Leopold Raims (Paulo)

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Herr Raims kam gerade aus meinem ersten Behandlungsraum. „Ah, Herr Raims. Schön sie zu sehen. Es tut mir leid, dass ich die Blutabnahme nicht selber durchführen konnte, aber mir ist etwas dazwischen gekommen.", entschuldigte ich mich bei ihm. „Ach, schon okay Herr Doktor. Der Herr Richter hat das auch ganz ordentlich gemacht.", „Das freut mich zu hören. Geht es ihnen sonst gut?", wollte ich von ihm wissen. Ihn kannte ich bereits aus diversen Krankenhausbesuchen seinerseits . Er war ein freundlicher, bereits etwas älterer Mann. „Ja, ja. Ich kann nicht klagen. Meine Frau hält mich tagtäglich in Bewegung seit meiner letzten Beipass-OP.", „Wie geht's denn ihrer Frau?", „Naja, wie soll ich sagen..." Ich wurde stutzig. Herr Raims war normalerweise sehr gesprächig. Irgendwas war da hinterm Busch. Sonst würde er nicht so stammeln. „Sollen wir mal kurz in meinen Raum gehen?", „Nein, nein Herr Doktor. Ich will Ihnen keine Zeit klauen.", „Das machen sie nicht. Warten sie kurz. Mia?"
Ich ging zum Empfangscounter und fragte Mia ob ich gerade Herrn Raims 10 Minuten dazwischen quetschen könnte. „Irgendwas ist da im Busch mit seiner Frau.", „Ähhh. Lass mich kurz nachschauen... Ja, ich könnte Herrn Schmidt ein paar Minuten nach hinten schieben. Dann wird deine Pause etwas kürzer.",meinte sie und schaute vom Computer hoch. „Das passt schon.", „Mach ich. Was glaubst du wie weit nach hinten soll ich ihn schieben?", „Mach mal so 15 Minuten. Ich glaube das reicht.", „Alles klar Cheffe." Mia ging sofort ins Wartezimmer um dem folgenden Patienten Bescheid zu geben und ich ging zurück zu Herrn Raims. „Folgen sie mir.", „Herr Doktor, ich will Ihnen wirklich keine Unannehmlichkeiten bereiten. Das passt schon.", „Sie machen mir keine Unannehmlichkeiten. Sie machen sich offensichtlich Sorgen um ihre Frau, also tue ich das auch." Ich öffnete die Tür und bat Herrn Raims herein. „Setzen sie sich." Ich setzte mich hinter den Tisch und suchte auf meinem Computer nach Frau Raims Akte. Auf den ersten Blick war Nichts auffälliges vermerkt. „Also Herr Raims. Wo drückt der Schuh? Was geht Ihnen durch den Kopf?", „Naja... Wie soll ich sagen. Meiner Liesel geht's glaube ich nicht so gut.", „Und wieso glauben sie das?", „Sie ist ist seit ein paar Tagen so blass im Gesicht. Und sie hat so eine knallige Zunge, wie wenn sie sich ihren Lieblingslippenstift nicht auf, sondern in ihren Mund gemalt hätte." Ich musste kurz lächeln. Herr Raims nannte oft sehr lustige Vergleiche, wenn er etwas erklären wollte. Das war schon im Krankenhaus so gewesen. Seine Beschreibung allerdings, wenn auch sehr unterhaltsam, ließ in mir die Alarmglocken schrillen. Ich hatte einen Verdacht. „Würden sie sagen, die Zunge ihrer Frau ist himbeerfarben?", „Ja, so könnte man sagen.", „Hat ihre Frau sonst noch irgendwelche Symptome; Schüttelfrost, Ausschlag, Gliederschmerzen?", „Also ich bin mir nicht sicher, aber ihr war heute sehr kalt obwohl ich vor meinem Spaziergang die Heizung bereits hoch gestellt hatte. Mir war, bevor ich her gekommen bin sogar so warm im Haus, dass ich meinen Pullover ausziehen musste. Und sie saß mit dicker Decke auf dem Sofa.", „Das hört sich wirklich nicht nach ihrer Frau an. Teilen sie ihr doch bitte mit, dass ich sie hier schleunigst sehen möchte.", „Das mach ich Herr Doktor."
„Und was ist mit dem Rauchen Herr Raims?", fragte ich ihn leicht kritisch.
„Ach Herr Doktor. Sie stellen sich das so einfach vor.", wollte er mich beschwichtigen. Ich blieb allerdings völlig ernst. „Herr Raims, sie müssen wirklich mit den Zigaretten aufhören. Sonst liegen sie schnell wieder im Krankenhaus. Und ich hatte eigentlich nicht vor sie wieder dort besuchen zu müssen.", versuchte ich auf ihn einzureden. „Selbst wenn sie nur die Anzahl der Zigaretten reduzieren. Sie müssen etwas machen.", „Ja. Sie haben schon Recht, aber es ist einfach so schwer Herr Doktor.", gab Herr Raims preis. „Das kann ich vollkommen verstehen, aber genau dafür sind wir Hausärzte da, um unsere Patienten zu unterstützen. Machen wir eine Abmachung. Bis zu unserem nächsten Termin will ich, dass sie die Zigarettenanzahl reduziert haben. Und wenn es nur eine weniger pro Tag ist, versprochen?"
Er schien lange zu grübeln. Doch schlussendlich nickte er. „Versprochen Herr Doktor.", „Alles klar. Dann bis demnächst. Ich zähl auf sie Herr Raims. Sagen sie ihrer Frau, dass ich sie erwarte und fragen sie Frau Sommer oder Herrn Richter direkt nach einem Termin für ihre Frau.", „Auf wiedersehen." Ich schüttelte seine Hand und er verließ die Praxis.

Ich und die SprechstundeWo Geschichten leben. Entdecke jetzt