"Bauch Und Kopf"-OneShots

Zu gut

Meine liebste @Patricia_Raven hat diesen wunderschönen OS zum Konzert gestern in Hamburg geschrieben. Was man davon gesehen hat, war wirklich zu herzergreifend. Entsprechende Videos könnt ihr auf Instagram finden, das Foto ist von mir aus Neu-Ulm 2022.
Wart ihr auf einem der BOATS-Konzerte? Ich liebe diese neue Show, könnte sie mir jeden Tag ansehen 🙈🤪

Eure Reniawen

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01.10.2022, Hamburg

Ingo (Patricks Bodyguard, d.Autorin)

Es hat heute doch alles so gut begonnen.
Bestens gelaunt steht Patrick nachmittags am Buffet des Caterings und witzelt ein wenig mit Steve und Christian herum. Auch die anderen Bandmitglieder sind bereits im Backstage der Barclays Arena versammelt, Adam und Carlos helfen einem Crewmitarbeiter beim Herumtragen eines Keyboards, während Theodora sich angeregt mit Mark unterhält. Kurz sehe ich einfach dem Treiben zu und bemerke amüsiert, wie Mark sichtlich ein wenig Mühe hat, dem englischen Redeschwall der aufgeweckten Irin zu folgen, mit der es sich auch schon vor dem Konzert in München bestens unterhalten hat. Natürlich ist Mark heute mit nach Hamburg gekommen, um Patrick bei diesem vorerst letzten Konzert der B.O.A.T.S. Tour emotional zu unterstützen.

Routiniert sehe ich mich zum gefühlt hundertsten Mal in der Halle um, in der die Vorbereitungen für das Konzert bereits wie am Schnürchen laufen. Zufrieden registriere ich, dass wir perfekt im Zeitplan liegen. Schon seit dem frühen Morgen haben unsere Ton- und Bühnentechniker alles daran gesetzt, um die Halle für den Abend konzertbereit zu bekommen, fahrtüchtigem gelben Bötchen inklusive. Die Abläufe sind ja seit Wochen immer die Gleiche, mittlerweile sitzt eigentlich jeder Handgriff auf wie hinter der Bühne perfekt. Eigentlich jammerschade, dass ausgerechnet jetzt die Tour in die Winterpause geht, wenn alle ein eingespieltes Team geworden sind.
Als Patrick, Steve und Christian verschwörerisch grinsend auf mich zukommen, ahne ich direkt nichts Gutes. »Na ihr drei, sagt mir jetzt nicht, dass ihr euch noch was spontan ausgedacht habt für heute Abend«, verdrehe ich absichtlich ein wenig theatralisch die Augen. Ich kenne meine Pappenheimer gut, vor allem natürlich Patrick und Christian, und weiß, dass sie aus so einer ausgelassenen Stimmung heraus manchmal auf die verrücktesten Ideen kommen.
»You got us«, blickt Patrick ebenfalls absichtlich schuldbewusst drein und setzt anschließend seine beste Unschuldsmiene auf. »Actually, I'm innocent, it was Steve this time, er hatte die Idee für eine Acoustic Version von Earthquake, speziell für heute Abend.«
Erneut verdrehe ich die Augen, habe ich doch mit meiner Vermutung ziemlich richtig gelegen. »Jungs, eurer Kreativität aller Ehren, aber ihr wisst schon, dass alles, selbst die Kamerafahrten für die Leinwände, für heute Abend schon fertig programmiert sind? Habt ihr zumindest Ulli gefragt?«, frage ich und blicke mich hilfesuchend nach Ulrich um, der bei der ganzen Konzertorganisation hier das Sagen hat.
»Please Ingo, don't tell Ulli, we want to surprise the Crew, that's why we told you and not him«, grinst Steve mich da an und ich seufze resigniert auf, natürlich, was auch sonst. »We need your help, to distract him while we are practicing.«
So wie die drei vor mir stehen und mich hoffnungsvoll mit Bettelaugen anschauen, kann ich dann aber doch nicht nein sagen. Man kann schließlich auch einem Kind nicht sein Eis wegnehmen. »Okay, okay, geht klar«, gebe ich mich also geschlagen und rufe schnell die restliche Band zur Besprechung zusammen. »Adam, Carlos, guys, do you have a moment? Und Mark, könntest du uns vielleicht mal deine Theodora einen Augenblick entbehren?« Ein süffisant-zufriedenes Grinsen kann ich mir dann bei Patricks kurzem aber bösen Blick in meine Richtung nicht verkneifen. 1:1; Ausgleich für mich.

