Als Harry dieses „Bitte" ausspricht, breitet sich in mir ein komisches Gefühl aus. Er klingt auf einmal total gebrochen und einsam. Seine Augen schauen mich tieftraurig an. Wie kann ich denn jetzt noch sagen, dass ich weiterziehe und nicht hierbleibe?? Will ich das überhaupt? Eigentlich ist es hier doch total schön und Harry ist wirklich nett. Ich atme einmal tief ein und aus - „Okay. Ich bleibe hier". Harrys Augen fangen wieder an zu funkeln. Er kommt mir näher, umarmt mich fest und flüstert mir ein erleichtertes „Danke" ins Ohr. Ich nick einfach nur und erwidere die Umarmung. Man merkt, dass er sie wirklich gebraucht hat. Irgendwann lösen wir uns voneinander und er lächelt mich breit an.
Als er wieder nach unten verschwunden ist, packe ich die bereits eingepackten Sachen wieder aus. Wenn ich ganz ehrlich bin, bin ich relativ froh, dass ich doch hier bleibe. Dieses ständige per Anhalter fahren und immer wieder das Risiko auf der Straße schlafen zu müssen. Da wohne ich doch lieber hier.
Ich mache mein Bett und stelle ein Bild von mir und meiner großen Schwester auf den Nachttisch. Es ist immer dabei. Sozusagen mein kleiner Glücksbringer. Nachdem ich dann auch noch das Fenster geöffnet habe, gehe ich nach unten. Dort werde ich von Cliff laut bellend empfangen. Harry kommt um die Ecke und lehnt sich an den Türrahmen - „Er will spazieren gehen. Ich muss eh noch was besorgen im Ort. Wenn du willst, kannst du mit uns kommen", sagt er erfreut. Ich nicke schnell. Na klar will ich mitkommen!
Nach nicht einmal zehn Minuten sitzen wir schon in dem Jeep. Harry und ich beide vorne und Cliff hinten auf der Rückbank. Als wir los fahren, deute ich fragend auf das Radio. Harry nickt und drückt den An-Knopf. „Ich weiß nicht wie dieser Radiosender heißt aber die lassen echt immer gute Musik laufen", sage ich überzeugt zu Harry. Er schaut zu mir rüber und lacht - „Ich muss dich leider enttäuschen aber das ist kein Radiosender". Ich schaue ihn fragend an - „Nicht?" - „Nein! Das ist von meiner ehemaligen Band", antwortet er lachend. In meinem Kopf bilden sich immer mehr Fragen. „Habt ihr das alles damals aufgenommen?" - „Ja natürlich. Wir haben sogar mehrere Alben rausgebracht und auch mehrere Awards gewonnen!". Meine Augen weiten sich. Okay stop. Als er meinte, dass er früher mal in einer Band war, dachte ich wie gesagt an eine mini Schulband aber dass es sich hier um eine weltbekannte Band handelt....okay wow! Harry hat anscheinend gemerkt, dass ich das nicht erwartet habe. „Du dachtest wahrscheinlich an eine kleine Schulband, oder?", fragt er und ich nicke langsam. Zögernd frage ich ihn „Wie hieß denn die Band?". Ich habe wirklich ein wenig Sorge, dass sich herausstellt, dass ich bei einem ehemaligen Superstar gelandet bin - „One Direction", antwortet er knapp und reißt mich aus meinen Gedanken. Als er diesen Namen ausspricht, rattert es in meinem Kopf. Warte mal, ich habe das schonmal irgendwo gehört. Und dann fällt es mir aufeinmal wieder ein....oh fuck. Das Bild oben in meinem Zimmer hatte mir meine Mom vor einiger Zeit gezeigt. Ich habe es nicht direkt erkannt, weil es schon ein wenig her ist aber trotzdem war da etwas die ganze Zeit in meinem Kopf. „Alles gut bei dir?" - „Äh ja. Ich habe nur kurz überlegt, weil ich den Namen schonmal irgendwo gehört habe und dann ist es mir wieder eingefallen." - „Wo denn? Also wir waren eine wirklich sehr bekannte Band aber das ist schon ein bisschen her..." - „Meine Mom hat mir von euch erzählt. Sie war damals ein riesen Fan. Und das Bild, das oben in meinem Zimmer hängt, hat sie mir damals gezeigt". Harry nickt. Ich lasse mich langsam wieder in den Autositz fallen und muss erstmal meine Gedanken sammeln.
