Ich muss heute gar nicht geweckt werden. Ich bin schon wach als jemand in mein Zimmer kommt. Erst denke ich, dass es Nevan ist, aber dann fällt mir wieder an, dass es ab heute Malachi sein wird.
Es ist mir etwas peinlich so vor ihm zu sitzen. In meinen Schlafgewändern. Er lächelt glücklich als er sich zu mir ans Bett setzt. „Du bist ganz verstrubbelt." Oje. Verlegen versuche ich meine Haare glatt zu streichen. Wäre ich ein ganzer Ilaria würde mir sowas nie passieren. Die Haare der Ilaria können nicht verstrubbeln. Dass ich immer so schlimm aussehe liegt an dem Teil Naida in mir. Bewusst kann ich meine Haare nicht kontrollieren, aber wenn ich schlafe bewegen sie sich einfach trotzdem. Sie verknoten sich immer.
„Nevan hat mir Bescheid gesagt." Gibt Malachi an und hält mir mit einem sanften Lächeln auf den Lippen einen Kamm hin. Ich seufze leise. Wieso war mir das so peinlich vor ihm? Er findet es gar nicht schlimm. „Kannst du das machen?" Frage ich vorsichtig. Nevan macht es immer, weil ich schlecht hinten dran komme. Es fühlt sich trotzdem nicht richtig an Malachi um noch mehr zu bitten. Ich bin immer noch die Prinzessin also ist der mir theoretisch untergestellt und muss tun was ich ihm sage.
„Dreh dich um." Sagt er ruhig und so mache ich was er sagt und schließe mich müde die Augen als er durch meine Haare kämmt. Nach einer Zeit lang beginnt er leise zu lachen. Neugierig öffne ich meine Augen. „Was ist denn?" Frage ich. „Deine Haare greifen die ganze Zeit nach mir. Ich versuche sie ja zu bürsten, aber sie halten immer meine Hand fest." Peinlich berührt greife ich nach meinen Haaren und ziehe sie nach vorne um mich dann zu Malachi umzudrehen. „Tut mir leid." Es ist peinlich, dass sie das tun. Zum Glück glaubt er sicher, dass sie es bei Nevan auch machen. Das tun sie nicht. Sie greifen nach Malachi, weil sie ihn mögen.
„Wieso guckst du so traurig?" Fragt er mich und schmunzelt. „Ist doch süß." Süß? Ich lache leise und nicke dann. Okay. Dann ist es halt süß. Ich bin mit diesen Haaren geboren. Da waren sie schon so lang, dass sie mir bis zur Mitte meines Rückens gehen. Sie werden nie geschnitten und wachsen auch nicht weiter. Manchmal wird mir langweilig mit ihnen und dann lasse ich Blumen rein flechten. Natürlich kriege ich von Mutter dann immer Ärger, weil das für Naida nicht üblich ist.
„Du müsstest dich anziehen, Prinzessin." Aus seinem Mund hört sich das ganz anders an. Er sagt auch immer 'du' zu mir und siezt mich nicht wie Nevan es tut. „Was soll ich denn heute anziehen?" Frage ich nervös. Heute ist der Tag. Heute kommen Nicoli in unser Haus. Nachgestalten. Die werden nachts im Dunkeln in Erde geboren und buddeln ihren Weg an die Oberfläche. Da sind die schon nenn halben Meter groß. Naida werden im Wasser aus einer Seerose geboren. Unten an den Wurzeln bildet sich ein Cocon und aus dem Schlüpfen sie nach einem halben Jahr. Sie sind dann schon einen Meter groß oder noch größer und sehen überhaupt nicht aus wie ein Kind. Dann wachsen sie bis sie zwischen 1,65 bis 2,20 sind. Das ist ganz schön groß. Nicoli werden höchstens zwei Meter und das ist sehr selten.