Mark

Natürlich lasse ich Theo nicht allein zu Ingo und den Jungs gehen, ich will schließlich auch wissen, was los ist. Es stand natürlich gar nicht zur Debatte, ob ich heute mit nach Hamburg komme oder nicht. Für Paddy sind normalerweise gerade das erste und das letzte Konzerte einer Tour sehr emotional und da bin ich dann auch besonders für ihn da. Heute habe ich zu meiner Überraschung aber überhaupt noch nichts gemerkt, er ist schon seit heute Morgen total gut drauf und entspannt. Für gewöhnlich verbringt er gerade an solchen Tagen gerne Zeit mit mir allein, um vor der Show ein wenig runterzukommen und sich mental auf den Abend vorzubereiten. Aber es ist für mich natürlich auch völlig okay, dass er heute scheinbar eher den Kontakt zu seinen Jungs sucht. Ich habe ihn ja ab morgen wieder allein für mich. Umso besser also, dass ich mit Paddys neuen Bandmitgliedern super klarkomme, sie sind alle echt cool und besonders mit Theo bin ich irgendwie voll auf einer Wellenlänge. Sie erinnert mich in vielem total an meine Schwester, und ich glaube, dass die beiden richtig gute Freundinnen wären. Natürlich ist auch Theo sofort Feuer und Flamme von der Idee der Jungs, am Abend spontan eine akustische Version von Earthquake zu performen und so ist die geheime Änderung im Programm schnell beschlossene Sache. Schnell gebe ich Paddy noch einen Kuss, bevor er sich mit der Band zu einer Zusatzprobe zurückzieht. Gerne hätte ich noch ein wenig Zeit alleine mit ihm verbracht, aber so folge ich eben Ingo rüber in die Halle, um mit ihm unseren Teil des Plans zu erfüllen: Mission Ulli ablenken.

Als ich schließlich eine gute Stunde später mit Ingo zurück ins Backstage komme, um mal nach Paddy und der Band zu sehen, begegnet uns ein wahres Spektakel. Offensichtlich war ihre Probe durchaus von Erfolg gekrönt, denn die Sechs grooven lachend und vor sich hin singend durch den Gang, nur Carlos spielt Gitarre. Paddy strahlt mich richtig an, als er uns kommen sieht und Ingo neben mir zückt sofort grinsend sein Handy, vermutlich um das Geschehen für Social Media festzuhalten. Ein bisschen unheimlich ist mir Paddys fast überdreht gute Stimmung schon, aber irgendwo freue ich mich auch einfach nur für ihn, dass er heute scheinbar so locker ist und er mit seiner Band so viel Spaß hat.

