Nachdem Ben gegangen ist, schicke ich Kathrin eine Nachricht.
Alex: Es tut mir leid. Ich fühle mich zur Zeit nicht besonders gut und würde es vorziehen, mich aufs Studium zu konzentrieren. Ich hoffe, du verstehst das.
Normalerweise antwortet Kathrin mir innerhalb weniger Minuten. Dieses Mal lässt sie sich eine ganze Stunde Zeit damit.
Kathrin: Du weißt, dass du mit mir über alles reden kannst.
Alex: Danke. Es wird bestimmt bald besser. Ich melde mich.Ich bringe es nicht übers Herz, ihr zu sagen, was wirklich los ist. Ich fürchte mich so sehr davor, sie zu verlieren, dass ich den Rat, den Ben mir gegeben hat, beim besten Willen nicht befolgen kann. Kathrin ist einer der wenigen Menschen in meinem Leben, die mir wirklich etwas bedeuten.
Ich kann es ihr einfach nicht sagen.
Die nächsten Wochen über bin ich tatsächlich so viel mit dem Studium beschäftigt, dass ich kaum Zeit für etwas anderes habe. Ein Gruppenprojekt jagt das nächste. Außerdem stehen die ersten Abgaben für zwei Wahlkurse an, bei denen ich stundenlang vor dem Bildschirm sitze und meiner Kreativität freien Lauf lasse.
Kathrin schreibt mir hin und wieder, aber ich finde immer einen Grund, warum ich nicht mit ihr telefonieren oder mich nicht mit ihr treffen kann.
Ben fragt mich mehrfach, ob wir etwas unternehmen wollen. Wir treffen uns einige Male abends bei McDonald's oder machen einen Spaziergang durch die Stadt.
»Was studierst du eigentlich?«, fragt Ben mich bei einem dieser Treffen. Er beißt genüsslich in seinen Burger.
»Mediapublishing«, sage ich. Als er mich verständnislos ansieht, füge ich grinsend hinzu: »Irgendwas mit Medien.«
Er lacht und steckt mich damit an. »Irgendwas mit Medien? Das musst du mir jetzt aber genauer erklären.«
Grinsend sage ich: »Es ist ein Verlagsstudium, das aber nicht nur rein auf Buchverlage ausgelegt ist. Wir lernen alles Mögliche über das Erstellen von medialen Content, Design, das Herstellen und Publizieren von Büchern und Zeitschriften.«
»Klingt nach dem perfekten Studium für einen Bücherwurm wie dich.«
Ich schiebe demonstrativ meine Brille nach oben, stütze meinen Arm auf dem Tisch ab und bette meinen Kopf in meiner Hand. »Du denkst also, ich bin ein Bücherwurm?«
»Hat mir wohl ein Vöglein gezwitschert«, erwidert er grinsend. »Wollen wir demnächst mal in einen Buchladen gehen? Dann kannst du mir vielleicht was empfehlen, wenn du willst.«
Mein Herz hüpft bei der Vorstellung, mit Ben zwischen den Bücherregalen herumschlendern und den Duft von Druckerschwärze und Papier einzuatmen. »Sehr gerne. Ich schreibe dir, wenn ich Zeit habe.«
Bei diesen spontanen Treffen erfahre ich auch einiges über Ben. Seine Eltern wollen, dass er in ihre Fußstapfen tritt und Medizin studiert. Er hat es aber nach drei Semestern abgebrochen und ihnen gesagt, dass er in eine eigene Wohnung zieht, um Abstand zu gewinnen und Zeit für sich zu haben. Darüber waren sie wohl nicht besonders amüsiert.
»Ich will kein Arzt werden«, erklärt er mir. »Dafür bin ich einfach nicht geschaffen. Aber meine Eltern wollen das nicht verstehen. Sie denken, es sei das Beste für mich, wenn ich einen sicheren Beruf wähle.«
»Das willst du aber nicht«, schlussfolgere ich.
»Nein.« Er senkt den Blick und betrachtet seine Hände. »Ich will selbst entscheiden, was ich tue. Und was ich fühle.«
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Alive - Alex & Ben
RomanceAlex ist zufrieden mit seinem Leben. Sein Studium macht ihm Spaß und er hat eine tolle Freundin. Eigentlich hätte alles so schön sein können - eigentlich. Bis er Ben kennenlernt, der in Alex etwas auslöst, das er sich nicht eingestehen will. Alex ve...