CHAPTER TWENTYFOUR: Gefahr

42 8 2
                                    


Die Dunkelheit umhüllt mich, wie ein schützendes Schild, während ich mit vorsichtigen, aber schnellen Schritten weiter husche. In meinem Kopf kreisen die Gedanken so durcheinander, dass mich ein leichtes Schwindelgefühl überkommt, aber ich versuche mich nicht darauf zu konzentrieren, sondern meine Sinne zu schärfen und sie völlig auf meine Umgebung zu richten. Es ist schwer für mich nicht einfach umzudrehen und mich dem Bedürfnis hinzugeben wieder bei Steve und Dustin zu sein. Mein Überlebensinstinkt schreit danach mich zurück hinter die schützenden Mauern zu begeben; dennoch zwinge ich meine Füße weiter in die andere Richtung. Die Wut lodert noch in mir; wie eine zierliche Flamme kocht sie dahin – heiß und zerstörerisch. Sie sorgt dafür, dass ich weiter gehe und ausblende, dass ich mich alleine in der Finsternis, völlig verloren fühle. Mein Entschluss steht fest und ich hoffe so sehr, dass ich es rechtzeitig schaffe, bevor sich die anderen in Gefahr begeben. Ich möchte diese Menschen beschützen – sie alle, obwohl sie noch nicht lange Teil meines Lebens sind. Allein der Gedanke daran, dass einem von ihnen etwas zustoßen könnte, treibt mir ein Brennen in die Augen.

Ich blinzle ein paar Mal um die Tränen zu vertreiben und marschiere weiter. Das Wetter spielt mittlerweile völlig verrückt. Immer wieder wird die Stille von tiefem Donnergrollen durchbrochen und es hat angefangen zu regnen. Um mich herum scheint der Himmel zu explodieren, als abermals rote Blitze über den Himmel zucken. Es ist ein unheilvoller, grausamer Anblick, der mir eine Gänsehaut über den Körper jagt und mir nur noch deutlicher macht, in was für einer Gefahr wir eigentlich alle schweben.

Du schaffst das, Megan, sage ich; immer wieder, um mich selbst zu beruhigen. In Dauerschleife spiele ich die Worte ab, bis meine Gedanken sich anhören, wie eine kaputte Schallplatte. Schon bald bin ich an dem Ort, wo die Fledermäuse uns überrascht haben, als sich der Himmel noch weiter zu zu ziehen scheint. Es wird dunkler; so dunkel, dass ich fast nichts mehr sehen kann, aber ich traue mich nicht die Taschenlampe anzuschalten. Stolpernd bleibe ich stehen und kneife die Augen zusammen, bis sie sich zumindest ein wenig an die Dunkelheit gewöhnt haben. Als ich schließlich einigermaßen klar sehen kann, stelle ich fest, dass es gut ist, dass ich mich nun so genau umsehe, denn vor mir, auf dem Boden, dicht aneinander schlängeln sich die todbringenden Tentakeln über die Erde. Sie scheinen sich fester aneinander gedrückt zu haben, als würden sie sich gegenseitig wärmen wollen. Ich verziehe angewidert das Gesicht und lasse meinen Blick umher schweifen um einen anderen Weg auszumachen; einen der sicherer ist, aber es gibt keinen. Weit und breit erstrecken sie sich. Sie scheinen durch Hawkins zu wachsen, wie Unkraut.

Seufzend straffe ich die Schultern, während ich einen Fuß hebe und über den ersten der Tentakel knoten steige. Adrenalin rauscht mir durch die Adern und lässt mein Herz schneller schlagen. Ich atme tief aus, als ich dahinter zum stehen komme. Kurz lausche ich, um mir ganz sicher sein zu können, dass es gut gegangen ist. Es bleibt still. Die Erleichterung darüber hält jedoch nur kurz an und verschwindet sogleich wieder. Mir wird nur zu deutlich bewusst was für einen Weg ich noch vor mir habe und dass ich keinesfalls so schnell beim Auto ankomme, wie gehofft. Wenn ich überhaupt ankomme.