Ingo

Auch schon bevor Mark mich besorgt darauf angesprochen hat, ist mir natürlich aufgefallen, dass Patrick heute besonders extrovertiert und überdreht ist. Zumindest in den letzten paar Stunden vor einem Konzert ist das bei ihm wirklich eine Seltenheit, für Gewöhnlich zieht er sich in dieser Zeit eher zurück und genießt seine Ruhe. Gerade auch dann, wenn Mark extra für ihn gekommen ist. Dennoch gibt es für mich keinen Anlass, um ernsthaft beunruhigt zu sein, Patrick geht es schließlich sichtlich gut und er startet auch wie gewohnt energiegeladen mit Diamonds & Metals ins Konzert. Direkt im Anschluss folgt schon das neu einstudiere Earthquake und ich bin echt positiv überrascht von der schönen Version, die die Jungs und Theo in der kurzen Zeit vorhin zusammen geschustert haben. Auch den Fans scheint es wirklich zu gefallen und ich kann mir gut vorstellen, dass Patrick auch im nächsten Jahr diese Version das ein oder andere Mal spielen wird. Natürlich hat die überraschende Planänderung hier hinter der Bühne und bei den Tontechnikern für ein bisschen Wirbel gesorgt, aber zum Glück sind bei uns echte Profis am Werk, die schnell reagiert haben und die Lautstärke des Bandmikros perfekt an Patricks Mikro angepasst haben. Die nächsten Songs verlaufen dann wieder genau wie geplant und auch das Publikum macht heute bei Bigger Life, Golden Age und Best Bad Friend richtig Stimmung. Schnell sind wir schon bei America angelangt, für das die Band nach seinem Solosong I'm on fire wieder zurück auf die Bühne kommt. Immer noch gibt Patrick alles, legt all seine Energie in den rockigen Song, während im Hintergrund auf der Leinwand passende Bilder in schwarz/weiß eingeblendet werden, die ich von meiner Position am Bühnenrand allerdings nicht sehen kann.

Wie immer folgt darauf Paragliding mit seiner Lichtshow und ich kann sehen, dass Mark nun auch von der anderen Bühnenseite aus zuschaut. Schon bei den ersten Zeilen merke ich, dass Patrick den Song heute mit besonders viel Hingabe singt, spürbar mehr als bei den letzten paar Konzerten. Auch das Publikum scheint den besonderen Moment zu spüren, denn ich sehe deutlich weniger Handykameras aufblitzen als sonst. Das Lied neigt sich schon dem Ende zu, als seine Stimme auf einmal wegbricht und er einfach zu singen aufhört. Entsetzt kann ich nur dabei zusehen, wie er komplett die Fassung verliert und mitten auf der Bühne bitterlich zu weinen anfängt, er schafft es gerade noch irgendwie, weiter Klavier zu spielen.

Auf der anderen Bühnenseite sehe ich Mark, der sich mit alarmiertem Blick fast so weit auf die Bühne vorwagt, dass man ihn im Publikum sehen kann. Prompt schicke ich ein Stoßgebet, dass er dem Drang widerstehen kann zu Patrick zu rennen, aber verstehen kann ich ihn bestens. Auch ich würde Patrick gerade am liebsten sofort von der Bühne runter holen, zumindest das Licht auf der Bühne weiter dimmen oder die großen Leinwände ausschalten, um ihm ein bisschen Privatsphäre zu gewähren. Nichts dergleichen passiert jedoch, tapfer singen Theodora, Carlos und Steve das Lied zu Ende und das Publikum applaudiert zurückhaltend. Mit den letzten Takten geht dann endlich das Licht aus.
Gespannt halte ich den Atem an, ich rechne immer noch jede Sekunde damit, dass entweder Patrick von der Bühne rennt oder Mark sich nicht mehr beherrschen kann, der mit tief betroffenem Gesicht mir gegenüber auf und ab tigert. Auch Theodora wartet rücksichtsvoll ein paar Sekunden mehr, bis sie schließlich die Melodie von Boats anstimmt, die jeden Abend das Einschweben der Peacebell ankündigt.

Als das Licht nach wenigen Sekunden wieder angeht, ist von dem Zusammenbruch nichts mehr zu sehen. Patrick ist eben doch ein Profi und hat es geschafft, sich innerhalb von Sekunden wieder zu beruhigen und sein wahres Gesicht hinter einer Maske zu verbergen. Ganz offenbar hat er sich also dazu entschieden, einfach weiter zu machen. Was habe ich auch anderes erwartet, Patrick kann so unglaublich stur sein. Auch Mark fasst sich für einen Moment seufzend an die Stirn, bevor er auf einmal mit einem ernsten Blick zu mir hinüber schaut. Ganz als wolle er mir damit sagen, was auch ich gerade selbst begriffen habe: Patricks Stimmung vorhin, sie war nicht gut, sie war zu gut.