Wohnallee

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WICHTIG: Wenn ihr die Geschichte lest, macht das Lied „Lost Without You" von Freya Ridings an und lest LANGSAM. Danke und viel Spaß!

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Den Großteil der Nacht lag ich wach. Ich starrte die ganze Zeit an die dunkle Decke. Die Sache mit Harrys damaligem besten Freund Louis ging mir nicht mehr aus dem Kopf. Wie sehr muss es weh tun, seinen besten Freund zu verlieren? Diese eine Person mit der man jeden Tag verbracht hat, der man alles erzählen konnte, der man vertrauen konnte, ist einfach weg. Anstatt zusammen durch die Wälder zu rennen, läuft man nun alleine durch den kahlen Wald. Anstatt zusammen einen Film zu schauen, schaut man nun alleine einen traurigen Film nach dem anderen. Anstatt zusammen Brettspiele zu spielen, sitzt man alleine am Tisch und starrt ins Nichts. Seine Probleme und Sorgen muss man nun mit sich selber aus machen. Da ist Niemand mehr, der einen auffängt und eine Schulter zum Anlehnen hat. Man denkt, es hält für immer. Aber dann ist diese eine Person weg. Wie schafft man das nur? Wie kommt man aus dieser Einsamkeit wieder raus?

Diese Gedanken haben mich die ganze Nacht gequält. Harry wirkt auf mich nicht wirklich traurig. Er genießt sein Leben und hat ein schönes zu Hause gefunden. Seine jungen Jahre waren aufregend und er hat vieles erlebt und gesehen. Finanziell ging es ihm auch nicht schlecht. Eigentlich, ist das doch das perfekte Leben, oder? (was meint ihr?)
Tja, das dachte ich. Bis gestern Abend....

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Heute fahren Harry und ich endlich in eine Großstadt. Ich freue mich so unfassbar doll mal wieder unter Leute zu kommen! Wir brauchen etwas über eine Stunde bis dort hin. Da ich ja den Großteil der Nacht wach war, versuche ich die Fahrt über etwas Schlaf zu bekommen. Überraschender Weise, klappt es sogar. Ich verfalle in einen tiefen Schlaf.
Total verschlafen, wache ich auf. Es ist ziemlich hell. Meine Augen müssen sich erstmal daran gewöhnen. Als ich einigermaßen wieder etwas erkennen kann, merke ich, dass ich mich nicht mehr im Auto befinde. Um mich herum ist Gras. Die Grenze zum Wald, bildet einen Kreis um mich herum. Ich befinde mich also auf einer Wiese, die mitten im Zentrum des Waldes liegt. Sozusagen das Herz des Waldes. Mein Blick gleitet nach oben. Über mir bildet sich eine riesige Baumkrone. Ich stehe auf um etwas Orientierung zu bekommen. Als ich ein paar Schritte von meinem Startplatz entfernt bin, drehe ich mich um. Vor mir steht der größte Baum, den ich je gesehen habe. Mein Mund klappt auf. Okay wow, das ist krass! Aber warte mal. Auf einmal kommt mir dieser Ort aber vorallem dieser Baum, sehr bekannt vor....
Gestern stand ich schonmal hier. Und zwar mit Harry und Cliff. Aber jetzt bin ich alleine. Es ist ganz still. Man hört nur den
Wind und die Vögel aus dem Wald. Die Äste des Baumes bewegen sich leicht im Wind hin und her. Ich vernehme Stimme. Zügig drehe ich mich in die Richtung, aus der die Stimmen herkommen. Zwei Personen rennen Hand in Hand auf mich zu. Nach genauerem hinsehen, erkenne ich, dass es sich um zwei junge Männer handelt. Sie lachen und sehen unfassbar glücklich aus. Der eine macht eine kleine Umdrehung und der andere fängt ihn sanft auf. Irgendwann sind sie so nah, dass ich ihre Gesichter erkennen kann. Einer ist mir fremd aber den anderen kenne ich. Er hat stechend grüne Augen, ein breites Lächeln und seine Haare sind wild und lockig. Dieser Harry sieht deutlich jünger aus, als der jetzige (haha sorry H.). Sie müssen zwischen 16 und 18 sein. Älter definitiv nicht.
Drei Meter von mir entfernt bleiben sie stehen. Sie umarmen sich fest und vergraben ihre Gesichter in die Schulter des anderen. So verweilen sie für einige Minuten. Aber dann auf einmal löst sich der andere von Harry und nimmt Abstand. Beide schauen sich traurig an. Harry flüstert irgendwas aber ich kann es nicht verstehen. Der andere antwortet aber ebenfalls unverständlich. Dann sehe ich etwas glitzerndes in Harrys Augen. Eine Träne läuft an seiner Wange hinunter. Aber es bleibt die einzige. Ihre Hände sind immernoch miteinander verschlossen. Trotzdem stehen die beiden auf Abstand. Ist das Louis? Es würde auf jedenfalls Sinn machen. Bestimmt umarmen sie sich gleich wieder. Aber dem ist nicht so. Louis löst seine Hände von Harrys, dreht sich um und verschwindet.

