Die nächsten zwei Tage verbrachte Harry hauptsächlich schweigend. Am Samstag hatte er sich zusammen mit Hermine in die Bibliothek verzogen. Er war dankbar, dass Hermine sich beim Lernen nur ungerne stören ließ und wenn nur lernbezogene Fragen stellte oder beantwortete. So konnte Harry nichts über Malfoys und seiner komplizierten Beziehung herausrutschten, in der sie gerade steckten. Auch, wenn er lieber mit ihr als mit Ron darüber reden wollte, war er nicht in der Stimmung Hermine zu erklären, woher seine plötzlichen Gefühle für den Slytherin herkamen. Durch das Wochenende und die Hausaufgaben hatte Harry kaum Gelegenheit darüber nachzudenken oder Malfoy zu begegnen. Und die Zeit brauchte er auch, um zu verarbeiten, was er sich Freitagabend eingestanden hatte. Seinem besten Freund half er am Sonntag mit Flitwicks Aufsatz über das Kontrollieren des Feuerzaubers, den sie am nächsten Tag hatten abgeben müssen. Das Kriegsbeil zwischen Hermine und Ron war nach wie vor nicht begraben, weswegen Ron seiner Hilfe so dankbar war, dass er ihm seine letzten Schokofrösche von Weihnachten schenkte.
„Ich würde ja Lavender fragen, aber sie ist grottenschlecht in Zauberkunst", hatte Ron mit den Schultern gezuckt. „Sie ist ziemlich gut in Zaubertränke und in Verteidigung gegen die dunklen Künste. Obwohl, einmal meinte sie, der Schockzauber sei Petrificus Totalus. Vielleicht ist sie da doch nicht so ganz begabt."
Harry hatte seinen Mund darauf hin zu einem schwachen Lächeln verzogen.
Dann hatte Ron aufgelacht. „Jaah, aber eigentlich will sie auch nie lernen. Oder essen. Oder quatschen. Oder schlafen!"
Er hatte laut geseufzt.
„Eigentlich will sie nur knutschen. Mann, mir fehlt es zu reden. Ich glaube, ich habe noch nie so wenig geredet. Redest du viel mit Hermine? Lernt ihr viel? Was macht ihr so?"
Harry hatte nicht direkt geantwortet.
„Eigentlich sind wir nur in der Bibliothek."
„Bibliothek. Stimmt. Der Aufsatz", hatte Ron genickt und etwas enttäuscht wieder auf seine halbbeschriebene Pergamentrolle gestarrt, „okay, was sind nochmal die Gefahren des Feuerzaubers?"
Damit hatte sich die Unterhaltung. Es schmerzte Harry jedes Mal, wenn Ron ihn nach Hermine fragte und er sich überlegte, wann Ron endlich klar sein würde, was und für wen er eigentlich empfand. Doch er hielt es für den besten Weg, ihn das alleine herausfinden zu lassen. Denn er war sich sicher, dass dies früher oder später passieren würde.
Nachdem sie ihre Aufgaben und Aufsätze soweit fertig bearbeitet hatten („Ist mir egal, ob mir ein Absatz für Snapes Aufsatz fehlt", hatte Ron gegrummelt und das Pergament entschlossen zusammengerollt), waren sie in ihren Schlafsaal gegangen und zogen sich ihre Quidditchausrüstung an. Der Schneesturm draußen hatte sich beruhigt, sodass das Training wieder stattfand und die Schüler wieder auf dem Gelände herumlaufen konnten um frische Luft zu schnappen. Als Harry sich auf seinen Feuerblitz geschwungen hatte und langsam in die Höhe schwebte, atmete er die klare Winterluft ein. Ihm wurde erneut bewusst, wieso er so gerne flog. Der eisige Wind kroch unter seine dicken Klamotten und die Polster, doch es machte ihm nichts aus. Auch dass seine Nase irgendwann taub wurde und er seine Zehen kaum noch bewegen konnte, war ihm egal. Und als die restlichen Mannschaftsmitglieder schließlich den verschneiten Weg vom Schloss zum Quidditchfeld entlang kamen und sich motiviert am Boden versammelten, war Harrys einzige und wahre Liebe wieder das Fliegen.
Während sich die Tage dahinzogen, wurde das Wetter besser, die Ansammlung an Hausaufgaben blieb wuchs stetig und das Quidditchtraining wurde intensiver. Harry war früh darüber, denn so hatte er eine Pause von der Bibliothek, Hermines ständigem Lerndruck und so konnte er außerdem lavenderfreie Zeit mit Ron verbringen.
An einem besonders sonnigen Samstag liefen sie gerade den vom geschmolzenen Schnee matschigen Weg zum Quidditchfeld hinunter, bereits in voller Trainingsmontur, als Dean Harrys Namen rief. Mit Ginny im Schlepptau holte er sie ein und reichte Harry eine kleine Pergamentrolle. Ron beäugte Dean mit einem grimmigen Gesicht.
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Ein halbes Jahr Karte lesen
RomanceHarry Potter ist vernarrt in Draco Malfoy. Er ist besessen von der Idee, dass dieser etwas illegales treibt. Diese Obsession prägt Harrys Zeit im sechsten Schuljahr in Hogwarts. Und während er Draco Malfoys Mission aufzudecken, kommen sich die beide...