Die nächsten Tage waren hauptsächlich geprägt von Unterrichtsstunden, Hausaufgaben, Freistunden, in denen sie Hausaufgaben machten und mehr Unterrichtsstunden. Außerdem hatte Harry noch den Einzelunterricht bei Dumbledore, in dem er gemeinsam mit ihm in die Vergangenheit rum um Voldemort eintauchte. Gleichzeitig konnte Harry es nicht lassen und beobachtete Malfoys Auftreten jeden Tag. Hermine hatte Recht. Er wirkte tatsächlich blasser. Es fiel Harry auf, als er während einer Zaubertrankdoppelstunde gemeinsam mit ihm an einem Tisch stand und ihn verstohlen von der Seite musterte. Außerdem wirkte er dünner als im vergangenen Jahr, zumindest kam es Harry so vor. Das blonde Haar stand achtlos von seinem Kopf ab, einzelne Strähnen fielen in sein schmales, aber markantes Gesicht, das irgendwie eingefallen wirkte. Dunkle Augenringe schienen Malfoys täglicher Begleiter zu werden. Er wirkte um jeden Tag müder und kraftloser. Wären sie nicht seit dem ersten Schuljahr dermaßen verfeindet, würde sich Harry vermutlich Sorgen machen. Doch das tat er nicht. Redete er sich zumindest ein.
Er konnte es aber nicht leugnen, dass sich seine Gedanken entschieden zu viel um Malfoy drehte. Was mit dem Verdacht, Draco sei ein Todesser, begonnen hatte, war mittlerweile ein tägliches Beobachten während des Unterrichts, der Pausen, des Essens und sogar auf der Karte der Rumtreiber geworden. Manchmal konnte Harry dem Drang nicht wiederstehen und schaute nach, wo der Punkt Malfoy sich herumtrieb. Er erzählte Hermine und Ron schon gar nicht mehr, was ihm im Kopf herumschwirrte und, dass er entdeckt hatte, dass Malfoy – ziemlich oft sogar – nachts im Schloss herumgeisterte. Er behielt alles für sich, auch den Gedanken, dass er sich vielleicht doch ein bisschen sorgte.
Zeit Hermine und Ron etwas zu erzählen fand Harry sowieso kaum noch, da die beiden neben ihren vielen Hausaufgaben und dem Unterricht auch noch ständig Vertrauensschüleraufsichten hatten. Auch, wenn sie mal gemeinsam lernen wollten, mussten sie kurzfristig doch zu einer Versammlung gehen oder abends durch die Korridore streifen, um Erstklässler in ihre Betten zu scheuchen. Harry verbrachte immer mehr Zeit alleine. Ob in der Bibliothek oder draußen auf dem Schlossgelände. Ansonsten war er viel mit Neville, Luna und Ginny unterwegs. Auch besuchte er Hagrid in seiner Hütte oder ging mit Ginny auf das Quidditchfeld, sofern Professor Hooch einverstanden war, wo sie die Quaffle hin und her warfen. Die Quidditchauswahl stand bald bevor. Auch Ron hatte sich auf die Liste eingetragen und wollte sein Bestes geben, um der neue Hüter von Gryffindor zu werden.
Harry hatte mitbekommen, dass Malfoy seine Position als Sucher im Slytherinteam aufgegeben hatte. Der Blonde bereitete Harry tatsächlich Kopfschmerzen dieses Schuljahr. Letztes Jahr war er schon kaum auszuhalten gewesen, doch da war er noch er selbst gewesen. Großmäulig, höhnisch und immer einen Spruch auf den Lippen. Aber dieses Jahr... Selbst, wenn Malfoy nichts sagte, verdrehte es Harry die Gedanken. War er vielleicht wirklich obsessiv geworden? Aber die Zeichen, dass etwas nicht stimmte, dass etwas faul war, waren so eindeutig. Harry war sich so sicher, dass er richtig lag, dass er nicht aufhören wollte, seine Gedanken um Malfoy kreisen zu lassen.
Am Abend vor dem Tag der Auswahlspiele saßen Harry, Ron und Hermine nach längerer Zeit mal wieder zusammen im Gemeinschaftsraum. Sie hatten alle Hausaufgaben erledigt und genossen ihre kurze freie Zeit.
„Habt ihr mitbekommen, dass Malfoy kein Sucher mehr ist?", fragte Harry beide.
„Ja", sagte Hermine. Es überraschte Harry, dass sie ihre Augen nicht verdrehte oder genervt aufstöhnte, weil er wieder auf den blonden Slytherin zu sprechen kam. Obwohl es das erste Mal nach Wochen war.
„Gut für uns. Sicher stellen sie dafür jemand viel Schlechteren ein", meinte Ron mit einem zufriedenen Lächeln, „viele gute Spieler haben sie doch nicht, oder?"
Harry zuckte nur mit den Schultern. Sie schwiegen wieder.
„Wir haben Malfoy letztens gesehen", sagte Hermine langsam, vorsichtig zu Harry schauend.
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Ein halbes Jahr Karte lesen
RomanceHarry Potter ist vernarrt in Draco Malfoy. Er ist besessen von der Idee, dass dieser etwas illegales treibt. Diese Obsession prägt Harrys Zeit im sechsten Schuljahr in Hogwarts. Und während er Draco Malfoys Mission aufzudecken, kommen sich die beide...