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Ich schrecke hoch. Die Welt, in der ich mich gerade noch befunden habe, ist weg. Draußen huschen Bäume und Sträucher vorbei. Die Straße verschwindet unter uns. Mein Blick gleitet weiter zu Harry. Er sitzt am Steuer und schaut immer wieder kurz besorgt zu mir rüber - „Ist alles okay?" - „Jaja. Ich muss gerade erstmal nur meine Orientierung wieder finden". Ich atme tief ein und aus. „Du hast relativ fest geschlafen. Aber ich wollte dich nicht aufwecken. Hast du etwas schlechtes geträumt?" - „Joa so in der Art". Zum Glück fragt mich Harry nicht weiter aus und konzentriert sich wieder ganz aufs Fahren.
Fünf Minuten später erkenne ich schon die ersten Häuser. Und dann sind wir endlich in der Stadt. Wir fahren erstmal durch ein paar Wohnviertel. Die Häuser stehen dicht aneinander. Wie so Reihenhäuser. Aber trotzdem sieht jedes Haus individuell aus. Auf den Fensterbänken stehen Blumen und Pflanzen. Manche haben eine Fahne an ihrer Fassade hängen. Die Straße wird von vielen Bäumen geschmückt und lässt sie wie eine Allee aussehen. Auf den Fußgängerwegen laufen Eltern mit ihrem Kinderwagen herum, Omis gehen mit ihren Hündchen spazieren, hier und da ist jemand joggen und ein Kind lernt sogar Fahrrad fahren. Es ist alles so harmonisch und die Stimmung ist angenehm. Keiner ist irgendwie gestresst oder muss schnell irgendwo hin. Jeder achtet auf jeden und es wird sogar gegrüßt. Harry macht die Fenster runter und die angenehme frische Luft steigt mir in die Nase. Das tut gut.
Irgendwann wird aus der schönen kleinen Wohnallee, eine riesen große Stadt. Viele Bürogebäude, Shoppingcenter, Restaurants, Autos, viele Touristen und vorallem gestresste Leute. Es herrscht Hektik. Manche Leute haben es total eilig und rennen über die Straßen. Natürlich wird dabei auch mal eine Person angerempelt und es wird sich nicht entschuldigt. Diese Welt ist so viel anders als die kleine Wohnallee aber vorallem, total anders als der kleine Ort wo Harry wohnt.
Wir parken in einer Seitengasse und machen uns auf den Weg. Harry hat noch irgendwo einen wichtigen Termin. Er hat mich zwar gefragt, ob ich nicht lieber alleine shoppen gehen will aber ganz ehrlich, ich würde mich hier nur verlaufen. Also gehe ich bei ihm mit.
Wir betreten ein relativ edles Gebäude. Sofort kommt ein junger Mann auf uns zu - „Ah guten Tag Mr. Styles! Da sind Sie ja". Er schüttelt Harry die Hand. „Folgen Sie mir bitte". Ich weiß nicht wirklich ob ich mitkommen soll oder nicht. Und jetzt bemerkt mich der Mann auch. Er schaut leicht stutzig - „Ähm, Ihre Tochter muss leider hier draußen warten". Seine Tochter? Harry und ich sehen uns nichtmal ansatzweise ähnlich aber okay. „Sie sind lustig", lacht Harry „Das ist nicht meine Tochter". Der Mann wird rot im Gesicht. Es ist ihm sichtlich peinlich - „Oh, bitte entschuldigen Sie". Harry nickt nur und schaut dann zu mir rüber - „Ist es okay für dich hier zu warten?" - „Jaja alles gut!". Und dann verschwinden die beiden im Aufzug.
Als Harry endlich fertig ist, verabschieden wir uns von dem jungen Mann und steigen wieder in unser Auto. Ich habe keine Ahnung worum es in dem Termin ging aber das geht mich ja auch garnichts an.
Wir fahren wieder in Richtung Wohnallee aber bleiben dann überraschender Weise vor einem Haus stehen. Harry steigt aus aber ich bleibe irgendwie sitzen. Warum haben wir hier jetzt angehalten? Noch ein Termin? Die Fahrertür geht wieder auf und Harry steckt seinen Kopf durch - „Willst du vielleicht aussteigen oder lieber weiter Wurzeln schlagen?".

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