Bester Freund

15 1 0
                                    

Ich liege auf meinem Bett. Die Hände hinter den Kopf auf das Kopfkissen gelegt. Meine Gedanken sind ganz frei und friedlich. Draußen scheint die Sonne und Laub wird auf der Straße aufgeweht. Ich habe mir eine Kerze angemacht. Das ganze Zimmer riecht nach Vanille. Draußen ist es kalt und windig aber hier drinnen ist es warm und kuschelig. Es klopft an die Tür. Es ist Harry - „Kommst du runter? Es gibt Abendessen." - „Ja ich komme! Bin gleich unten". Er lässt die Tür einen Spalt offen. Dadurch kann ich den herrlichen Geruch des Essens riechen. Ich weiß nicht wie er das macht aber jedesmal wenn er kocht, riecht es wie in der Gottesküche. Einfach ein Traum.

Ich ziehe mir meine Wollsocken an und gehe die Treppe hinunter. Je näher ich der Küche komme, desto besser riecht es. Es gibt Kartoffelsuppe. Und zwar die beste, die ich je gegessen habe. Ich nehme zweimal nach und als ich mich zum dritten auf den Weg machen will, lacht Harry - „Das ist jetzt schon das dritte Mal. Hast du den ganzen Tag denn nichts gegessen?". Ich merke, wie mein Gesicht wärmer wird. Verlegen suche ich nach einer Antwort - „Ähm also doch. Die Kartoffelsuppe ist nur so unfassbar lecker und ich kann einfach nicht genug bekommen". Harry lacht wieder ein wenig - „Na dann hol dir noch was. Es freut mich, wenn es dir schmeckt!". Wie ein kleines Kind grinse ich und husche in die Küche.

Nach dem vierten Nachschlag bin ich komplett satt. Bis morgen früh werde ich nichts mehr essen. Wir bleiben noch ein wenig am Tisch sitzen um zu verdauen. Dabei unterhalten wir uns wieder. Ich habe es schonmal gesagt aber Harry ist wirklich der beste Gesprächspartner überhaupt. Er hört einem immer aufmerksam zu und zeigt seine Interesse. Aber auch er hat spannende Dinge zu erzählen.

Als wir so gut wie jedes Thema ausführlich beredet haben, stehen wir auf und räumen den Tisch ab. Bzw trage ich es in die Küche und gebe es dann dort Harry, der das Geschirr in die Spülmaschine tut. Salz und Pfeffer räume ich weg. Mittlerweile kenne ich mich in Harry's Küche aus und weiß, wo was hingehört. Dann füttere ich auch noch schnell Cliff und tausche sein Wasser aus. Keine Ahnung ob ich die Einzige bin, die Tiere gerne beim fressen beobachtet? (Same girl mach ich iwie auch gerne hahah). Als er fertig ist, rennt er zur Haustür. Er will spazieren gehen - natürlich. Harry und ich ziehen uns unsere Jacken und Schuhe an während Cliff ungeduldig vor uns sitzt. Sein Blick deutet darauf hin, dass wir uns wohl beeilen sollen. Kaum sind wir draußen, springt er wie ein Welpe durch den Laubhaufen, den ich vorhin zusammengekehrt hatte. Die Blätter fliegen auf und landen überall - na toll. Zwei Stunden Arbeit waren umsonst. Und wie erwartet lacht Harry laut auf. Ich versuche ernst zu bleiben aber muss dann irgendwann auch mitlachen. Wenigstens hatte Cliff seinen Spaß.

Wir gehen durch ein kleines Waldstück. Es ist bereits dunkel geworden aber zum Glück stehen hier ein paar Laternen. Irgendwann enden die Bäume und wir stehen vor einer riesen großen Wiese. In der Mitte steht ein Baum. Die langen Äste hängen hinunter und sehen so aus, als würden sie irgendetwas verstecken. „Ist das eine Trauer Weide?", frage ich Harry und er nickt. Wir gehen näher heran. Als wir davor stehen, komme ich aus dem Staunen nicht mehr heraus. Der Baum ist riesig! Er sieht so majestätisch und geheimnisvoll aus. Wie in einem Elfenfilm. „Ist der Baum irgendwie besonders?" - „Kann man sagen. Es werden einige Geschichten erzählt. Aber vorallem eine: Wer sich unter diesem Baum küsst, wird für immer glücklich zusammen sein. Für immer und ewig. Aber ich glaube nicht wirklich daran..." - „Wieso nicht? Erfahrung?", rutscht es mir aus meinem Mund raus. Sofort halte ich mir meine Hand vor den Mund. Wie kann ich nur sowas fragen. Man ey.

Harry lacht ein wenig. Er wendet seinen Blick auf den Baum. Seine Stimme wird ruhiger und klingt leicht traurig - „Bei uns hat es nicht funktioniert." - „Oh das tut mir leid". Und wieder lächelt er aber diesmal sieht man, dass es kein fröhliches Lächeln ist. „Ich habe hier immer mit meinem besten Freund rumgehangen, weißt du. Wir haben uns mit einer Decke unter die Trauer Weide gelegt und dann dabei Musik gehört oder selber welche gemacht. Er hat mir zum Beispiel auch gezeigt, wie man Gitarre spielt. Und manchmal haben wir einfach nur dagelegen und in die Baumkrone geschaut. Niemand hat gesprochen aber das brauchten wir auch nicht. Manchmal haben wir sogar unsere Hände dabei umschlungen. Wir haben uns so wohl gefühlt und waren frei. Dieses Gefühl ist unersetzbar und ich habe es so nie wieder gespürt." - „Das war bestimmt ein toller bester Freund!" - „Ja, das war er...."

Auf dem Heimweg reden wir nicht. Ich bin zu sehr konzentriert auf das, was Harry vorhin gesagt hat. Ob diese Legende wirklich stimmt? Aber wieso hat es dann bei ihm nicht funktioniert? „Wie hieß dein bester Freund von damals?", frage ich und breche damit die Stille. Harry wendet seinen Kopf zu mir und seine Augen fangen an zu funkeln. Dann schaut er auf den Boden und wurstelt mit seinen Füßen im Laub herum - „Louis. Aber sein Spitzname war Lou. Genau wie deiner". Jetzt erklärt sich einiges. Deswegen hatte Harry so komisch reagiert als ich ihm von meinem Spitznamen erzählt habe. Es hat ihn an seinen damaligen besten Freund erinnert - „Das ist ja ein lustiger Zufall", sage ich mit einem überspielten Lachen. Harry schaut zu mir und versucht irgendwie zu lächeln. „Wenn es dich zu sehr an ihn erinnert, kannst du mich auch Louisa nennen". Er nickt.

Best FriendWo Geschichten leben. Entdecke jetzt