Kapitel 6

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,,Luna, kommen Sie mal bitte?" spricht mich meine Lehrerin an. Ich stehe also auf und folge ihr in den Nebenraum, wo ich eine weitere Ansage wegen meiner mangelnden Mitarbeit, in ihrem Unterricht, erwarte. ,,Wir sollten wirklich mal sprechen." beginnt sie, wird allerdings von mir unterbrochen. ,,Ich versuche wirklich besser mitzumachen, aber es ist eben nicht so einfach, wie Sie denken." Frau Sommer dreht sich zu mir um und kommt ein paar Schritte auf mich zu, bevor sie erneut ansetzt. ,,Das ist es nicht, was ich mit Ihnen besprechen möchte." ,,Nicht?" frage ich irritiert, was sie etwas zum schmunzeln bringt. ,,Nein. Es geht um Sie und mich." versucht sie zu erklären, jedoch ohne Erfolg. ,,Worauf möchten Sie hinaus?" frage ich also genauer nach, was sie die Augenbrauen heben lässt. Ihre Mundwinkeln heben sich, als sie noch weiter auf mich zukommt. ,,Über das, was schon seit fünf Jahren zwischen uns ist." sagt sie, wodurch sich mein Herzschlag beschleunigt und gleichzeitig Panik in mir aufsteigt, verursacht nur ihre Nähe. ,,E-ehm.. b-bitte?" versuche ich möglichst neutral zu sagen, aber ohne erfolg. ,,Luna... Vor fünf Jahren sind wir uns das erste mal auf dem Gang begegnet." fängt sie an und schweift kurz in ihre Gedanken ab, bevor sie weiterspricht. ,,Ich weiß... Sie dachten, dass Sie mir nicht aufgefallen sind, aber das sind Sie. Ich habe Sie gesehen und wusste gleich, dass mich Ihre Erscheinung bis in meine Träume verfolgen wird." Meine Augen weiten sich, doch das hindert sie nicht daran, einen weiteren Schritt auf mich zu zumachen und unsere Lippen miteinander zu verbinden.

,,Ich habe mich in Frau Sommer verliebt." sind meine ersten Worte, als ich am Dienstag aufwache. Selbstverständlich hat mich diese Frau wieder bis in meine Traumwelt verfolgt. Sie hat mich geküsst... Oh man. ,,Ich muss irgendwas dagegen tun." rede ich mir ein, bin aber ratlos. Zuvor hatte ich mich noch nie verliebt, also wie sollte ich bitte über sie hinweg kommen? Die wichtigste Frage ist allerdings: Wie lange bin ich schon in sie verliebt. Natürlich hat sie mich schon bei unserer ersten indirekten Begegnung umgehauen, aber Liebe auf den ersten Blick gibt es doch garnicht. Oder? Aber selbst wenn doch, dann würde es wohl kaum auf Gegenseitigkeit beruhen, schließlich ist sie noch immer meine Lehrerin und davon abgesehen um einiges älter. Zudem ist die Wahrscheinlichkeit, dass sie auf Frauen steht, sehr gering. Aber stehe ich denn ausschließlich auf Frauen? Oder bin ich bisexuell? Vielleicht ist es auch lediglich eine Phase, die bald vorüber geht. Eine Phase, die schon mehr als fünf Jahre andauert... ,,So ein Mist!"

,,Guten..." beginnt mein bester Freund, als ich in sein Auto steige und schaue ihn skeptisch an. ,,Was denn?" frage ich, woraufhin er den Blick abwendet. ,,Hast du überhaupt geschlafen?" ,,Wie meinst du das denn jetzt?" stelle ich eine Gegenfrage. Sehe ich wirklich so schlimm aus? ,,Naja... du siehst noch ziemlich erschöpft aus. Geht es dir nicht gut?" erwidert er auf meine Frage, wodurch meine Mundwinkel sich etwas heben. ,,Ich habe etwas... naja... komisches geträumt, aber lass uns nicht darüber sprechen." versuche ich ihn abzuwimmeln, allerdings ohne Erfolg. ,,Von Frau Sommer?" Ich nicke und senke nun meinen Blick, um diesem Thema aus dem Weg zu gehen. Früher habe ich immer gerne von ihr geschwärmt, aber mittlerweile rede ich nicht mehr besonders gerne über die gesamte Situation, vorallem nicht mit Alexander. Normalerweise vertraue ich ihm alles an, aber es belastet mich zurzeit mehr, als das ich diese Gefühle genießen kann. ,,Wie wäre es, wenn wir am Freitag zusammen feiern gehen? Ich könnte noch Nora und Philipp fragen, ob sie mitkommen wollen." schlägt er vor und obwohl ich eigentlich ungern etwas mit anderen machen würde, stimme ich zu. Ablenkung wäre vielleicht keine schlechte Idee.

