Der Professor war nicht auf die eiskalte Nachtluft vorbereitet gewesen, die ihm jetzt ins Gesicht schlug. Für einen Moment hielt er inne, blinzelte und versuchte sich an die Dunkelheit zu gewöhnen. Liya...Liya... Liya! Er musste...
Verdutzt sah er auf die Stufen vor sich, wo eine regungslose Gestalt saß. Sie hatte ihre Arme um sich geschlungen, um zumindest an etwas Wärme zu gelangen. Das Zittern am ganzen Körper zeigte allerdings, dass dies ungefähr genauso effektiv war wie ein Pflaster auf einer Durchschusswunde. Eins war dem Professor aber schmerzlich bewusst. Wenn sie nicht schon vorher aufgegeben hatte, dann war dies spätestens jetzt geschehen. Sie wusste zwar, wo sie war aber ihr Kopf war wie leergefegt. Ihr Körper gehorchte ihr nicht mehr und sie wollte auch gar nicht aufstehen. Der Gedanke, hier und jetzt zu erfrieren, schien ihr auf einmal gar nicht mehr so abwegig vorzukommen.
Als sie aus dem Haus des Professors gestürmt war, hatte sie noch zwei Schritte machen können und war danach auf der Treppe zusammengebrochen und dort saß sie nun. Wie durch eine dicke Watteschicht nahm sie wahr, dass sie zitterte und irgendwas Klebriges an ihrer Wange herunterlief, ob Blut oder Tränen, da war sie sich selber nicht ganz sicher. Was hätte das auch ausgemacht? Die Leere in ihr hatte sie nun endgültig aufgefressen und das letzte Hoffnungslicht war erloschen. All ihre Sachen waren im Zimmer und dort hatte Jake jetzt schon mindestens einer seiner Spitzel aufstellen lassen. Das hieß im Umkehrschluss, dass sie weder Geld noch einen Platz zum Schlafen und erst recht keinen hatte, der ihr zur Seite stand. Ihren letzten Ausweg hatte sie sich selbst mit dem, was sie gesagt hatte, zugemauert.
Starke Schluchzer schüttelten Liya, während ihr diese Erkenntnis so klar wurde wie nie zuvor.
Sie hatte keine Chance mehr. Der einzige Ausweg, der ihr jetzt noch blieb, war ihr eigenes Leben zu beenden, bevor Jake sie fand und diese Angelegenheit dann in seine Hände nahm.
Die Taubheit in ihrem Körper wurde nur noch stärker und die Geräusche in ihrer Umgebung nahm sie schon lang nicht mehr wahr. Wenn es das war, was sie vor Jake in Sicherheit brachte, dann musste sie jetzt aufstehen und...
Eine warme Hand legte sich sanft auf ihre Schulter und eine andere Hand erschien in ihrem Sichtfeld. Erst nahm sie diese Hand nur verschwommen wahr, dann nach wenigen Minuten etwas schärfer.
»... nochmal...? ... Liya?... Bitte?... ... ...«
Sprach jemand mit ihr? Langsam blinzelte die junge Frau erst einmal und dann ein zweites Mal. Nichts... Es waren nur ihre eigenen Gedanken gewesen, die ihr einen bösen Streich gespielt hatten. Hoffnung war wohl das schlimmste Gefühl, wenn man sich in so einer aussichtslosen Situation befand wie sie. Am liebsten hätte Liya laut geschrien, aber genau dieser Schrei blieb ihr in der Kehle stecken.
»Hör zu... .... Leid... Probieren?«
Warum konnten sie ihre eigenen Gedanken nicht einfach in Ruhe lassen? Sie hatte gerade alles verloren und doch wollte ihr Gehirn ihr vorgaukeln, dass sie noch eine Chance hatte? Grausamer konnte ihr das Leben nicht mehr mitspielen.
»Oh Liya...«
Die Stimme in ihrem Kopf klang enttäuscht. Beinahe wäre ihr ein hohes Lachen entglitten. Schon beinahe lustig, wie der eigene Kopf mehr Schaden anrichten konnte, als alle umliegenden Menschen es jemals konnten.
Auf ihrer Schulter war auf einmal ein seltsamer Druck, von dem eine beruhigende Wärme ausging. Verwirrt blinzelte sie und langsam schienen die Geräusche in ihrer Umgebung wieder lauter zu werden. Sie hatte nicht gewusst, dass es möglich war, die Umgebung so derartig auszublenden.
Der kalte Wind, welcher sie nur noch stärker zittern ließ, rauschte leicht in den Baumwipfeln des Waldes und in der Ferne konnte sie einen Uhu rufen hören.
DU LIEST GERADE
Professor Hiddleston
FanfictionAls Liya nach den Semesterferien ins fünfte Semester ihres Studiums startet hätte sie nie gedacht, wie es sich entwickeln würde. Sie ist eine hervorragende Studentin aber der neue Literaturdozent Professor Hiddleston scheint ihren Traum vom 1,0 Absc...