Kapitel 2

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Von der Beklommenheit, die Harry am Vorabend geplagt hatte, war am nächsten Morgen zum Glück kaum noch etwas zu spüren. Gut gelaunt war er aus seinem Bett geschlüpft, hatte er die anderen Jungs geweckt und war zusammen mit ihnen und Ginny und Hermine zum Frühstück hinuntergegangen. Hungrig schaufelte er sich jetzt Spiegeleier und Pasteten auf den Teller, während Hermine bereits ihren Stundenplan studierte.

„Ich habe gleich sofort Alte Runen. Dann haben wir Verteidigung gegen die dunklen Künste", sagte sie mit weniger begeisterter Stimme.

Ron biss ein Stück seiner Wurst ab und stöhnte.

„Waren das noch Zeiten, als man sich auf dieses Fach gefreut hat", grummelte er.

Er hatte Recht. Bisher hatten die Lehrer, die dieses Fach unterrichtet hatten, jeweils immer nur ein Jahr durchgehalten. Remus Lupin war mit Abstand der beste Lehrer gewesen, fand Harry und vermisste ihn augenblicklich, als er an die bevorstehende Stunde mit Snape dachte.

„Dann Verwandlung. Danach habe ich Arithmantik", fuhr Hermine fort. „Und dann haben wir Zaubertränke..."

Ron und Harry wechselten einen Blick.

„Wir nicht."

Verwirrt drehte sich Hermine zu den beiden um. „Wie, ihr nicht?"

Ron zuckte die Schultern. „Wir haben es abgewählt."

„Wieso das denn?!", rief Hermine fassungslos und sah Harry an. „Ich dachte, du wolltest Auror werden? Brauchst du dafür nicht Zaubertränke?"

Harry seufzte. „Jaah, schon, aber ich hab leider kein Ohnegleichen in den ZAGs geschafft."

„Ich bin mir sicher, dass Slughorn ein Auge zudrückt", sagte Hermine mit einem schiefen Lächeln und trank ihren Orangensaft aus. „Wie auch immer, ich muss jetzt los. Wir sehen uns nachher!"

Sie packte ihren Stundenplan in ihre Tasche und verließ eilig den Tisch.

Ron schob seinen Teller von sich und lächelte fröhlich. „Ich bin vollkommen zufrieden wie es ist. Hermine soll sich mal nicht aufregen."

„Na ja, eigentlich hat sie ja schon Recht, aber ohne ein Ohnegleichen komme ich nicht in Zaubertränke...", meinte Harry nachdenklich.

Ron schnaubte. „Komm schon, wir haben jetzt eine Freistunde. Lass uns zurück zum Gemeinschaftsraum gehen und uns ausruhen, bevor wir uns den Unterricht von Snape antun müssen."

Sie standen beide auf und gingen aus der Halle. Im Gemeinschaftsraum war kaum etwas los und Harry und Ron setzten sich in eine Ecke und verbrachten die freie Stunde lesend und quatschend. Dann war auch schon Zeit für Verteidigung gegen die dunklen Künste und sie verließen widerstrebend den warmen Raum. Auf dem Weg dorthin trafen sie Hermine, die gerade ein paar Zweiklässler ermahnte, die mit verbotenen Scherzartikel auf dem Korridor spielten.

„Unglaublich, wie sich die meisten einfach nicht an die Regeln halten!" Entrüstet steckte sie die Artikel in ihre mit Büchern bepackte Tasche.

„Du kannst nicht sagen, dass wir uns immer an die Regeln gehalten haben", warf Harry ein. Auf Hermines Gesicht bildete sich ein kleines Grinsen. Leugnen konnte sie das nicht.

„Ich hoffe, du nimmst deine Position als Vertrauensschüler auch ernst, Ronald", mahnte Hermine. Ron grummelte nur was wie „Ja, ja natürlich".

Als sie um die Ecke bogen, stießen sie beinahe mit einer Gruppe Slytherins zusammen, die ebenfalls auf dem Weg ins vierte Stockwerk waren, wo der Unterricht von Snape stattfand. Unter ihnen war auch Draco Malfoy, der jedoch nicht weiter Notiz von Harry, Ron und Hermine nahm und weiterlief. Harry musterte den Blonden, während sie der Gruppe folgten. Alle Slytherins schienen sich wahnsinnig auf den kommenden Unterricht zu freuen. Kein Wunder. Professor Snape war schließlich ihr Hauslehrer und konnte so gut wie jeden von ihnen leiden. Was Harry aber wunderte war, dass Malfoy sich äußerst still verhielt. Eigentlich hätte er schon längst irgendeinen dummen Spruch bringen müssen, doch seine Lippen verließ kein Wort. Selbst gegenüber seiner Freunde schien er stumm zu bleiben.

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