Zögerlich steige ich aus dem Wagen. Das Haus ist weiß gestrichen und hat ein rotes Dach. Auf den Fensterbänken stehen Blumenkästen mit den letzten grünen Pflänzchen, die noch leben. Im Vorgarten steht eine kleine Bank und sonst nur Büsche oder Sträucher. Über der Tür hängt eine verzierte alte Lampe aus Bronze. Sie schaukelt ein wenig im Wind.
Harry öffnet das kleine Gartentor und ich folge ihm. Er drückt die Klingel. Keine 10 Sekunden später wird die Tür geöffnet. Eine Frau öffnet uns die Tür. Sie hat braune Haare, grün-braune Augen und hat einen beigen Wollpulli und eine Momjeans an. Als sie Harry sieht, fängt sie an zu strahlen - „Harry, mein kleiner Lieblingsbruder! Da bist du ja endlich!". Ahh, also das ist Harrys Schwester? Man muss schon sagen, dass sie sich ein wenig ähneln. „Ich hatte vorhin noch einen Termin und der ging etwas länger als geplant". - „Jaja, du immer mit deinen mysteriösen Terminen", lacht sie. Jetzt gleitet ihr Blick auf mich - „Und du bist? Eine zweite Tochter von der ich nichts weiß?". Meine Wangen werden rot - „Äh nein nein! Ich bin eigentlich auf einer Reise aber wohne seit einer Woche bei Harry". Man wieso denken alle, dass ich entweder die Tochter oder die Geliebte bin?? Ihre Gesichtszüge werden wieder weicher - „Oh entschuldige bitte. Aber bei meinem Bruder weiß man nie". Höflich lache ich mit und schaue zu Harry. Man sieht ihm an, wie unangenehm es ihm ist.
Zum Glück gehen wir dann rein. Im Flur riecht es schon nach Essen und zwar nach gutem Essen! Erst jetzt fällt mir auf, wie hungrig ich eigentlich bin. Schnell ziehe ich mir meine Schuhe aus. Als wir in die Wohnstube kommen, klappt mir fast der Mund auf. Es ist sooo schön eingerichtet! Alles passt farblich zusammen, es sieht unfassbar gemütlich aus und jedes einzelne Bild hängt perfekt an der Wand. Das Sofa ist recht groß und bildet einen Halbkreis. Der Sofatisch ist aus dunklem Holz. Er sieht selbst gemacht aus. Wahrscheinlich von Harry.
Wir folgen Harrys Schwester zum Esstisch. Er ist gedeckt, nur das Essen fehlt noch - „Ich habe die Suppe noch auf dem Herd stehen. Setzt euch einfach hin. Ich komme gleich!". Wir setzen uns. Die Stühle sind echt gemütlich. Ich lasse meinen Blick durch das Haus schweifen. Also wenn ich später ein Haus habe, dann so eins und genauso eingerichtet. Es ist einfach wunderschön!
Harrys Schwester streckt ihren Kopf durch die Tür - „Was wollt ihr zwei trinken?". „Ich nehme einen Tee!", antwortet Harry schnell. „Ich nehme auch einen." - „Alles klar. Kommt sofort!" - „Danke...Ähm..." - „Gemma!" - „Ja, danke Gemma!". Das ist also ihr Name. Mir gefällt er.
Als alles auf dem Tisch steht, fangen wir an zu essen. Die Kartoffelsuppe schmeckt so wahnsinnig gut! Jetzt wird mir klar, woher Harry das Rezept hatte (haha schlau ist er). Wir unterhalten uns und Gemma wird mir immer sympathischer. Sie wirkt einfach so positiv gestimmt und hat einen klaren Durchblick bei den Dingen. Sie ist liebevoll und kümmert sich um die Anderen. Einfach die perfekte Schwester! Wie gerne hätte ich das mit meiner Schwester erlebt. Wir beide, zusammen Suppe essen während draußen der Herbst eintritt. Ein Gedanke, der für immer einer bleiben wird.——————————————
Am späten Abend verabschieden wir uns von Gemma und fahren in der Dunkelheit nach Hause. Ich habe mein Fenster einen Spalt offen und genieße die Nachtluft. Es tut einfach so gut! Warum kann ich nicht einfach hier bleiben? Es ist doch total schön hier und nicht weit weg von zu Hause. „Alles klar bei dir, Louisa?". Harry reißt mich mal wieder aus meinen Gedanken. „Äh jaja alles gut!" - „Du sahst vorhin schon so nachdenklich aus beim Abendessen." - „Ich hab nur an meine Schwester gedacht." - „Achso okay. Du vermisst sie, oder? Kann ich verstehen. Wenn ich für mehrere Wochen von meiner Schwester getrennt wäre, wär ich auch sehr traurig". Ich antworte nicht. Einen Moment lang ist es ganz still. Harry scheint es nicht zu stören. Ich hole tief Luft und lege los: „Meine Schwester ist vor einem halben Jahr gestorben. Schussverletzung in den Bauch. Sie war Polizistin und hat sich für ein kleines Mädchen geopfert, das entführt wurde. Kurz bevor sie gestorben ist, konnte ich noch einmal kurz mit ihr reden per Telefon. Sie hat mir gesagt, dass sie mich und meine Eltern ganz doll lieb hat und, dass sie ihr Leben geliebt und gelebt hat. Dann irgendwann hat ihre Atmung aufgehört. Wir wollten eigentlich eine Reise zusammen machen aber das hat dann leider nicht mehr geklappt. Also bin ich sie alleine angetreten. Am Anfang hatte ich echt Angst aber dann habe ich gemerkt, dass meine Schwester immer bei mir ist. Und zwar in meinem Herzen und da oben".
Ein paar Tränen kullern mir über das Gesicht. Ich wische sie schnell mit meinem Pulliärmel weg. Harry reicht mir ein Taschentuch - „Danke". Er nickt. Und erst jetzt merke ich, dass wir angehalten haben. Ich schau fragend rüber - „Wollen wir weiter fahren?". Harrys Gesicht ist ganz blass. „Das tut mir leid. Das mit deiner Schwester. Ich könnte mir kein Leben ohne Gemma vorstellen". Ich lächel ihn ein wenig an. Auf einmal lehnt er sich zu mir rüber und umarmt mich. Ich erwidert sie.——————————————
Bei Harry zu Hause angekommen, macht er mir schnell einen warmen Kakao und ich kuschel mich mit Cliff aufs Sofa. Ich finde ein paar DVD's und durchsuche sie nach einem guten Film. Als ich „My Policeman" finde, habe ich mich entschieden. Das Cover sieht gut aus und die Beschreibung klingt auch interessant. Nach ein paar Minuten ist Harry aus der Küche zurück. Mit Kakao und Keksen kommt er zum Sofa gestolpert - „Hier, damit geht es dir gleich viel besser und dir wird schön warm!". Wie kann man bitte nur eine so liebe Seele seine wie er.
Der Film ist wirklich schön und Harry spielt sogar auch mit! Am Ende war zwar meine ganze Mascara verschmiert von den Tränen aber egal.
Als wir alles aufgeräumt haben, sage ich Harry gute Nacht und gehe nach oben. Zusammen mit Cliff kuschel ich mich in mein Bett und schlafe nach wenigen Minuten ein.
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Best Friend
FanfictionLou will per Anhalter um die Welt reisen. Als sie in einem kleinen Ort landet, weiß sie erstmal nicht wohin. Aber dann kommt ein netter Mann, der sie in seinem Jeep mitnimmt. Er ist Mitte 50 und lebt alleine mit seinem Hund, in einem kleinen Haus am...