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Nora:

Langsam öffnete ich meine Augen. Vereinzelte Sonnenstrahlen kamen durch die Schlitze der Galusien. Total müde drehte ich mich auf die Seite. Meine Augen starrten vor sich auf einen, selbst für mich, undefinierbaren punkt. Mein Körper fühlte sich total entkräftet an. So als wäre ich die große Runde mit Steff joggen gewesen, was ich gelegentlich tat. Entkräftet und leer. Mein Körper fühlte sich an als hätte ich mehrere Stunden geweint. Langsam setzte ich mich auf und strich mir meine Haare aus dem gesicht. Suchend wanderte mein Blick durch mein Zimmer, und blieb an dem kleinen Wecker der auf meiner Kommode lag hängen. Meine Augen wurden groß. Es war schon nach acht. Ich würde zu spät zur Schule kommen. "Shit, shit, shit." Mit schnellen Bewegungen sprang ich aus dem Bett und rannte raus auf den Flur, richtung Küche.

Am Küchentisch saßen Mama und Papa und tranken Kaffee. "Warum habt ihr mich nicht geweckt?" keuchte ich. Die beiden starrten mich an. Ein komischer Blick lag in den Augen der beiden. Besorgt, vielleicht verwirrt- ich konnte diesen Blick nicht deuten. "Warum hat mein Wecker nicht geklingelt? Warum habt ihr mich nicht geweckt?" Fragte ich hektisch. "Nora, Schatz setzt dich doch erstmal." Meinte Thomas und deutete auf den leeren Platz. "Ich muss in die Schule" erinnerte ich die beiden Verwirrt und mit mehr Nachdruck. "Nora wir haben dich für heute abgemeldet." Verständnislos starrte ich die beiden an und ließ mich auf den Stuhl vor mir fallen. "Nora, du hattest in der Nacht wieder eine Panikattacke. Und nicht gerade eine kleine." Erklärt mir Steff. Eine Weile starre ich vor mich auf die Tischplatte, und krame in meinem Gehirn nach Erinnerungen der letzten Nacht. "Erinnerst du dich wieder?" Reißt mich Papas stimme aus meinen Gedanken. Mehr als ein knappes nicken kriege ich nicht zustande. Nein eigentlich kann ich mich kaum erinnern. Mein Kopf begreift langsam, und weiß auch ganz tief drinnen das ich in der Nacht wieder eine Attacke hatte. Aber die Bilder, die richtigen Erinnerungen daran fehlen mir. "Bin ich" Ich räuspere mich, meine Stimme ist zu belegt um zu sprechen. "Bin ich gestern richtig ausgerastet?" Frage ich vorsichtig und schaue dabei in die besorgten Gesichter von meinen Eltern. "Alles gut Nori" Papa greift nach meiner Hand. "Aber Schatz, wir sollten uns langsam mal darüber unterhalten wie wir das in den Griff bekommen." Ich weiß worauf er hinauswill und rücke automatisch etwas mit dem Stuhl nach hinten, und entziehe meine Hand der meines Vaters.

Thomas seufzt. "Nora bitte" er schaut mich eindringlich an. Ich schüttle nur stur mit dem Kopf. "Ich brauche das nicht." Blocke ich ab. "Nora das war deine dritte Panikattacke innerhalb einer Woche" Steff schaut mich bittend an. "Du musst verstehen was für Sorgen Papa und ich uns machen. Das ist nicht normal und das muss man in den Griff bekommen." Redet Mama auf mich ein. "Ich bin also nicht normal" Murmel ich. "Das hab ich nicht gesagt Nora" ernst schaut sie mich an. "Du bist normal, aber das..." Steff deutet in Richtung meines Zimmer. "Das was gestern Nacht passiert ist, das was die letzte Woche passiert ist- die ganze Panik, das du dich verkrampfst, dich nicht spürst.." in Steffs Augen sammeln sich Tränen und ich schaue auf den Boden vor mir. Steff so traurig und besorgt zu sehen halte ich nicht aus. "Maus das ist nicht normal, die Panikattacken, das ist nicht normal, und es tut mir so weh dich so zu sehen" ich schaue Steff nicht an, weiß aber das sich die Tränen die sich in ihren Augen angesammelt haben ihren Weg nach draußen gefunden haben. "Du musst uns verstehen Nora. Wir können dir nur bis zu einem bestimmten Punkt helfen, und den Rest" Steff bricht ab und versucht ein schluchzten zu unterdrücken.

