Two

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S.v. Tessa
Der Wecker meines Handys ließ mich um 8:30 Uhr hochschrecken. Ganz ruhig, Tessa. Du hast nicht das nötige Kleingeld, um dir ein neues zu kaufen, wenn du es gleich gegen die harte Steinwand schmetterst.
Behutsam nahm ich mir das mobile Gerät und ließ den nervtötenden Alarm erlöschen.

Mit Mühe rollte ich mich aus dem, viel zu bequemen, Bett. Wer kam überhaupt auf die Idee, an einem Samstag früh aufzustehen? Diese Person sollte gelyncht werden.

Meiner Morgenroutine zu folgen, ging ich zuerst in mein Badezimmer. Ich vollzog die normalen Tätigkeiten, die ein Mensch nun mal so tat, wie Zähne putzen oder Haare kämmen und machte mich dann auf die Suche nach meiner Notfall-Dosis.

Die verrückte Suche begann im Bad, natürlich Fehlanzeige. Warum konnten Sachen bei mir nie an einem Platz stehen bleiben?
Auch im Schlafzimmer war keine Spur davon zu sehen.
Ich hasste meine Unordnung noch nie so sehr, wie in diesem Moment.
Der nächste Versuch galt der Couch, ich durchsuchte jede einzelne Ritze, der beigefarbenen Sitzgelegenheit, bis ich das Gläschen, mit einer klaren Flüssigkeit, in der Hand hielt.

So glücklich ich war, die Freude hielt nicht lange an.
Ein genauerer Blick ins Gläschen verriet mir, dass genauso viel darin war, wie in dem Gestrigen.
Na ja, vielleicht war das etwas untertrieben, es war noch deutlich mehr drin. Aber lange hielt ich damit definitiv nicht mehr aus. Vielleicht einen, maximal zwei Tage.
Ich musste definitiv zur Apotheke.

Ein Klopfen an der Tür ließ mich hochschrecken. Wer wollte mich denn bitte besuchen?

Ich stand von dem Sofa auf und ging zur bläulichen Tür, die schon ihre Farbe verlor, rüber.
"Oh, Mom! Was machst du denn hier?", fragte ich überrascht.
"Schön auch dich zu sehen, mein liebes Kind! Mir geht es sehr gut und dir?", plapperte sie drauflos und nahm mich in den Arm.

Ich hatte sie schon lange nicht mehr besucht, ich bereute es sehr, aber mir fehlte die Zeit.
Mit jungen 19 Jahren war ich bei ihr ausgezogen, das war nun drei Jahre her, seitdem verfloss der Kontakt stetig. Traurig, das wusste ich. Doch ich konnte nicht mehr bei ihr leben, ich konnte nicht mehr zusehen, wie sie drei Jobs hatte, um über die Runden zu kommen. Inzwischen hatte sie eine kleinere Wohnung, einen Job, bei dem sie mehr als genug verdiente und meine Rechnungen hatte sie auch vom Hals.

"Mir geht's blendend", log ich.
"So siehst du aber nicht aus, Tessa. Du siehst elendig aus!", autsch, danke, sowas wollte ich hören.
"Es kann halt nicht jeder so bildhübsch aussehen, wie du!"
Ich war das komplette Ebenbild von ihr. Schwarze Haare, haselnussbraune Augen, schwungvolle Lippen und eine tolle Figur. Ich hatte nur noch nicht so viele Falten, wie sie, das durfte sie nur nicht hören.

"Wärst du Pinocchio, wäre deine Nase schon meterlang! Wie sieht es hier überhaupt schon wieder aus?", tadelnd überschaute sie meine Wohnung.
Ein Grinsen bildete sich auf meinen Lippen, ich hatte bei der Suchaktion ein ganz schönes Chaos hinterlassen.
"Ich hab' mein Notfall Insulin gesucht.", presste ich mit zusammengepressten Lippen aus.
Meine Mom hasste es, wenn ich mit dem Insulin auf schmalem Fuß lebte, sie bat mir ihre Hilfe an, wollte es für mich bezahlen, doch mein innerer Schweinehund lehnte stets und ständig ab.

"Na komm, ich fahre mit dir zur Apotheke. Dann bezahle ich es dir.", ich schüttelte ablehnend mit dem Kopf.
"Wir können gerne fahren, aber du bezahlst mir nichts!", widerwillig stimmte sie mir zu.
"Bevor wir gehen, solltest du dich aber lieber umziehen!", musternd bewegten sich die haselnussbraunen Augen von oben nach unten.
Ich blickte selbst an mir herunter und stellte fest, dass ich noch meinen Pyjama anhatte.

Nachdem ich meinen Schlafanzug durch ein schwarzes Top und einer jeansblauen Shorts ausgetauscht hatte, fuhren Mom und ich zur örtlichen Apotheke.

"Oh, wie es aussieht, kann ihr Dauerrezept nicht verlängert werden. Erst in vier Tagen.", die Apothekerin schaute mich bemitleidend an.
Ihr Mitleid konnte sie sich sonst wo hinstecken, davon bekam ich auch kein Insulin.
"Okay, ähm.. Ich kann aber nicht vier Tage warten. Meine Langzeit- und Kurzzeitinsulin Vorräte sind komplett leer und mein Notfall Insulin auch fast. Es ist lebensgefährlich, wenn ich keins habe!", versuchte ich der Rothaarigen zu erklären.
Jedoch brachten sämtliche Erklärungen nichts, meine einzige Lösung war, es aus eigener Tasche zu bezahlen.

"Und wie viel würde mich das kosten?", fragte ich missmutig.
"300 $ für das Langzeit und 220 $ für das Kurzzeitinsulin."
Mir stockte der Atem, so viel verdiente ich nicht einmal in zwei Monaten.

"Was dauert denn hier so lange?", beschwerte sich jemand aus der Schlange, die sich bereits gebildet hatte.
"Es wird gleich weiter gehen!", informierte die Frau vor mir, die anderen Kunden.
"Also, wollen Sie es kaufen oder nicht?", durchbohrend schaute sie mich an.

"Tessa, was ist los? Wie viel soll denn deine Medizin kosten?", natürlich kam meine Mom dann, wenn es am unpassendsten war.
"Hier nimm das. Die Gesundheit geht immer vor!", sie drückte mir einiges an Bargeld in die Hand und verschwand wieder.

Ich zählte es schnell, um die Kunden hinter mir, nicht weiter warten zu lassen.
110 $.
"So ein Mist", versuchte die Dame zu flüstern.
"Na dann versuche ich mal die nächsten vier Tage zu überlegen!", sagte ich sarkastisch und verließ den Laden.

Moments of hopeWo Geschichten leben. Entdecke jetzt