»Ein Happy Meal nur mit Salat und Orangensaft, bitte.«
Die Frau hinter der Theke wirft mir einen skeptischen Blick zu. Sie fragt mich, welches Spielzeug ich haben will, und ich deute darauf.
»Sonst noch etwas?«
Ich schüttle den Kopf. Die Frau dreht sich weg, um meine Bestellung zusammenzustellen. Während ich warte, vergrabe ich die Hände in den Taschen meiner Jacke und lasse den Blick im Raum umherschweifen.
Überall liegen Pappschachteln und zusammengeknüllte Servietten auf den leeren Tischen. Auf einem davon erspähe ich einen halb aufgegessenen Burger. Das gelbe Licht des großen Ms draußen vor der Tür versucht vergeblich, das grelle, künstliche Neonlicht der vielen Lampen an der Decke zu überstrahlen.
Um diese Uhrzeit ist das Restaurant so gut wie ausgestorben. Außer mir ist nur ein weiterer Gast anwesend, der mir nicht einmal aufgefallen wäre, wenn er sich nicht zufällig in dem Moment bewegt hätte, als mein Blick über die Nische in der Ecke wandert, über der eine Lampe ausgefallen ist.
Der Mann liegt mit dem Oberkörper halb auf dem Tisch, den Kopf auf die Arme gebettet. Auf seinem Kopf trägt er eine rote Mütze.
»Ihre Bestellung.«
Erschrocken zucke ich zusammen. Erneut ernte ich einen skeptischen Blick von der Frau hinter der Theke.
»Dieser Mann dort ... geht es ihm gut?«, frage ich sie.
»Keine Ahnung.« Ihr Ton ist gleichgültig. »Er sitzt schon seit mehreren Stunden dort, hat aber noch nichts bestellt. Ich werde ihn demnächst rauswerfen.«
Ich nicke, doch sie hat sich bereits abgewandt und verschwindet in einem Nebenraum. Ich nehme meine Tüte mit dem Happy Meal entgegen und will gerade auf den Ausgang zugehen, als sich der Mann in der Ecke langsam aufsetzt. Unsere Blicke treffen sich kurz, doch er senkt sofort wieder den Blick.
Meine Hand ruht schon auf der Türklinke, aber ich zögere.
Ich weiß nicht, was es ist - vielleicht das Licht, vielleicht die späte Uhrzeit, vielleicht etwas anderes -, jedenfalls mache ich auf dem Absatz kehrt und gehe zu dem Tisch, an dem der Mann sich gerade wieder hinlegen will.
»Darf ich mich setzen?«
Er hebt den Blick soweit, dass seine Augen gerade so unter der Mütze hervorlugen. Braun strahlt mir entgegen, das so viel wärmer ist als die grellen Lichter der Lampen. Auch seine Haut hat einen warmen Braunton, wie der einer Eichel im Herbst.
Bevor er antworten kann, habe ich mich hingesetzt.
»Möchten Sie etwas essen?«, frage ich. »Wenn Sie hier seit Stunden sitzen, müssen Sie sicher hungrig sein.«
Der Mann sieht mich lange mit einem Blick an, den ich nicht ganz zu deuten vermag. Es liegt Skepsis darin, aber auch Müdigkeit.
Ich schiebe dem Mann demonstrativ die Speisekarte aus Papier entgegen, die auf dem Tisch liegt. »Suchen Sie sich etwas aus, ich bezahle es.«
Er senkt den Blick auf die Karte. Ein paar Minuten vergehen, in denen mein Handy mehrere Male vibriert. Ich schiebe es tiefer in meine Hosentasche, stütze mich auf meine Arme und deute mit einem Finger auf die Karte. »Den Veggie-Burger kann ich wärmstens empfehlen.«
Mein Gegenüber sieht mich an. »Warum denken Sie, dass ich Hunger habe?«
Seine Stimme ist angenehm, aber auch ein wenig kratzig. Vermutlich, weil er sie seit Stunden nicht benutzt hat. Doch ich bin froh, dass er überhaupt etwas gesagt hat, und antworte schnell: »Wenn ich mehrere Stunden bei McDonald's verbringen würde, ohne etwas zu essen, hätte ich einen Bärenhunger.«
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Alive - Alex & Ben
RomanceAlex ist zufrieden mit seinem Leben. Sein Studium macht ihm Spaß und er hat eine tolle Freundin. Eigentlich hätte alles so schön sein können - eigentlich. Bis er Ben kennenlernt, der in Alex etwas auslöst, das er sich nicht eingestehen will. Alex ve...