Ilaria werden als richtiges Baby geboren und es braucht ein ganzes Jahr bis sie laufen können. Schweben können sie aber direkt. Das ist so ein Instinkt. Dann nach zwei Jahren ist ihr Kopf ausgereift genug um denken zu können und ab da erinnern sie sich dann an Sachen. Ich bin wie ein Ilaria aus einem Sonnenstrahl geboren. Lag eines Tages vor dem Bett meiner Mutter, eingewickelt in meine weißen Haare. Sie wusste natürlich das ich kommen würde, weil sie ja alle vorher in die Grotte müssen, aber sie hatte gehofft, dass ich wie ein Naida entstehe. Dann würde ich sofort laufen und sprechen können.
„Ich hole die Ankleide Ilaria." Sagt Malachi und steht dann auf. Er hat aber lange hier gesessen bevor er geantwortet hat. Nachdem ich gebadet und angezogen bin, laufe ich mit Malachi zum Frühstück. „Du siehst sehr hübsch aus." Dankend blicke ich zu ihm hoch. Er ist echt einen ganzen Kopf größer als ich. „Hast du schon gegessen?" Frage ich ihn. Er nickt lächelnd. Natürlich hat er das. Er ist nicht sie wie Nevan. Malachi hat sich sicher vorbereitet. „Weißt du was heute ansteht?" Frage ich also, weil mir niemand was gesagt hat. Ich deute ihm an sich hinzusetzen bevor er sich wie Nevan neben mich stellt. Es fühlt sich ganz schlecht an am Tisch zu sitzen und deine Freunde müssen stehen, weil sie bloß Diener sind.
„Sie kommen bei Mittagssonne hier an, weil sie lieber durch die Nacht reisen. Wir holen sie am großen Tor ab und führen sie herum. Im Anschluss möchte die Königin sie sehen. Schlussendlich bringen wir sie zu ihren Gemächern, damit sie ihr Gepäck ausladen können." Dann stoppt Malachi. Sieht mich fragend an. „Was dann kommt weiß ich nicht. Normalerweise würden wir unseren Gästen Zeit zum schlafen und ausruhen geben, aber das brauchen sie ja nicht." Schon bei dem Gedanken daran, dass Nicoli ihr ganzes Leben lang wach sind wird mir ungemütlich. Das ist doch einfach nur gruselig.
„Guten Morgen, Tochter." Malachi steht langsam auf und verbeugt sich vor meiner Mutter. Er hat nicht solche Angst wie Nevan, aber ohne meine Erlaubnis hätte er sich nie hingesetzt. „Guten Morgen, Königin." Es fühlt sich nie richtig an sie so unpersönlich zu adressieren. „Heute ist es so weit. Bist du schon aufgeregt?" Fragt sie mich und setzt sich dann auf den Stuhl auf dem Malachi gerade noch saß. Er stellt sich leise hinter mich. Macht mich dadurch ein bisschen nervös. „Können wir ihnen sagen, dass sie keine Ilaria verletzen dürfen während sie hier sind?" Platzt es aus mir heraus.
„Ja, Seena. Ich bin nervös. Ich bin mal wieder ganz Ilaria mäßig besorgt. Schön, dass du nachfragst. Wäre es möglich dich nach etwas zu fragen." Sagt sie grinsend und zeigt mir somit vor wie ich mich hätte verhalten sollen. Entschuldigend blicke ich herunter. Meine Mutter seufz und legt ihre Arme auf den Tisch. „Wir können ihnen sagen, dass sie unsere Diener möglichst in Ruhe ihre Arbeit machen lassen sollen, aber mehr auch nicht. Das sind hohe Gäste, Alamea. Vergiss das nicht." Langsam und enttäuscht nicke ich. Hohe Gäste sind mir egal. Das sind Mörderer. Ich will sie nicht in meiner Nähe wissen.
