Als die Tage vergingen wurde Nanouk immer unruhiger. Sie fragte sich, als das Ende der Woche näher rückte, ob sie erneut bei diesem grässlichen Fest teilnehmen musste, doch Saghani ließ ihr keine Nachricht zukommen. Vielleicht hatte sie bereits Verdacht geschöpft und wollte nicht, dass Nanouk sich mit Adassett verschwor, oder Adassett hatte seine Meinung geändert und sie als größeres Risiko eingestuft, als er tragen konnte.
Und so blieb sie das zweite Fest alleine in Wallheim zurück, als Saghani mit ihren Kurtisanen das stattliche Herrenhaus verließ.
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Obwohl es ein wenig stiller war, nun, da die wichtigsten Bewohner Wallheims fort waren, kam Nanouk selbst nicht zur Ruhe. Sie half in den Küchen und anschließend beim Wäsche waschen, lernte bei Ischka, doch in ihrem Kopf türmten sich Fragen über Fragen.
Sie wollte unbedingt Anuri wieder treffen, obgleich der beklemmenden Furcht in ihrer Brust, war sie dennoch der beste Anhaltspunkt, um zu erfahren, wie es Itam ergangen war und wie es Inaak hoffentlich ergehen würde. Das blutige pijjari glomm in ihren Gedanken auf und dann kräuselte sich sein Verwandter an der Wand in Adassetts Schlafgemach aus den wirren Tiefen ihres Verstandes. Wenn sie es nur zuließe, was gäbe es hier für sie? Reikis Aufforderung glitt ihr durch den Kopf, als sie die saubere Wäsche in die geflochtenen Weidenkörbe schlichtete. Folge den Lichtern, uki.
Sie wuchtete den Korb auf ihre Hüfte und stützte sich schwer atmend an der Mauer ab, als sie durch die engen Dienstbotengänge schlurfte. Meinte Ijiraq die Sterne? Gar die Welt hinter den Sternen? Sie dachte an ihre Begegnung mit Adassett zurück, als er sie durch die Welt der Geister geschoben hatte und wie sie sich ganz fremd vorgekommen war. Unpassend.
Nach der erledigten Arbeit und als sich schließlich die Nacht über die Welt senkte, suchte Nanouk rastlos Naujus Musikzimmer auf, der einzige Ort, an den es sie wie von selbst immer wieder zurück zog. Obwohl sie wusste, dass er ebenfalls auf dem Fest war, spürte sie einen sanften Stich der Enttäuschung, als der Raum dunkel und unbelebt im bleichen Mondlicht lag. Kurz war sie versucht zu seiner Leier zu gehen, sich selbst an der Melodie zu versuchen, die ihr ins Herz schnitt, doch sie brachte es nicht über sich.
Der Holzrahmen lag kalt und tot auf dem Fenstersims und ohne Naujus feine Finger, welche dem Gegenstand Wärme einhauchten, wirkte er bedrückend auf Nanouk. Sie berührte die Saite des höchsten Tons, spürte ein Kribbeln auf der Haut, als der Drang sie zu zupfen in ihr aufstieg, doch in kühler Einsicht verklang, ehe sie es dazu kommen ließ. Das hier war nicht ihre Welt, nicht ihr Weg.
Diese Wunde gehört mir alleine. Versuche nicht, sie zu schließen, denn das ist meine Bürde.
Naujus Worte wisperten durch ihren Geist, als sie schließlich zurück trat und das Musikzimmer auf leisen Sohlen verließ. Zwar mochte es ihr immer noch schwer fallen, ihren Muskeln die Geschmeidigkeit erneut beizubringen, doch sich lautlos zu bewegen hatte sie rasch erlernt. Es bedurfte einer anderen Art der Gewichtsverlagerung, als sie es mit zwei gesunden Beinen gewohnt war, doch wusste man um die Beschaffenheit der Umgebung, so konnte man sich diese zu Nutze machen.
Nanouk blieb am unteren Ende der Treppe, die hinauf zum Wallturm führte unschlüssig stehen. Sie kaute auf ihrer Lippe und lehnte sich mit klopfendem Herzen gegen die vertäfelte Wand des stillen Korridors. So sehr sie sich sträubte, wollte ein immer größerer Teil in ihr mehr wissen. Mehr erfahren, mehr entdecken und am wichtigsten, mehr verstehen. Und Adassett hatte ihr bisher die meisten Anhaltspunkte gegeben.
Ihre Hand legte sich um die kalte Türklinke aus Messing und das Metall biss sanft in ihre Haut, als wolle es ihr davon abraten. Aber sie wollte verstehen, was sich vor der Mauer zusammenbraute, woher der Akhlut kam und ob es noch mehr von seiner Sorte gab. Was Reiki mit den Lichtern meinte und wieso ihre Kennzeichnung zur Schamanin von so bedeutender Wichtigkeit sein sollte.
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[Dark Romantasy] Der Winterkönig ✓
Fantasy⫷Vergib mir, Freund, für das, was sein wird. Vergelte nicht das, was sein muss und vergiss nicht das, was uns im Bunde hält.⫸ Nanouks Welt ist eine aus Hunger, Kälte und Bitterkeit. Seit der Winterkönig vor zehn Jahren die Macht ergriffen hat, ist n...