Während des gesamten Schultags drehen sich meine Gedanken um meinen Traum und darum, was ich gegen die entstandenen Gefühle machen kann, komme allerdings zu keiner zufriedenstellenden Lösung. Auch im Deutschunterricht schweifen meine Gedanken permanent ab, weshalb es mich kaum überrascht, dass Frau Sommer mich um ein Gespräch bittet, weshalb ich nach dem Unterricht nur langsam zusammen packe und zu ihrem Pult gehe, als sich keiner mehr in dem Klassenraum befindet. ,,Hey, super das es passt." beginnt sie relativ gelassen und packt selbst ihre Unterrichtsmaterialien zusammen, bevor sie mir ihre ungeteilte Aufmerksamkeit schenkt. ,,Was ist los?" ,,Wie meinen Sie das?" frage ich irritiert nach, obwohl mir durchaus bewusst ist, worauf sie hinaus möchte. ,,Sie waren heute wieder ziemlich abwesend. Das gefällt mir nicht." erläutert sie und schaut mich mit einer emotionslosen Miene an, was mich erschaudern lässt. Von der sonst strahlenden Miene ist nun nichts mehr zu sehen, was mir einen Stich in mein Herz versetzt. Jedoch versuche ich mir das nicht anmerken zu lassen. ,,Es tut mir leid, aber ich habe die Nacht nicht besonders gut geschlafen." Mit einem mal wird ihr Blick wieder einfühlsamer, wodurch sich automatisch mein Herzschlag beschleunigt. ,,Okay, das kann ich gut nachvollziehen. Aber ich habe das Gefühl, dass noch etwas anderes dahinter steckt..." sagt sie. Was soll ich ihr denn bitte sagen? Das ich mich in sie verliebt habe und sie mich in meinem Traum geküsst hat? ,,Sie können mit mir sprechen." bohrt sie nach, was mich aus dem Konzept bringt. ,,Nein... Nein, kann ich nicht. Das hat mir damals auch jeder gesagt und letztendlich war ich jedem egal, keiner hat mir zugehört." sprudelt es plötzlich aus mir heraus und ich würde mir dafür am liebsten eine Ohrfeige verpassen. Was ist denn nur los mit mir? ,,Damals? Wie meinen Sie das?" Oh man... da komme ich jetzt nicht mehr raus. Wieso musste ich mich auch verplappern? ,,Luna?" spricht sie mich mit besorgtem Ton an und berührt mich an meiner Schulter, was mich aufschrecken lässt. Sie nimmt ihre Hand also wieder weg und schaut mich entschuldigend an. ,,Es tut mir leid. Ich habe nicht darüber nachgedacht." Obwohl ich bezüglich jeglicher Art von Berührungen empfindlich reagiere, wünscht sich ein Teil von mir genau das von ihr, was mich aufzeufzen lässt. ,,Ist okay..." fange ich an und senke meinen Blick. ,,Ich reagiere so empfindlich auf Berührungen, weil ich..." ich schlucke. ,,weil ich von einer fremden Frau vergewaltigt wurde." Frau Sommer tritt einen Schritt auf mich zu und streicht mir sanft meine Tränen aus dem Gesicht, die sich ihren Weg aus meinen Augen gemacht haben. ,,Kann ich Sie in den Arm nehmen?" fragt sie vorsichtig, woraufhin sich zwar alles in mir zusammenzieht, ich aber trotzdem nicke. Sie legt also ihre Arme um meinen Oberkörper, wodurch mich ein lieblicher Duft umhüllt und mich zufrieden einatmen lässt. Zwar reagiert mein Körper entsprechend auf diese Geste, aber ich lasse es zu, um ihr auf diese Weise nahe sein zu können und bin von mir selbst überrascht. Ich hatte immer Angst, dass ich niemals solch etwas zulassen kann, abgesehen von Frau Klein und Alexander.

