Laurent und Lorcan kommen in neuen majestätischen Gewändern aus ihren Gemächern heraus geschritten. Schon von weitem könnte man ihre festen Schritte auf den goldenen Böden hören. Eine dunkle Aura umgibt sie als würde das Licht vor ihnen fliehen. Ihre Haare sind glänzend nach hinten gestrichen, als wären sie nass. Jetzt wo ihre Stirn frei ist erscheint ihr Gesicht noch heller und ihre Augen im Kontrast noch schwärzer, wie zwei tiefe Löcher. Man könnte meinen ihr Schädel sei hohl und geräumig wie eine schattenlose Grotte.Laurent trägt einen dunkel roten Samtanzug mit kurzer roter Jacke und einer langen Rosen-roten Seidenschleppe. Der Stoff umhüllt ihnen, versteckt aber nicht seine Brust, welche Papier-weiß hinter dem Stoff hindurch scheint. Unter seiner hochgeschlossenen Hose befindet sich ein Paar schwarze Schuhe. Seine eigenen. Sein Haaransatz ist mit roter Farbe bestrichen wie es hier für Gäste so üblich ist. An seinen Händen trägt er großen Goldschmuck. Ein Zeichen dafür, dass er unser Gast ist. So sieht er gar nicht mal so schlecht aus. Die schwarzen Augen machen es nur trotzdem etwas gruselig.
Lorcan hat ein dunkel grünes Gewand an. Es besteht aus einem weichen fein gewebten Untergewand und einem Schuppenbesetzten Umhang. In seinem Haar klemmt eine silberne Brosche in form einer Libelle. Der Körper ist aus zwei präzise geschliffenen grünen Edelsteinen. Seine Fingerspitzen sind in grüne Farbe getaucht als Symbol für den Erstgeborenen mächtiger Familien, seine Nägel schwarz lackiert wie vorher. Auf seinem markanten Wangenknochen ruhen zwei goldene Punkte. Jemand wie er braucht keinen weiteren Schmuck, sein Körper ist mit Macht bemalt und trägt sie so offensichtlich auf dem Ärmel aus, dass man sie nicht ignorieren kann. So sehen sie immer noch wie Touristen aus, aber schon um einiges besser.
„Dann bringen wir sie zur Königin?" Fragt Malachi an mich gewannt und ich nicke einverstanden. Auf dem Weg dorthin zeigen wir ihnen schon etwas vom Palast. „Das hier ist der Westflügel. Hier gibt es am wenigsten Licht. Wir dachten, dass ihr euch hier besser eingewöhnen könnt." Erkläre ich und zeige auf die in Tropfen geformtem kleinen Fenster. „Die Wachen hier sind hauptsächlich Naida, weil die Ilaria hier nicht lange leben können. Nehmt es mir also nicht übel, wenn ich euch hier nie besuchen komme." Malachi verzieht keine Miene, aber lacht innerlich. Er weiß genau, dass das nicht der Grund ist wieso ich nicht vorbei komme.
„Und das hier ist der Westerker. Hier kann man Mondbaden." Erzähle ich und zeige auf die Fensterausstülpung. Hier sind die Fenster besonders groß. Zehn Meter hoch und aus einem Stück geschmolzen. „In drei Tagen ist Mondnacht." Gebe ich bekannt, falls sie wirklich mondbaden wollen. Ich habe gehört, dass Nicoli das gerne mal machen. Ist wohl so eins ihrer Schönheitsgeheimnisse.
„Jetzt kommen wir am Ostflügel vorbei. Hier wohnen meine Geschwister." Ich zeige kurz in einen breiten Gang hinein. „Das seht ihr aber später noch." Malachi läuft neben mir und sieht sich wachsam um. Hier in diesen Gemäuern sieht er noch erhabener aus. „Und dort ist der Weg zum Büro meiner Mutter." Bei dem Wort Mutter stolpert Laurent fast und ich lache leise. Dass Worte Nicoli so angreifen ist schon echt sonderbar.
