Erneuter unangenehmer Besuch

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So gern ich ihn jetzt auch geküsst hätte, ich konnte nicht. Bevor sich unsere Lippen also berühren konnten, wich ich zurück.

Sofort hauchte er ein leises:

„Tut mir leid.“

Er glaubte bestimmt, ich wollte nicht. Oder dass ich dachte, dass es nicht richtig wäre. Aber ich wollte es. Mit allen meinen Sinnen. Und es fühlte sich auch nicht falsch an. Ich fand nur den Moment und den Ort falsch.

„Nicht hier, nicht so.“,
erklärte ich mich.

Er schaute mich leicht fragend an, aber ich hatte in meinem Hirn einfach keine Worte mehr, um ihn da noch irgendwas zu erklären. Wenn ich getrunken hatte, verlor ich anscheinend jegliche Sensibilität. Deshalb setzte ich vermutlich etwas plötzlich das nächste Statement:

„Ich geh jetzt ins Bett.“

Gähnend stand ich vom Sofa auf und bewegte mich in Richtung Bad.

„Ich freu mich auf unseren Trip morgen.“,
fügte ich noch im Gehen hinzu.

Heute würde ich seeeeeehr gut schlafen…

***

Als mich der nächste Morgen aus meinem Schlaf holte, taten mir irgendwie die Gesichtsmuskeln weh. Ich merkte, dass ich mit einem Lächeln auf den Lippen aufgewacht war.
Ich wusste noch, dass ich mich voller Vorfreude ins Bett gelegt hatte.
Es kann doch nicht sein, dass ich die ganze Nacht durchgegrinst habe.
Manchmal bin ich echt ein komischer Mensch.

Aber mit der gleichen Vorfreude saß ich kurze Zeit später mit Rob in meinem Auto.

Er hatte sich eine Kapuze über den Kopf gezogen und ist auf dem Beifahrersitz so weit es ging nach unten gerutscht, um sich klein zu machen.

Er versuchte sich die Angst nicht anmerken zu lassen, aber die schwebte schon längst im Auto spürbar umher.

Bevor ich losfuhr legte ich nochmal meine Hand kurz auf seinen Oberschenkel und schenkte ihm einen ermutigenden Blick.

Nach ein paar sehr vielen sicheren Kilometern und entspannter Musik beobachtete ich, wie er endlich langsam entkrampfte.
Dass das so schwierig für ihn sein würde hätte ich nicht gedacht. Umso mehr hoffte ich, dass die Lockerheit, die er ansatzweise zuließ, auch dableiben würde.

Zwei Stunden später saß ich gespannt in einem bequemen Sessel und konnte es kaum erwarten bis Rob endlich mit seinem ersten Outfit, das ich ihm zusammengestellt hatte, aus der Umkleide kam.

Das erste Outfit war locker und lässig und stand ihm ganz gut. Das zweite war ähnlich, aber sah an ihm irgendwie unpassend aus. Das dritte und vierte war auch nice, aber beim fünften wusste ich schon, dass es ein etwas gewagter Versuch war.

„Lia, ich komme mit diesen Klamotten nicht raus. Das sieht absolut bescheuert aus.“,
hörte ich Robs Stimme aus der Umkleide erklingen.

„Ach komm, mach nicht so rum. Ich wills sehn. Bitte.“,
bettelte ich.

„Ich sagte dir doch schon vorhin, als du diese karierte Hose mitnehmen wolltest, dass ich die hässlich find.“

„Jetzt komm doch einfach mal raus!“

Weil ich langsam zappelig wurde, stand ich auf und ging zum Vorhang.

„Ja das Outfit ist etwas extravagant, aber ich wollte nur mal testen, ob dir sowas stehen würde.“

Meine Worte prallten am geschlossenen Vorhang ab.

„Es steht mir nicht! Jetzt weißt du’s und jetzt kann ich’s doch auch wieder ausziehen.“,
entgegnetet er auf der anderen Seite.

„Halt nicht so schnell! So schlimm kanns doch gar nicht aussehen.“

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