Sehnsucht nach Rache...
Krankheit des schmerzlichen Verlangens nach Gerechtigkeit eines erlittenen, oder vermeintlich erlittenen Unrechts.
_________________________________________________________________________________________________Die Sonne geht bereits unter und taucht das barock-artige, Schloss-gleiche Anwesen des etwas rundlichen, aber nicht gerade dicken Mr.Rimford's langsam aber sicher in tiefschwarze Dunkelheit. Besagtes Anwesen befindet sich nicht unweit der Stadt entfernt, liegt jedoch in Mitten des Waldes und ist damit abgeschieden genug, sodass es sich hier ungestört leben lässt. Wie sich später herausstellen wird, ist dieser Umstand maßgeblich mitverantwortlich für all das Übel, welches das Anwesen in nicht allzu ferner Zukunft heimsuchen wird.
Mr.Railey Rimford verbringt die Zeit, wie meistens bei Anbruch der Nacht, nachdenklich auf dem Barhocker sitzend und mit einem Whiskyglas in der Hand, in seinem prunkvoll eingerichtetem Wohnzimmer. Wobei „Wohnzimmer" eigentlich die falsche Bezeichnung ist. Vielmehr gleicht das weitläufige Zimmer mit seinen Bücherregalen, großen Fenstern und dem rustikalen Kronleuchter an der Decke, - um nur einige der Dinge zu benennen, - einer luxuriösen, wenn auch nicht gerade typischen, Bar. An dieser Bar sitzt Mr.Rimford in einem vornehmen Anzug gekleidet und schaut auf seinen Drink. Normalerweise ist das die Zeit, in der Mr.Rimford seine vielen Gedanken, die ihn immer und immer wieder zu beschäftigen wissen, verdrängt und zu entspannen versucht. Heute jedoch, - heute ist etwas anders... Denn das Schlüsselwort, welches Mr.Rimford's generellen Zustand wohl am besten Beschreibt, ist das, der Einsamkeit. - Mr.Rimford ist Zeit seines Lebens zum Großteil allein gewesen. Dies mag zum Einen, seines sogenannten „Berufes" wegen geschuldet sein, der mit Sicherheit die Partnersuche nicht sonderlich erleichtert hat. Und zum Anderen, hat sich Mr.Rimford diese doch sehr konfliktfreie Lebensweise am Ende selbst ausgesucht. An diesem frühen Abend ist Mr.Rimford nicht allein. Etwas Abseits, in unmittelbarer Nähe der erwähnten Bücherregale, sitzt in der Dunkelheit des Raumes ein Fremder in einem Sessel und starrt unaufhörlich hinüber zu Mr.Rimford. - Die Beine überschlagen, klimpert der Fremde, ähnlich zum rhythmischen Ticken einer Uhr, mit seinen schwarz-verzierten Cowboy-Stiefeln gegen das untere Ende der Armlehne. Dabei bohren sich die Sporen mit ihren spitzen Enden, wie Messer, immer tiefer und tiefer in den weichen Stoff des Sessels hinein. Ein unscheinbares, aber dennoch wichtiges Detail, dass es zu erwähnen gilt, ist der saubere und perfekte Zustand in dem sich die Cowboy-Stiefel befinden. - Ein Hinweis darauf, dass es sich nicht, wie Anfangs vielleicht irrtümlich angenommen, um einen praktischen Zweck zu handeln scheint, weshalb der Fremde diese Stiefel trägt. Sondern, es sich zweifelsohne um einen modischen handeln muss. Ganz im Gegensatz dazu trägt Mr.Rimford, sichtbar für alle, einen Revolver samt Holster an seinem Gürtel. Man könnte meinen, aufgrund der Kleidung der beiden Gentlemen, trägt sich das Geschehen in den goldenen Zeiten des wilden Westens zu, doch tatsächlich ist diese Annahme irreführend. Denn, wie sich auf den Patronen von Mr.Rimford's Revolver ohne Probleme erkennen ließe, schreiben wir das Jahr 1970.
Bis auf das tickende Geräusch der Sporen, welches förmlich die drückende Luft zwischen Mr.Rimford und dem Fremden zu zerschneiden scheint, ist kein anderes Geräusch zu vernehmen. Die mit Falten übersäte rechte Hand des Fremden liegt locker auf der Lehne des Sessels und bewegt sich kein Stück, während Mr.Rimford zeitgleich seine Hand zum Mund führt und einen Schluck seines kostbaren Whiskys genießt.
Genau, wie die goldene Farbe seines geliebten Getränkes, funkelt auch der silberne Ring an der Hand des Fremden. Auf den zweiten Blick lassen sich die zwei elegant geschwungenen Buchstaben „MM" auf eben diesem Ring entziffern. Dies sind zweifelsohne die Initialen des Fremden - Madlen Mortinson. „Vor ein paar Jahren... wurde ich auf eine Hochzeit eingeladen." Mit diesen Worten durchbricht er mit seiner tiefen, warmen Stimme das schier endlose Schweigen. „Die Braut: Meine Cousine. Der Bräutigam: Keine Ahnung. Vorher nie gesehen, danach auch nie wieder."