Vor einer silbernen Hängebrücke bleiben wir stehen. Ich zeige kurz runter. „Wir sind gerade zwanzig Meter über Meeresoberfläche. Der Berg hat aber direkt über uns seine Spitze, welche 4 Tausend Meter über dem Meeresspiegel liegt." Über uns sind fünfzig Meter hohe Decken mit mehreren Treppen und Gängen. Unter uns ist tobendes Wasser. Die kleine Brücke verbindet den Hauptteil des Gebäudes mit dem West und Ost Trakt. Ich gehe von Malachi gefolgt rüber. Es ist ein wunderschöner Ort hier. Die Goldbraunen Wände, die Silberne Brücke und das dunkle Blau mit dem Schaum drinnen unter uns. Es ist nur leider auch ziemlich laut. So wie ein großer Wasserfall, weil es unter uns so schnell rauscht.
„Warte, Alamea." Überrascht drehe ich mich um und sehe von Malachi, der mich aufgehalten hat herüber zu den Nicoli. Sie haben sich kein Stück bewegt. Stehen immer noch auf der anderen Seite der Brücke. Verwundert laufe ich wieder zu Malachi hin und sehe ihn fragend an. „Sie haben Angst vor dem Wasser."
„Ich hab keine Angst." Protestiert Laurent, aber sieht dann doch wieder runter. Beide haben eine Hand an der Brücke. Neben ihr geht es nämlich ohne Geländer steil runter. Keiner ist je reingefallen also sahen wir keinen Grund eins zu bauen. Naida sind schon so groß und kognitiv entwickelt, wenn sie geboren werden, dass sie niemals einfach rennen würden ohne zu drauf zu achten wohin. Ilaria kommen nicht auf diese Seite des Anwesens bis sie alt genug sind. Kleine Ilaria würden bei dem wenigen Licht hier nach wenigen Stunden ohnmächtig werden. Wir behalten sie im Südtrakt wo die Sonne niemals unter geht.
„Ilaria können eure Emotionen spüren. Du brauchst nicht lügen." Sage ich schmunzelnd und laufe wieder über die Brücke um in der Mitte stehen zu bleiben. Sie ist nur 5 Meter lang also eine der kürzesten und massivsten die wir je gebaut haben. „Hier ist noch nie einer reingefallen." Versuche ich sie zu beruhigen. Ich weiß, dass Wasser für Nicoli tödlich sein kann, aber Nicoli sind auch für Naida manchmal tödlich. Es ist doch verständlich, dass wir unser Wasser also vergiften um wenigstens dort sicher zu sein.
Ich strecke ungeduldig meine Hand aus und komme zu ihnen rüber. „Wer will zu erst?" Ohne zu zögern legt Lorcan seine Hand in meine, aber hält sich mit der anderen weiterhin an der Brücke fest. So kommen wir nicht voran. Er ist weniger nervös als Laurent, aber ich kann auch bei ihm Unbehagen fühlen. „Sieh nicht runter, sondern mich an." Sage ich sanfter und er blickt zu mir hoch. „Und jetzt lass sie Brücke los." Langsam löst sich seine Hand vom Pfeiler. „Gib her." Kommt schmunzelnd von mir als ich ihm auch die andere Hand anbiete. Er greift sie und folgt mir dann wirklich in kleinen Schritten über die Brücke, während ich rückwärts voran gehe.
„Wir haben über 90 Brücken hier. Das hier ist nicht deine letzte." warne ich ihn vor und ziehe ihn dann auf die andere Seite bis er wieder festen Boden unter den Füßen hat. Erst dann sieht er wieder herunter und nimmt seinen Blick von meinem Gesicht. Ich klopfe ihm zufrieden gegen den Oberarm. „Das war ganz schön tapfer. Ich weiß wie sehr ihr das Wasser hasst." Er sieht einfach weg und ich gehe schnell zu Laurent um ihn auch zu holen. Ich glaube es ist ihnen beiden peinlich, dass ihnen die Brücke so Respekt einjagt.
