2

0 0 0
                                    

Es dauerte nicht lange, bis jemand laut an ihre Tür klopfte. "Raus da! Sofort! Gestehe deine Verbrechen und nehme dich dir deiner gerechten Strafe an."
Welche Strafe? Warum soll ich bestraft werden, wenn ich versucht habe, allen das Leben zu retten? Und dann habe ich es geschafft und soll bestraft werden? Meine Schwester musste bereits für sie sterben, so wie meine Mutter und nun soll auch ich für sie sterben? Nein! Das will ich nicht. Wenn sie mich nicht hier haben wollen, dann gehe ich doch lieber, als zu sterben. Aber wo soll ich hin? Und wie soll ich hier weg? Nur weil ich eine Stimme gehört habe, soll ich besttraft werden. Es kann doch auch ein Engel gewesen sein, der da zu mir gesprochen hat. Es ist doch gar nichts geschehen. Aber was hatten diese Worte auf sich.
Sie konnte nicht weiter darüber nachdenken, da wurde die Tür bereits aufgestoßen. Sie hatte sich in die hinterste Ecke des Hauses verkrochen. Als sie das Aufkrachen der Tür hörte, drückte sie ihre Arme fester um sich, die sie bereits schützend über ihren Kopf gehalten hatte, und zuckte verschreckt zusammen. Sie würden sie töten. Sie kamen sie zu holen, zu verurteilen und dann zu töten. Es war ein wahres Wunder, dass sie sie überhaupt so lange hatte leben lassen. Sie stürmten in das Haus herein, suchten sie und fanden sie auch recht schnell. "Da ist sie!" Ein Mann kam auf sie zu und dann noch einer. "Komm her!", befahlen sie ihr, doch sie schüttelte nur verängstigt ihren Kopf. Sie wollte etwas sagen, doch nur ein verängstigter, leiser Laut kam aus ihrer Lunge. Beide packten sie an ihren Armen und zogen sie nach oben, dass sie laut zu schreien anfing. Sie war um einiges kleiner als die Männer, dass ihre Füße den Boden nicht berühren konnten und sie nur in der Luft nur hin und her treten konnte. Lange dauerte es nicht, bis sie nach draußen getragen wurde, wo sich bereits vor ihrer Haustür eine Menschentraube gebildet hatte. Sobald die Menschen sie sahen, wie sich da wand uns schrie, machten sie erstmal ein verdudstes Gesicht, doch dann fingen sie an ihren Hass zu schüren. Laut fingen sie an sie anzuschreien und ihren Hass gegen sie auszutragen. "Hexe!"
"Satansweib!"
"Hure des Bösen!"
"Kleines, verwegenes Luder!"
"Stirb!"
"Auf den Scheiterhaufen mit ihr! Soll ihr Herr sie holen kommen!" Und noch vieles weitere. Sie ließ die Worte über sich ergehen, versuchte sie auszublenden, sich das Gesicht ihrer Mutter und ihrer Schwester vor Augen zu führen, besonders ihre Schwester. Wie sehr sie ihre Schwester doch geliebt hat.
Nein. Nicht. Ich habe nichts getan. Ich gehöre doch zu eures Gleichen und ihr zu meines. Warum wollt ihr mir so etwas schändliches antun? Warum hast ihr mich so sehr.
Sie wurde in ein großes Haus gebracht, das in der hintersten Ecke der Dorfhöhle lag. Es war ein Haus für amtliche Dinge, für den Bürgermeister und andere seiner Art bestimmt. Aber wenn man in das Haus ging, konnte man in dem hintersten Bereich eine Treppe finden, die noch viel tiefer ins Erdreich führte. Dort wurden die Gefangenen hingeführt. Es gab kaum jemanden, der dort hingebracht wurde. Aber extra für sie wurde eine eigene Zelle vor Jahren errichtet. Sie hatten sie schon viel früher einsperren wollen. Je tiefer sie kamen, umso dunkler wurde es. Ab einem bestimmten Punkt ließen sie weniger Fackeln leuchten, bis irgendwann keine mehr fackelten. "Bitte, nicht so weit nach unten, sonst kann ich nichts mehr sehen. Ich habe Angst im Dunkeln." Sie weinte. Im Dunkeln gab es böse Wesen. "Freut dich doch lieber. Du kommst so näher an die Hölle, da, wo dein Herr regiert. Und wo du hinkommst, da wird es eh kein Licht geben. Gewöhn dich dran, denn du brauchst es nicht."
"Aber ich habe Angst. Ahh!" Hart wurde sie in ihre Zelle geworfen. Das Gitter hätte rostig sein müssen, so wie die anderen, doch ihre war neu. Dennoch kalt und feucht. Und besonders dunkel. Sie hatte sie bei dem Wurf verletzt. Ihre Haut war aufgeschürft und sie blutete. Sehen konnte sie allerdings nicht, wie schlimm es war. Sie fürchtete sich. Sie konnte den Wind hören, wie ein böser Fluch, der über sie kam. Angst. Sie hatte schreckliche Angst. Sie kroch so weit nach hinten, bis sie die kalte Wand an ihrem Rücken spürte. In die hinterste Ecke verkroch sie sich und legte wieder schützend ihre Arme um sich. Leise summte sie vor sich hin, um nicht den Wind hören zu müssen, der sie schier verrückt machte. Wie lange sollte sie wohl dort sein? Wie lange musste sie in diesem Loch bleiben? Würden sie sie dort verhungern lassen, da lassen bis sie verweste und ein Skelett geworden wäre? Sie würde nicht einmal die Tage zählen können, die sie in dieser Einöde liegen würde. In solch einer Dunkelheit verliert man jegliches Zeitgefühl. Was hatten sie überhaupt mit ihr vor? Warum erst jetzt? Eigentlich hätten sie es schon eher machen wollen, warum erst jetzt? Wegen der Zelle? Hatten sie sie irgendwie anders gebaut, um sie zurück zu halten, etwas zu tun? War sie deswegen im Dunkeln, um ihre Kraft zu schwächen? Bei Licht gibt es Schatten, aber in der Dunkelheit gibt es nur Dunkel. Die Dunkelheit schwächte sie. Sie blieb da, bis sie Hunger bekam, bis sie Durst bekam, bis sie zu frieren anfing und bis sie müde wurde. Irgendwann schlief sie dann auch ein, doch schnell wachte sie wieder Angsterfüllt auf. Schreckliche Albträume plagten sie, jedes Mal, wenn sie ihre Augen schloss. Und sobald sie wach wurde, wurde sie von den Schatten vor ihr verfolgt. Die Geräusche des Windes, sie füllten sie mit Angst. Auch wenn sie kein Zeitgefühl mehr besaß, so dachte sie sich irgendwann, dass sie bereits mindestens zwei Tage in ihrer Zelle verweilen musste. Am dritten Tag kam jemand zu ihr, um zu sehen, wie es ihr wohl ergehen musste. Den Männern nach zu urteilen ging es ihr noch zu gut, daher gingen sie wieder weg. Sie mochte die Dunkelheit nicht und wenn es kein Licht gab, dann musste sie wohl ihr eigenes Licht erzeugen. Und dann wirklich. Es nahm viel Kraft und Energie in Anspruch, doch da schaffte sie es dennoch irgendwann, ein kleines Leuchten in ihren -wie ein Ball geformten- Händen zu erschaffen. Ihre Augen fingen an zu leuchten. Es war so wunderschön, so hellauf glänzend, eine strahlende Kraft, ein kleiner Hoffnungsschimmer in dieser trostlosen großen Dunkelheit, die sie zu verschlucken drohte. Mit ihren Gedanken versuchte sie mehr Licht zu finden. Draußen. Außerhalb der Höhle, da war eine riesige Wiese, die Sonne hell auf über dem Himmel. Ein wunderschöner Anblick. Ob sie wohl mit dem Licht noch viel mehr sehen könnte? Weiter und immer weiter, bis sie Ein Mädchen und ihre Haare so ein feuriges rot. Sie sah wunderschön aus. Immer öfter beobachtete sie das Mädchen. Ab und zu kam immer jemand, brachte ihr ein wenig essen und trinken. Sie wollten sie in diesem Verfließ versauern lassen. Aber das Mädchen tröstete sich immer damit, den Feuerkopf zu beobachten. Ein Mädchen, das so stur, schön, stark und wild, wie das Feuer selbst war. Jeden Tag sah sie ihr zu, wie sie ihre Kraft zu beherrschen übte, sah zu wie sie Kräuter, Baumrinde, Wurzeln und anderes sammelte. Sah ihr zu, wie ihre Haare im Wind wehten, wie eine lodernde Flamme. dieses Mädchen wurde ihr Lebenssinn. Und dann hörte sie wieder diese Stimme in ihrem Kopf, die sie bereits einst gehört hatte, mit den selben Worten, wie zuvor:

Rote Haare. Überall sind rote Haare. Aber eines dieser Menschlein, mit roten Haaren, sieht aus, als würde es Feuer auf dem Kopf tragen. Sie ist wichtig. Du bist auch wichtig. Du musst aus diesem Loch. Deine jungen dreizehn Lenze, werden in der nächsten Zeit zu achtzehn. Wenn der achtzehnte Lenz eingekehrt ist, wirst du sie treffen. Dann wirst du mit ihr Kämpfen. Dann wirst du sie auf deine Seite bringen müssen, sonst verfällt sie dem Schatten.

Wie zuvor. Dieses Mädchen, rote Haare. Ob sie gemeint war? Dann war sie wirklich ihr Lebenssinn. Sie musste herausfinden, wo sie war, musste zu ihr. Sie finden. Sie auf ihre Seite bringen. Sie lieben. Lieben? Ja, sie glaubte, sie zu lieben. Hoffentlich würde auch ihr diese Liebe entgegenkommen, eines Tages. Nein, sie war sich sicher, dass dieses Mädchen sie auch einmal lieben würde. Sie waren für einander bestimmt. Ganz bestimmt. Nun war nur die Frage: Was war mit Schatten gemeint? Sie verstand es nicht so recht. Welchem Schatten würde sie sonst verfallen? Etwa dem, dem sie selber nur gerade so entkommen konnte? War sie dem Schatten so wichtig? Aber wieso? Das würde sie sich später irgendwie zusammenreimen müssen. Sie würde erstmal einen Weg aus diesem Loch finden müssen. Wie würde sie da nur herauskommen sollen? Wie würde sie so etwas schaffen? Wie würde sie dieses Mädchen beschützen können, wenn sie nicht einmal sich selber beschützen konnte? Wenn sie nicht einmal abhauen konnte? Wenn sie solch eine Angst hatte? Sie musste sich etwas überlegen, wie sie rauskommen sollte. Und sie hatte auch schon so eine Idee.

LichtzauberWo Geschichten leben. Entdecke jetzt