11. Gut gemeint aber doch falsch.

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Immer noch tief imponiert von meiner guten Idee, mich bei Harry durch eine kleine Überraschung zu entschuldigen, fing ich an, die Informationsblätter der Klinik aus dem Schrank zu wühlen, um diese anschließend als Verzierung an die Pappkartons mit den Sternchen, die ich in dem Schrank erspäht hatte, zu kleben. Mein schlechtes Gewissen durch das Herumwühlen in Harrys Gedichte-Buch plagte mich noch immer und so fing ich schon gleich an, an den bunten Klinikpapieren rumzuschnippeln, um aus den zwei Sternchenkartons zwei kleine Laternen zu basteln. Ich setzte mich an denselben Tisch, an dem Harry immer in sein Buch schrieb und legte mir Stifte, Schere und Kleber zurecht. Angestrengt überlegte ich, welche Motive oder Farben Harry gefallen könnten und irgendwie fand ich grüne Äpfel für Harry passend, da er sich immer, wenn es Äpfel nach der Therapie gab, einen holte.

Also nahm ich mir einen grünen Stift und malte auf vier gelbe Papiere jeweils zwei Äpfel. Anschließend schnitt ich diese aus und klebte sie auf die vier Seiten der bisherigen Laterne aus dem Sternchenpappkarton. Um das Ganze noch schön laternig zu machen, schnitt ich die von den Papieräpfeln übergeklebten Sterne noch einmal nach, sodass ein Loch mit der Form eines Sternes entstand. Nun fehlte nur noch das halb durchsichtige bunte Transparentpapier, weshalb ich den Schreibtisch und die Schränke danach durchwühlte und als ich nicht fündig wurde, machte ich mich auf dem Weg zu einem der Gruppentherapieräume, in den, wie ich von Harrys angeschleppten Werken, die übrigens immer grau und schwarz aussahen, viel gebastelt wurde. Ich musste mich sehr stark an den Plan im Flur halten, um die Räume für die Gruppentherapien zu finden und nach längerem Rechts-links laufen durch die langen ähnlichen Gänge fand ich endlich den einen Therapieraum, in dem Harry immer seine Gruppentherapie hatte. Dort befanden sich viele Papiere und ähnliches und ich rannte, nachdem ich sichergestellt hatte, dass der Raum leer war, in das Zimmer und wühlte in den Schränken und Schubladen nach den nötigen Materialien. So kramte ich mir buntes Transparentpapier in den Farben grün, rot und gelb heraus und nahm mir zur Sicherheit noch zwei Teelichter mit. Mit meiner Beute ging ich also zurück und setzte mich konzentriert an die Arbeit. Einen Henkel bastelte aus braun angemalten Papier und nachdem ich diesen an dem Pappkarton befestigt hatte, fehlte nur noch das Teelicht zum Hineinlegen. Zufrieden betrachtete ich mein Kunstwerk und lehnte mich in dem Stuhl zurück. Jetzt musste nur noch Harry kommen. Nach längerem Warten zündete ich schon mal die eine Laterne, die ich aufs Bett transportiert hatte an, und nach ewigem auf die Uhr schauen zündete ich mir vor lauter Aufregung auch eine Zigarette an, um die Zeit zu vertreiben. Tatsächlich betrat Harry nach ein paar Minuten das Zimmer, währenddessen ich enthusiastisch vom Bett auf Harry zu sprang und laut rief: "Guck mal Harry, was ich gebastelt hab!"

Dass ich dabei die angezündete Zigarette achtlos ins Bettlaken fallen ließ und die auf dem Bett stehende Laterne mitsamt des brennenden Teelichts umstoß, bemerkte ich erst gar nicht. Den neugierigen Harry führte ich erst einmal zu der auf dem Tisch stehenden Laterne und fing an zu strahlen, als Harry vollkommen begeistert die Laterne vor ihm.

Vorsichtig betatschte Harry die Henkel der Laterne und ein winziges Lächeln breitete sich in seinem Gesicht aus.

„Und die können wir jetzt auch noch anzünden", erklärte ich stolz und zog mein Feuerzeug aus der Hosentasche. Dann beugte ich mich über das Pappgestell und zündete das Teelicht darin an. Die kleinen bunten Sterne leuchteten nun rot, grün und gelb und fasziniert sah ich in Harrys Augen, die die leuchtenden Sterne wiederspiegelten.

Die Sterne begannen mit der Zeit stärker zu leuchten und auch die Flamme wurde größer und wackelte tanzend umher. Dadurch nahm ich den Pappkarton am Henkel hoch und schwenkte ihn schwungvoll vor Harrys Augen hin und her.

„Das ist deine Laterne und meine ist da hinten, warte ich hole die kurz", erläuterte ich und hüpfte fast schon hibbelig auf mein Bett zu. Je näher ich dem Bett kam, desto mehr verstärkte sich ein ekelhafter, unangenehmer Geruch, sodass ich fast würgen musste. Angewidert verzog ich mein Gesicht und plötzlich weiteten sich meine Augen, als ich orangenes, grelles Licht aufflackern sah. Hinter mir hörte ich plötzlich einen Aufschrei und als ich mich dann panisch umdrehte und vor Harry auf dem Tisch eine zerrissene, brennende Pappschachtel sah, blieb mein Atem weg. Rasend schnell verbreitete sich das flackernde Licht auf dem Schreibtisch und das plötzlich eintretende Heulen des Feueralarms machte die Situation auch nicht gerade leichter.

Bevor die Sonne untergehtWo Geschichten leben. Entdecke jetzt