Einen Schritt nach dem anderen, mahne ich mich selbst zur Ruhe. Vorsichtig, wohl darauf bedacht nichts von dem zu berühren, was sich vor meinen Füßen entlang schlängelt, kämpfe ich mich weiter voran, bis ich schließlich die Häuser hinter mir gelassen habe und an dem Teil ankomme, wo sich das Sportfeld der Schule erstreckt. In der Ferne erkenne ich das Gebäude, welches genauso verlassen da liegt, wie das Haus, in dem Dustin, Steve und ich uns versteckt gehalten haben. Mir kommt es so vor, als wäre das bereits Tage her, dabei sind es erst wenige Stunden.

Mit einer beiläufigen Bewegung meiner Hand, streiche ich mir meine schweißnassen Haare zurück unter die Kapuze. Zwar ist es um mich herum beinahe eiskalt; dennoch wärmt mich die Aufregung wie eine zu heiß gekochte Wärmflasche. Und trotzdem kann ich das Zittern nicht unterdrücken, welches immer wieder durch meinen Körper zuckt, wenn wie von selbst meine Gedanken zu Steve und Dustin wandern. Ich mache mir Sorgen. Das erste Mal seit sehr langer Zeit, habe ich Menschen gefunden, die mir etwas bedeuten und ich kann den Gedanken kaum ertragen, sie wieder zu verlieren.

Du wirst sie nicht verlieren.

Der Versuch mich selbst zu beruhigen, scheitert kläglich, aber ich versuche es weiter, während eine Stimme in meinem Innern mich daran erinnert, dass es unrealistisch ist, dass wir alle lebend aus der Sache herauskommen. Selbst wenn wir das hier überleben, dann ist da noch so viel mehr, was als Bedrohung über uns schwebt. Vecna ist irgendwo da draußen, da sind wir uns sicher und wir wissen, dass das alles hier; die Kälte, das Wetter, die Fledermäuse und die anderen Kreaturen nur ein Bruchteil von dem Leid sind, was uns mit großer Wahrscheinlichkeit noch erwartet. Der Tod sitzt uns so im Nacken, dass ich meine seinen kalten, leblosen Atem spüren zu können. Und dennoch – so sehr ich auch darüber nachdenke was passieren wird, ich bereue nicht mehr, dass ich nach Hawkins gekommen bin. Ich bin froh darüber, dass ich den Schritt gewagt habe und mich die erste Nacht zum Labor geschlichen habe. Dass ich dort auf Steve, Dustin, Robin und die anderen getroffen bin. Und ich bin froh, dass sie mir eine Chance gegeben haben und ich sie näher kennen gelernt habe. Fast augenblicklich muss ich an den Abend zuvor denken; an die flüchtige Berührung von meiner Hand auf der von Steve. Ich erinnere mich noch lebhaft an das Kribbeln, welches sich von meinen Fingerspitzen bis tief in mein Innerstes ausgebreitet hat und an seinen intensiven, sanften Blick, als er mir das Blut aus dem Gesicht gewischt hat.

Gedankenversunken streiche ich mir über die Stelle, an der er mich berührt hat und kann ein leichtes Lächeln nicht unterdrücken. Es ist seltsam, dass er mir so vertraut vor kommt, obwohl wir uns erst so kurz kennen. Und es ist noch viel merkwürdiger, was er in mir auslöst. Eine innere Stimme; tief in meinem Kopf verborgen, warnt mich leise, dass ich mein Herz aufs Spiel setze, aber ich ignoriere sie. Erlaube mir die Erinnerung an die Momente mit ihm noch einmal abzurufen, bevor ich sie zur Seite schiebe und mich wieder darauf konzentriere, was ich vor habe.

Ein Kreischen hallt fast zeitnah durch die Stille, die mich bis zu dem Moment umhüllt hat, als ich einen Schritt nach vorne mache. Ich komme ins Straucheln, setze einen unvorsichtigen Schritt zur Seite und stoße mit meinem Fuß gegen etwas, was sich direkt vor mir auf dem Boden befindet. Wie erstarrt bleibe ich stehen und ich muss nicht hinsehen um zu wissen, was genau ich berührt habe.

Das letzte KapitelWo Geschichten leben. Entdecke jetzt