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Eine Woche war vergangen seit meinem erneuten Zusammentreffen mit Logan und ich hatte Recht gehabt. Der paranoide Schulterblick war zurück und ich hasste es. Das Schlimmste war, dass ich mit niemandem darüber reden konnte. Ich hatte nur meiner Therapeutin davon erzählt, weil meine Freundinnen mich dazu überredet hätten zur Polizei zu gehen – was ich auf keinen Fall tun konnte. Es war nicht so, dass ich mich zu sehr schämte oder dachte selbst schuld zu sein. Auch nicht Logans Drohungen, dass man mir sowieso nicht glauben würde, weil er Freunde bei der Polizei hatte, schüchterte mich ein. Es war die Tatsache, dass Logan etwas wusste, das er nur für sich behielt, solange ich ebenfalls meine Klappe hielt. Hätte diese Sache nur mich betroffen, wäre ich schon lange zur Polizei gegangen. Er konnte mich nicht noch schlimmer verletzen, als er es sowieso getan hatte. Aber ich könnte es niemals ertragen, wenn er meine Halbschwester mit in die Hölle hineinzog, die er geschaffen hatte. Sie war zehn Jahre jünger, als ich und ich liebte sie mehr, als alles Andere auf der Welt. Für sie würde ich alles tun. Auch wenn es bedeutete, jeden Tag mit Angst aufzuwachen, weil ich wusste, dass mein Peiniger noch völlig unbehelligt durch die Welt spazierte.

Meine beste Freundin schien jedoch bemerkt zu haben, dass es mir im Moment nicht gut ging, denn sie tauchte ständig unangekündigt vor meiner Tür auf und brachte mich dazu, etwas mit ihr zu unternehmen. Heute zum Beispiel hatte sie mich ins Kino geschleppt – ohne mir zu verraten, welchen Film wir uns ansehen wollten. Weil sie meine beste Freundin war – die mich besser kannte, als die meisten Menschen auf der Welt, hatte sie natürlich genau ins Schwarze getroffen. Anscheinend war im Kino momentan eine Disney-Wochen-Aktion und es lief Merida – einer meiner absoluten Lieblingsfilme, seit ich klein war.

Vielleicht war es, weil meine Mutter, als ich klein war Ewigkeiten gespart hatte, um mir zum Geburtstag einen Kinobesuch schenken zu können und dann mit mir in diesen Film gehen zu können. Auf jeden Fall, war es einer meiner absoluten Komfortfilme und damit genau das, was ich jetzt brauchte.

"Wieso müssen die eigentlich immer eine halbe Stunde Werbung zeigen, bevor der Film anfängt? Verdienen die mit ihren Tickets, den Snacks und dem vollkommen überteuerten Eis nicht genug?", fragte Olive flüsternd und ich musste lachen.
"Naja, es ist Werbung für andere Filme. Ich denke, sie wollen einfach, dass man bei einer Vorstellung direkt den nächsten Film entdeckt, den man hier sehen will", erwiderte ich, als Unruhe aufkam, weil zwei Nachzügler sich durch die Reihen drängten. Schhhh- Rufe erklangen und Olive verdrehte die Augen.
"Was haben die denn alle? Als ob sie die Werbung so interessant finden".

Neugierig drehte ich mich in Richtung der Nachzügler und drehte mich abrupt wieder um, als ich bemerkte, dass ich die beiden kannte. Es waren Jamie und sein Vater. Das gab es doch nicht! Ich war Mr. Miller, oder Nick wie ich ihn seit unserem letzten Treffen nannte vorher noch nie begegnet und jetzt das dritte Mal innerhalb zwei Wochen? Von meiner Reaktion aufgeschreckt, sah Olive sich nun ebenfalls interessiert um. "Was, hast du rausgefunden, warum alle so seltsam reagieren oder-". Sie verstummte und zog ihre Brille vom Kopf auf ihre Nase zurück.
"Warte, ist das nicht dein heißer Singledad von letztens?", fragte sie und ihre Stimme schien durch den Raum zu hallen. Wahrscheinlich kam es mir nur so vor, aber die Hitze schoss mir ins Gesicht.
"Psst, geht es eigentlich auch noch ein bisschen lauter?", zischte ich zurück und verbarg mein Gesicht in den Händen. Gott, bitte lass ihn das nicht gehört haben! Außerdem ist er nicht mein heißer Singledad, sondern der Vater von einem meiner Schüler und... Kannst du bitte endlich aufhören ihn anzustarren? Guck lieber auf den Bildschirm!".

Wahrscheinlich hatte ich mittlerweile rote Stressflecken im Gesicht – wie immer, wenn mir etwas wirklich peinlich war.
"Langweilig", lautete ihr Kommentar, aber zum Glück wandte sie den Blick tatsächlich ab. Was hatten beste Freunde nur an sich, dass sie immer so unglaublich obvious sein mussten? Vorsichtig wagte ich es einen Blick in Nicks Richtung zu werfen, nur um zu bemerken, dass er mich direkt ansah. Oh, Fuck! Obwohl ich am liebsten schreiend weggerannt wäre, lächelte ich ihn und Jamie stattdessen an und winkte ihnen zu. Sie winkten beide zurück, aber kamen glücklicherweise nicht zu uns rüber, weil die Leute so schon genervt genug waren. Stattdessen setzten sie sich zwei Reihen weiter vor uns hin.

The Chaos I fell forWo Geschichten leben. Entdecke jetzt