Kapitel 35- Lösungen

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Stumm saßen sie nebeneinander. Leah hielt sich ihr Handy ans Ohr und spielte nervös mit dem Beinabschluss ihres Unisuits.

Der Typ musste sie ziemlich aus der Fassung gebracht haben, sonst wäre sie wohl nicht so nervös.

"Fuck!," fluchte sie. Mit den Händen fuhr sie sich verzweifelt durch die Haare und in ihren Augen glitzerten schon wieder Tränen.

"Beruhig dich. Was ist los?," fragte Niklas ruhig und hoffte ihr so genügend Ruhe vermitteln zu können, dass sie wieder klar denken konnte.

Leah atmete tief durch. Immer noch sah sie ihn nicht an und umklammerte ihr Handy viel zu fest. Man könnte beinah meinen sie würde es zerbrechen wollen, so fest umschlossen ihre Finger das Elektrogerät. "Nele, also meine beste Freundin geht nicht dran." Sie presste die Lippen zusammen und blickte stur auf den Boden des Kraftraumes.

Kurz zögerte Niklas. Der Vorschlag wäre doof, doch wollte er es versuchen alleine lassen wollte er sie in der Situation nicht. In ihm braute sich die Vorahnung zusammen, dass sie sobald sie alleine war einen kompletten Zusammenbruch haben könnte. "Wenn es nur darum geht, dass du nicht alleine sein willst, dann kann ich auch Anna anrufen, oder, also nur wenn du willst, kannst du auch mit zu mir." Kaum hatte er die Worte ausgesprochen bereute er sie auch schon.

Leah blickte ihn verwundert aus großen glasigen Augen an. Augenscheinlich schien sie nicht zu verstehen was er da gerade gesagt hatte, denn sie blinzelte verwirrt und öffnete ihren süßen Mund. Allerdings kam kein Ton über ihre Lippen.

Er musste schlucken und rutschte etwas von ihr ab. "Tut mir leid, sollte ich dir jetzt irgendwie zu nahe getreten sein."

"Nein. Also..." Unbeholfen druckste sie herum und griff nach seiner Hand. "Ich wäre froh nicht alleine zu sein." Fest drückte sie seine raue Hand, als würde sie damit ihre Wort unterstreiche wollen.

Niklas schenkte ihr ein Lächeln. Sofort schlug sein Herz schneller. In seinem Kopf war er schon dabei alles zu planen.

Er wollte ihr Raum geben. Eine Nacht auf dem Sofa würde er wohl überleben. Eine zweite Zahnbürste lag immer noch unbenutzt im Spiegelschrank über dem Waschbecken im Bad. Seine Wohnung war auch mal kein Chaos, nur auf dem Schreibtisch türmten sich die Ordner und Unterlagen.

Scheu entgegnet sie sein Lächeln und blinzelte ihn schon wieder so verdammt unschuldig an, dass ihm die Knie weich wurden. Schon lange hatte keine Frau mehr diese Wirkung auf ihn gehabt und er genoss diese süße Qual des Verliebtseins beinahe schon.

Leah sah noch einmal auf ihr Handy. Das Display zeigte nur die Uhrzeit. Ihr Hintergrund passte zu ihr. Schlicht und elegant. Etwas mit Marmor und Gold. "Okay." Leise seufzte sie und blickte ihn auffordernd an.

Sie wartete eindeutig drauf, dass er etwas sagte und sie irgendwie an seiner weiteren Abendplanung teilhaben lassen würde.

"Umziehen? Und dann treffen wir uns gleich an der Tür?," schlug er vor. Sie nickte.

Widerwillig erhob er sich. Gerne hätte er noch länger neben ihr gesessen und ihre Hand in seiner gespürt. Sie hatten etwas vertrautes miteinander. Beinahe war es als hätte es dieses Missverständnis nie gegeben. Ihn freute es unheimlich. Jedoch stand ihnen jetzt wohl ein neues Hindernis im Weg. Die Sache heute.

So schnell hatte er sich schon lange nicht mehr umgezogen. Die Klamotten schmiss er achtlos in seine Sporttasche. Die dicke Jacke ließ er noch auf. Zuhause würde er erst duschen, oder Leah damit den Vortritt lassen und dann etwas kochen.

Etwas kochen war gut. Er hatte ja keine Ahnung ob sie auf etwas allergisch war, Vegetarierin oder gar Veganerin. An den Inhalt ihres Kühlschranks konnte er sich nur noch grob erinnern und das war hauptsächlich Obst, Gemüse und Joghurt gewesen. Was für Joghurt wusste er auch nicht mehr.

Niklas lehnte sich entspannt gegen die Wand, während er auf Leah wartete. Anna hatte ihm geschrieben.

"Bin schon weg. Alles okay bei euch? Ich hoffe Leah fängt sich. Sag bescheid wenn ich etwas für sie tun kann."

Lächelnd tippte schnell zurück:

"Alles gut! Nehme sie jetzt mit zu mir, damit sie nicht alleine ist. Und nein, damit dein Kopfkino gar nicht erst ans laufen kommt, ich schlafe auf dem Sofa. Melde mich morgen bei dir."

Anna war jetzt auch im Bilde. Gott, da dürfte er sich morgen auf Nachrichten gefasst machen. Sein Handy zeigte noch eine Nachricht an. Paul. Tief atmete er durch, ehe er den Chat eher widerwillig öffnete.

"Sind die beiden Hexen weg?"

Niklas ließ die Nachricht unbeantwortet und schob sein Handy zurück in die Jackentasche. Genau in dem Moment ging die Damenumkleide auf und Leah kam heraus. In ihrer viel zu großen Winterjacke sah sie niedlich aus, versank sie doch beinahe in der dicken schwarzen Bomberjacke. Ihre Beine steckten in ebenfalls schwarzen Leggins, nur die Chucks passten nicht ganz in dieses eher sportliche Bild.

"Wollen wir?", galant hielt er ihr die schwere Eingangstür auf. Von Oben hörte man den wummernden Bass. Der Rest der Crew trainierte also noch.

Der Kies knirschte unter ihren Schritten und an den Fahrradständern konnte Niklas den Typen, der Leah verletzt hatte, erspähen. Sofort griff er nach Leahs Hand. Sie sollte spüren, dass sie auch jetzt nicht alleine war und der Vollidiot sehen, dass er sich besser von ihr fern hielt.

Mit schnellen Schritten und dicht beieinander liefen sie an ihm vorbei. Selbst ein Blinder hätte sehen können, dass da etwas zwischen ihnen war. Vor allem aber wollte er ihr Sicherheit geben.

Dieser Christoffer zog sich auch noch etwas mehr in den Schatten des Fahrradständers zurück. Niklas spürte seinen Blick trotzdem unangenehm im Nacken.

Triumphierend wandte er den Blick in die Richtung des jungen Mannes und grinste ihn einfach nur an. Sollte er grün und blau werden vor Eifersucht, sollte er sich Schämen, sollte er doch sehen, dass Leah endlich einen Weg in die Arme der hoffentlich richtigen Person für sie gefunden hatte.

Das hier war zumindest für ihn mehr als nur etwas loses. Für ihn war das der Anfang und morgen würde er mit Leah darüber reden, sofern es ihr nicht wieder schlecht ging. 

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