,,Ich wollte Sie nicht dazu drängen, mir das zu erzählen. Aber vielleicht hilft es Ihnen, wenn Sie solche Gesten zulassen und versuchen dagegen zu arbeiten." beginnt Frau Sommer, nachdem wir uns voneinander gelöst haben. ,,Es gibt zwei Personen, bei denen ich das kann." ,,Ach, echt?" erkundigt sie sich, woraufhin ich bestätigend nicke. ,,Ja. Es hat zwar lange gedauert, aber mittlerweile geht das ohne Probleme. Aber ich danke Ihnen." Sie schüttelte protestierend den Kopf. ,,Ach Quatsch! Dafür müssen Sie sich doch nicht bedanken." Sie schultert ihre Tasche, was ich ihr gleich tue. ,,Wie ich schon gestern gesagt habe: das bin ich Ihnen für die vergangenen fünf Jahre schuldig." fährt sie fort, als wir den Klassenraum verlassen. Bevor ich aber nachhaken kann, verabschiedet sie sich von mir und verschwindet im Lehrerzimmer, welches sich in der unmittelbaren Nähe des Raums befindet. Anstatt also weiter meinen Gedanken nachzuhängen, mache ich mich auf den Weg zu Alexander, der sich aber angeregt mit Phillip unterhält.

,,Schaut mal wer da kommt." macht Nora auf mich aufmerksam, die ebenfalls bei meinem besten Freund steht. Nora ist ebenfalls eine gute Schülerin, aber keine Konkurrenz für meinen Einserschnitt. Sie hat mittellanges rotes Haar, grüne Augen und wirkt durch ihre Körpergröße wie ein freches Mädchen, jedoch ist sie meiner Meinung nach ganz nett. Zwar haben wir bisher nicht allzu viel miteinander gesprochen, aber das ist auch garnicht notwendig. Mir fällt es nicht schwer andere relativ schnell einzuschätzen, weshalb mir auch bewusst ist, dass Philipp auf meinen besten Freund steht, aber ihm scheint das nicht allzu bewusst zu sein. Davon abgesehen möchte er aber zurzeit keine ernste Beziehung eingehen, was auf Gegenseitigkeit beruht. Bei mir liegt es aber vermutlich daran, dass ich unwissentlich seit fünf Jahren an einer gewissen Blondine interessiert bin. ,,Wo warst du denn so lange?" erkundigt sich Nora, als ich bei den dreien stehe. ,,Meine Deutschlehrerin wollte noch mit mir sprechen." erkläre ich, woraufhin mich Alexander wissend anlächelt. ,,Hat sie sich wieder darüber aufgeregt, dass du so wenig mitgemacht hast?" fragt er lachend, weshalb ich ihm einen Tritt verpasse und ihn warnend anschaue. ,,Was?! Du bist doch sonst überall so gut." entgegnet Nora überrascht, was mich die Augen verdrehen lässt. ,,Daran scheitert es nicht, sondern an ihrer fehlenden Aufmerksamkeit." sagt nun mein bester Freund, weshalb ich ihn wiederholt warnend ansehe. Hat er einen Knall? ,,Ich habe einfach schlecht geschlafen. Einen anderen Grund gibt es dafür nicht." sage ich lediglich und hoffe damit das Thema zu beenden, was mir anscheinend gelingt. ,,Ist ja auch unwichtig... Zu Freitag. Wo wollen wir was machen? Meine Eltern sind das Wochenende in Hamburg, somit hätte ich Sturmfrei." sagt Nora augenzwinkernd ,,Dann bei dir." antwortet Philipp und Alexander nickt zufrieden. ,,Ich bring dann Alkohol und Stoff mit." fügt er noch hinzu. Ich für meinen Teil halte mich aus dieser Unterhaltung raus, weshalb Nora mich nun direkt anspricht. ,,Sei um halb fünf bei mir, dann machen wir uns zusammen fertig, okay?" Ich nicke zustimmend. Bevor noch jemand etwas hinzufügen kann, ertönt die Schulklingel und ich mache mich auf den Weg zum Religionsunterricht, gefolgt von Nora. ,,Hey, Luna! Warte mal..." Ich bleibe kurz stehen, bis sie mich aufgeholt hat und laufe dann stumm weiter. ,,Wir können doch auch mal alleine etwas unternehmen." schlägt diese vor, was mich innehalten lässt. ,,Nein, danke." erwidere ich kühl und würdige ihr keines Blickes. Es ist einfach nicht mein Ding, meinen Freundeskreis zu erweitern und das sollte sie nach all den Jahren eigentlich wissen. Ich habe Alexander und das reicht mir. Mehr brauche und will ich nicht.

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