Mr.Rimford schaut währenddessen verträumt auf sein Whiskyglas und lässt Madlen seinen Moment. „Die Feier war groß. Wenn ich von groß rede, dann meine ich groß. - Eine gigantische Feier. Und auf dieser gigantischen Feier war eine Frau. Nicht nur eine Frau, natürlich waren dort auch andere... aber nur eine Frau in einem türkisen Kleid." Madlen beobachtet den verträumten Mr.Rimford mit akribischer Genauigkeit.
„Von all den Leuten dort, auf dieser Feier und von all den Formen und Farben der Kleider, die sich dort wiederfanden, war keines in diesem wunderschönen - Türkisblau - getaucht, wie dieses eine türkise Kleid dieser einen Frau." In seinen dunklen Augen spiegelt sich das Licht des alten Kronleuchters an der Decke und es scheint für einen Moment fast so, als sehe er die Momente seiner verblassten Vergangenheit vor sich
„Ich schaue also zu ihr rüber... zu dieser Frau und sie sieht mich an. - Dann tut sich etwas, dass nicht minder von Bedeutung ist...", Mr.Rimford blickt von seinem Whiskyglas auf und schaut rüber zu Madlen,"...Sie schaut an mir runter. - Sie schaut an mir runter und dreht sich weg."
Langsam aber sicher, macht sich ein Verlangen in Mr.Rimford breit. - Ein Verlangen dem er nicht länger stand halten kann und schließlich, aus einer inneren Not heraus, holt er aus seiner Hosentasche eine kubanische Zigarre. Behutsam legt er sie nicht unweit des Whiskyglases auf den Tresen.
„Während die Band also ihre Songs spielt und die Gäste fröhlich tanzen, sitze ich da an meinem Tisch und wage es erneut, über die Tanzfläche hinweg zu ihr rüber zu schauen. - Und was muss ich feststellen?!"
Aus der anderen Hosentasche zieht Mr.Rimford auf magische Weise ein stilvolles Klappfeuerzeug hervor und steckt sich die Zigarre zeitgleich in den Mund. Madlen beobachtet das Geschehen aus sicherer Entfernung und erzählt unbeirrt seine Geschichte weiter. „Sie tut es mir gleich. Ich überlege also, ob ich es tun soll oder nicht."
„Was tun?"
„Zu ihr rüber zu laufen. - Aber als die Band den nächsten Song anspielt, steht die Frau mit ihrem türkisen Kleid auf und läuft zu einer Tür. Sie läuft in ihrem eng anliegendem Kleid so elegant zum Ausgang, dass selbst aus der trockensten Wüste , feuchtfröhlich das Wasser aus dem Boden sprießen würde. Sie schwebt förmlich aus der Halle hinaus. Und damit... ist sie verschwunden." Mr.Rimford pustet genüsslich den Rauch der Zigarre in die Luft und nickt entweder aus purer Zufriedenheit, oder um sein Verständnis für Madlen zum Ausdruck zu bringen. Völlig in Gedanken vertieft, fährt sich Madlen mit seiner Hand sanft über den Mund.
„Das nennt man Ironie des Schicksals, nicht wahr?"
„Ja. - Kann schon sein."
„Aber... am nächsten Tag stand noch ein Mittagessen mit einigen Hochzeitsgästen an. Und unter den Gästen befand sich, - zu meiner positiven Überraschung, - tatsächlich auch die Frau mit ihrem türkisen Kleid. Diesmal trug sie jedoch nicht ihr Kleid, sondern einen hellblauen Rock gepaart mit einem weißen Oberteil. Doch ich wahr im Stande zusehen, dass es sich um den selben türkisen Engel handelte, den ich noch am Abend zuvor erblicken durfte."
„Was ist dann passiert?"
„Nun, ich setzte mich so hin, dass ich sie von meinem Platz aus sehen konnte. Als ich aber im Laufe des Dinners kurz auf der Toilette verschwand, um meine Blase zu erlösen, war sie danach verschwunden... und erneut saß ich da - allein." Madlen räuspert sich und schluckt.
„Das Schicksal hat sie mir erneut behutsam vor die Füße gelegt, um sie mir im nächsten Moment wieder zu entreißen."
„Ist das so?!", fragt Mr.Rimford nicht gerade ergriffen. Madlen wirft sein blondes, fast schon weißes Haar nach hinten, rückt seinen japanisch-/asiatischen Samurai-Hut zurecht und nickt Mr.Rimford kaum merklich zu. „Ja, das ist so. Doch... ich fand sie wieder."
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Faces of a strange World (Auszug)
Mystery / ThrillerEines Abends sitzt ein mysteriöser Fremder mit stylischen Cowboy-Stiefeln bei Mr.Rimford in der Wohnung und trägt ihm auf ungewöhnliche Art und Weise eine sonderbare Bitte vor. - Flashforeward - Ein paar Tage später befinden sich Daniel Panroy und...