Den restlichen Tag verbringen wir im Ort und dann auch noch im Wald, damit Cliff auch nochmal ein bisschen Bewegung bekommt. Wir unterhalten uns über alles mögliche. Er fragt mich, wie ich zu dieser Reise gekommen bin und was meine Ziele sind usw. Es ist wirklich ein sehr angenehmes Gespräch und Harry hört mir mit seiner ganzen Aufmerksamkeit zu. Irgendwann machen wir uns dann aber wieder auf den Weg nach Hause. Es ist schon dunkel, als wir bei ihm ankommen. Draußen ist es ziemlich kühl aber hier im Haus ist es warm und gemütlich. Wir hängen unsere Jacken an die Garderobe und ziehen uns die Schuhe aus. „Hast du Hunger?", fragt mich Harry. „Und wie!", antworte ich total erschöpft. Sofort begibt sich Harry in die Küche und fängt an etwas zu kochen. Egal was es ist, ich werde es essen. Mein Hunger ist einfach zu groß.
Eine halbe Stunde später sitzen wir dann am Tisch und essen Nudeln mit Salat. Es schmeckt wirklich ziemlich gut! Aber das könnte auch einfach an meinem Hunger liegen. Wir unterhalten uns über viele Dinge. Aber vorallem über Harrys Karriere als Solosänger. Total interessiert höre ich ihm zu. Er erzählt von seinen Konzerten, Fans und von seinen Lieblingsmomenten. „Das klingt wirklich nach einer tollen Zeit! So als ob einfach alles perfekt gewesen wär und alles passt zusammen", sage ich dann irgendwann. Er lacht ein wenig - „Ja das denkt man. Und zum Teil ist es ja auch so. Aber leider nicht immer. Vorallem früher in der Band war es nicht so. Unser Management war....naja, sehr hart zu uns. Wir waren kleine Teenager, die einfach nur Musik machen wollten. Unseren Fans hat es gefallen und wir waren für sie wichtig. Weißt du, wir haben manchen Leuten sogar das Leben gerettet. Menschen, die am Ende waren, keinen Sinn mehr gesehen haben und es einfach nur beenden wollten. Das ist wirklich ein unvorstellbares Gefühl und jetzt mehrere Jahre später begleitet es mich jeden Tag in meinen Gedanken. Das alles ist so wunderschön aber....unserem Management war es nie genug. Es musste immer mehr sein. Wir als Person haben gar keine Rolle gespielt. Es ging auch nicht um unsere Stimmen, sondern einfach darum, Profit zu machen und einfach so viele Fans wie möglich zu haben. Um Macht und Geld. Und das ist unfassbar traurig. Es wurde auf unserer Psyche herum getrampelt und es wurde uns eingeredet wir seien nicht genug, nichts wert. Einer von uns wurde als schlechtester Sänger dargestellt. Alle haben auf ihm rumgehackt mit Worten. Sie haben ihn psychisch an seine Grenzen gebracht. Und auch als seine Mutter starb, hat ihm niemand geholfen. Ein anderer wurde ebenfalls psychisch fertiggemacht. So, dass er eine Essstörung bekam. Er wollte nichts mehr essen oder trinken. Der ganze psychische Terror ging so lange bis er dann die Band irgendwann verlassen hatte. Für jeden war das natürlich ein Schock aber im Grunde hat er es geschafft, als erstes aus diesem toxischen Kreis rauszukommen. Für mich war es aber trotzdem nicht leicht denn ich wusste nicht wo er hingeht. Ich konnte nicht mehr darauf achten, dass er jeden Tag genug isst und trinkt. Kommt er alleine zurecht mit den Folgen von diesem psychischen Terror. Das alles wusste ich nicht und ich hatte einfach Angst irgendwann diese eine Nachricht zu bekommen. Aber ich durfte meine Traurigkeit nicht öffentlich zeigen. Keine Schwäche zeigen als Mann. Mir wurde gesagt, ich solle einen Witz bringen wenn über ihn geredet wird. Es war eine schöne Zeit und ich habe sehr viel erlebt. Dafür bin ich sehr dankbar. Aber es war auch hart und hat mich sehr viel Kraft gekostet...."
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Best Friend
FanfictionLou will per Anhalter um die Welt reisen. Als sie in einem kleinen Ort landet, weiß sie erstmal nicht wohin. Aber dann kommt ein netter Mann, der sie in seinem Jeep mitnimmt. Er ist Mitte 50 und lebt alleine mit seinem Hund, in einem kleinen Haus am...