„Gehst du heute schwimmen?" Ich schüttle mit dem Kopf. Alle von ihnen fragen mich das jeden Tag als wäre meine Antwort plötzlich anders. Vielleicht hoffen sie noch, dass ich immun gegen das Wasser werde und endlich so wie sie lange schwimmen kann. Immer wenn ich auch nur kurz ins Wasser gehe freuen sie sich. Sind viel zufriedener mit mir als sonst. „Malachi!" Dieser Ton gefällt mir nicht. „Ja Königin." Und diese Antwort auch nicht. „Ich will, dass du zu jeder Zeit ein Auge auf sie hast." Erst denke ich, dass sie das für meinen Schutz möchte, aber dann spricht sie weiter. „Sie soll sich richtig benehmen und die Zuko nicht verärgern." Ich brauche mich gar nicht umdrehen. Ich weiß, dass Malachi verstehend nickt.
Er kann nicht lügen also spricht er nicht. Malachi wird nicht versuchen die Zuko nicht zu verärgern. Es ist ihm egal ob sie wütend sind und mir auch. Das hier ist kein Hotel. Sie sollten sich an uns anpassen und nicht andersherum. Ich werde in ihrer Gegenwart nicht auf meine Sprache oder mein Verhalten achten. Mal sehen ob sie mich immer noch wollen, wenn ich nicht versuche wie sie zu sein. Als ob sie es wirklich aushalten könnten eine Hybride zu heiraten. Schon allein das ich Licht brauche ist für sie unverständlich. So eine einfache Sache wie Sonnenschein verstehen sie nicht. Es ist unglaublich für mich.
„Du siehst sehr erhaben aus, Alamea. Gut gemacht." Den letzten Satz spricht sie wieder komisch aus. Ganz genauso wie 'Tochter' kann sie es kaum aussprechen, versucht es aber für meine tägliche Dosis Zuneigung. „Du auch." Erwidere ich und dann steht sie lachend auf. Es ist komisch wie sehr Naida und Nicoli Komplimente mögen, aber selbst einfach keine geben können. Ich bin 19 Jahre alt. Meine Mutter hat nach 19 Jahren noch Probleme mich ihre Tochter zu nennen. Ist doch unglaublich.
Ich trage heute einen roten Anzug mit einem rosanen Unhang. Auf meinen Wunsch hin, haben sie den Umhang mit roten Blättern bestickt. Leider nur die Innenseite. Blumen sind was für Ilaria sagen sie, aber alles was grün ist mögen die Naida auch. Meine Haare hängen wie immer glatt und weiß meinen Rücken herunter. Heute trage ich jedoch ein kleines silbernes Diadem mit grünen Edelsteinen. Es ist Gold damit es zu meinem Wimpern passt. An meinen Händen sind weiße Handschuhe, weil ich die Nicoli nicht anfassen will. So viel weiß erlaubt mir Mutter noch. Auch die weißen Stiefeletten sind erlaubt, mussten aber eine rote Bordüre haben. Ihre Sohlen sind dunkel grün.
Ich darf im Haus nicht ohne Schuhe laufen. Wenn meine nackten Füße die Erde berühren, beginnen dort keine weiße Blumen zu wachsen. Manchmal schaffe ich auch blaue und lilane, aber das ist schwer. Leider kann ich nicht kontrollieren wann sie wachsen also muss ich immer Schuhe anziehen. Einmal bin ich bloß vom Bett ins Badezimmer ohne Pantoffeln und als ich zurück kam, war mein ganzes Zimmer voller weißer Blumen. Sie waren selbst auf meinem Bett gewachsen und es hat Stunden gedauert sie alle wieder zu entfernen.
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Blumen sind für die Schwachen
FantasyWen wird sie heiraten? Den, der sich für sie in die Hand gestochen hat? Den, der in seinem ganzen Leben noch kein Wort mit jemandem gesprochen hat? Vielleicht den, der so ist wie sie? Vielleicht auch den, den keiner ihr erlaubt? Sollte sie einfac...