. „Darf ich mir deine Ohren anschauen?", „Ja.", „Danke  Cariño." Ich nahm das Otoskop aus dem Wandregal und schaute in Lillys Ohren. „Sieht gut aus.", „Ich messe jetzt deine Temperatur."  Vorsichtig steckte ich das Thermometer in ihr rechtes Ohr. Kurze Zeit später piepte es. 39,1 „Schatz, du hast immer noch ordentlich Fieber. Leg dich mal hin, bitte." Sie tat worum ich sie gebeten hatte und ich kniete mich neben die Liege, damit ich nicht über ihr stand.
„Sei jetzt bitte ehrlich. Lilly hast du Kopfschmerzen?", „Nein, aber kannst du bitte etwas leiser reden?", meinte sie und kniff die Augen zu. „Ach, ist das so?", fragte ich sie misstrauisch.
Lilly drehte sich weg. Ertappt. Sie hatte Kopfschmerzen. Noch dazu bekam sie jetzt wieder einen Hustenanfall und krümmte sich. „Hust hust hust. Das tut so weh.", flüsterte sie zwischen den Hustern. Ich strich ihr sachte über den Arm und meinte: „Ich weiß Schatz. Du hast nen ziemlich trockenen Husten. Das reizt alles." Ich setzte mich neben Lilly auf die Liege und strich weiter beruhigend über den Arm.
„Schatz, eine Sache noch und dann bist du befreit.", „Versprochen?", „Versprochen, zumindest für heute Vormittag. Setz dich mal hin." Ich rückte etwas zur Seite und klopfte neben mich auf die Liege. Mühsam quälte Lilly sich hoch und setzte sich schlussendlich neben mich, ihren Kopf an meine Schulter gelehnt. Sie schien enorme Gliederschmerzen zu haben. „Hast du heute schon was getrunken?" Sie schüttelte leicht den Kopf und ich seufzte.
„Kannst du deinen Kopf kurz selbst halten? Ich muss in deine Nase schauen.", „Aber die ist voll verrotzt.", jammerte sie. „Das stört mich nicht. Ich hab schon sehr viele erkältete Personen untersucht.", erklärte ich ihr. „Nein.", war ihre Aussage. „Und wenn du dir die Nase vorher schnäuzt? Darf ich dann in deine Nase schauen?", „Na gut.", lenkte sie ein. Ich holte ein Taschentuch von meinem Schreibtisch und reichte es ihr. „Hier Schatz." Sofort schnäuzte sie sich ihre Nase, allerdings so exzessiv, dass ich ihr das Taschentuch aus der Hand reißen musste. „Lilly, das reicht. Du verletzt dir noch irgendwas." Sie schaute betreten zu Boden.
Ich griff mir das Nasenspekulum aus dem Regal und wendete mich wieder meiner Freundin zu, die immer noch auf den Boden starrte. „Cariño, schaust du mich bitte mal an?" Nichts. „Lilly, Schatz schau mich bitte an." Keine Reaktion. Sie ignorierte mich. Ich nahm ihr Kinn in meine Hand und hob ihr Gesicht so an, dass sie mich jetzt anschauen musste, würde sie ihre Augen nicht wegdrehen. „Schau mal bitte hoch an die Decke." Welch Überraschung. Sie folgte tatsächlich meiner Bitte. „Ich schau dir jetzt damit kurz in die Nase. Nicht erschrecken, ja?"
Ich schob ihren Kopf noch ein Stückchen nach hinten und schaute in ihre Nase. Sie wurde wieder unruhiger, zappelte hin und her. „Shh. Ganz ruhig. Dir passiert nichts. Schau, schon vorbei." Trotz meiner beruhigenden Worte wurde ihre Atmung nicht langsamer und sie wurde nicht entspannter. „Versuch ganz ruhig zu atmen. Ich bin sofort wieder da.", „Nein! Lass mich nicht allein!", schrie sie. „Lilly, ich bin drei Meter entfernt. Dir passiert nichts."

Ich und die SprechstundeWo Geschichten leben. Entdecke jetzt