„Komm." Es ist schön, dass ich immer noch diese Handschuhe trage. So muss ich Laurent nicht direkt berühren. Auch wenn er wirklich, wirklich gut aussieht. Er schüttelt jedoch eh mit dem Kopf. „Gibt es keinen anderen Weg rüber?" Ich kann seine Angst deutlich spüren und er beginnt mir leid zu tun. Das ist wohl eine richtige Phobie von ihm. „Du kannst das schaffen, Laurent." Sage ich und greife einfach von mir aus nach seiner Hand. „Mach einfach die Augen zu und ich ziehe dich rüber. Du wirst gar nichts merken." Er nickt ernst und hält mir auch seine andere Hand hin.
Ich greife einfach schnell nach ihm und ziehe ihn sofort los. Er kneift seine Augen zusammen und stolpert hinter mir her. Die Brücke unter uns gibt bloß dumpf unsere Schritte zurück. Klingt bei Laurent wirklich nach was, während man meine Schritte nicht hören kann. Das ist eben die Leichtigkeit der Ilaria in mir. „Geschafft. Du kannst deine Augen wieder öffnen." Er umklammert weiter meine Hände als er zögerlich wieder durch offene Augen zurück zur Schlucht blickt. „Siehst du? Es war gar nicht schlimm und dir ist nichts passiert." Erleichtert atmet er durch und ich schüttle mit Anstrengung seine Hände ab.
Plötzlich dreht er sich dann aber um und beugt sich vor. Hält sich die Hand an die Brust während er sich mit der anderen inzwischen schon kniend auf den Boden stützt. Bevor ich fragen kann was los ist, hat er sich bereits übergeben. Schwarzes Blut auf den hellen Fliesen. Lorcan sieht weg und atmet tief durch als würde es bei ihm auch kurz davor sein. Laurent streicht sich über den Mund und hievt sich wieder auf seine Füße. Ich sehe besorgt von ihm zu Malachi, doch dieser beobachtet weiter interessiert Laurent.
In Ilaria Gesang frage ich ihn was los ist. ‚Ich bin mir nicht sicher, aber ich habe mal gehört, dass Nicoli ihre Gefühle kaum wahrnehmen können. Sie üben sich ungeschützt auf ihren Körper aus und können nicht durch Gedanken kontrolliert werden. Ihre Angst war für sie nicht so spürbar, wie sie eigentlich sein sollte. Ihr Körper zeigt Paniksymptome, aber sie haben sie nicht kommen sehen.' Also hat Laurent sich vor Angst übergeben?
„Kommt." Sage ich und gehe dann mit Malachi vor. Es ist schon erstaunlich, dass sie kein Problem haben zu töten, aber Angst vor einer Hängebrücke verspüren. „Wir sind eine Dreiviertelstunde zu spät." Gibt Malachi an als ich an Mutters Tür klopfe. Eine große Dienerin mit hell grünen Haaren und nur leicht pigmentierten Augen öffnet uns. Wir schreiten in Stille an ihr vorbei. „Sie sind eingetroffen." Deklariert eine weitere. Meine Mutter dreht sich von ihrem Schreibtisch zu uns um. Ihr Tisch steht an der Wand. Im Raum gibt es keine Fenster. Das Licht kommt alleine von unseren Leuchtkübissen. Wir züchten sie tief im Berg, weil sie dort am hellsten leuchten. Dann ernten wir sie uns können sie als Lampen verwenden. Sie sind süße kleine Dinger und lächeln immer. Wenn man sie füttert, dann schmatzen sie genüsslich.
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Blumen sind für die Schwachen
FantasyWen wird sie heiraten? Den, der sich für sie in die Hand gestochen hat? Den, der in seinem ganzen Leben noch kein Wort mit jemandem gesprochen hat? Vielleicht den, der so ist wie sie? Vielleicht auch den, den keiner ihr erlaubt? Sollte sie einfac...