"Nora" Papas ernster Blick ruht auf mir. "Steff hat recht, wir können dir nur bis zu einem bestimmten Punkt helfen, wir können dir während der Attacken beistehen, aber das muss weniger werden..." er seufzt. Ich sage nichts, starre nur Stumm vor mir auf den Boden und lasse das Gespräch über mich ergehen. "Dreimal alleine in dieser Woche" versucht Papa mir deutlich zu machen. Jetzt schweigen die beiden, noch immer starre ich auf den Boden, aber ich spüre ich blicke auf mir. Ihre erwartungsvollen besorgten Blicke, jetzt bin ich dran mit antworten. "Ich brauch keine Therapie." Sage ich trocken. Steff seufzt laut auf, Thomas schaut mich nur mit ernster Miene an, versucht zu begreifen was in mir vorgeht, warum ich so reagiere wie ich reagiere, aber das wird er nicht schaffen. Zu hoch ist die Schutzmauer die ich um mich aufgebaut habe. Zu dick um hindurch zu gucken, in mein Inneres- das darf nur ich sehen, kein anderer. "Ich will keine Therapie, ich kann das alleine." Sage ich noch einmal kalt, dann ist das Gespräch für mich beendet. Meine Arme umschlingen meinen Oberkörper wie automatisch und ich blocke für alle weiteren Argumente ab. Jetzt ist es Thomas der seufzt und sich durch seine Haare fährt. "Nora..." ich schüttle stur den Kopf. "An welchem Punkt sind wir den wieder angekommen?" Steffs stimme ist fast ein Flüstern. "Du kannst das alleine?" Wiederholt sie meinen Satz .

"Und was ist aus wir gehen die nächsten Schritte zusammen geworden?" Fragt sie. "Wir sind Mama und Papa. Wir wollen dir helfen Nori." Eindringlich sucht Mama Blickkontakt zu mir. "Hast du Angst Nora? Hast du Angst das das Zuviel für uns ist? Das wir das nicht tragen können? Machst du das wieder alles mit dir aus? Willst du uns schützen?" Alle diese Fragen lasse ich an mir abprallen obwohl ich sie mit einem einzigen Wort beantworten könnte: Ja. Ich bin unfähig zu sprechen. Kann und will es nicht. Starre nur vor mich hin. Ein Rauschen ist in meinem Kopf eingekehrt, wird immer lauter und verdrängt alle Gefühle. Kalt und Gefühlstaub setzte ich da, unfähig mich zu bewegen. Das Rauschen weicht einem pfeifen dann bin ich wieder im hier und jetzt und sehe Thomas der sich vor mir hingekniet hat und mit vorsichtig am Arm berührt. "Was?" Frage ich und rücke noch ein Stück weiter mit dem Stuhl zurück. Besorgt schaut mich Thomas an. "Du schienst als wärst du gar nicht mehr hier" erklärt er sich, steht wieder auf und geht ein paar Schritte zurück. "Nein ich bin doch hier" entgegne ich, weiß aber das er recht hat, ich war wirklich kurz weg gewesen.

"Ich muss jetzt los." Ruckartig erhebe ich mich und laufe in mein Zimmer schnappe mir meinen Rucksack und will mir stürmisch meine Schuhe anziehen. Thomas und Stefanie stehen im Flur und sehen mir zu "wo willst du hin?" Erreicht mit Steffs besorgte stimme. "In die Schule." Murmle ich. "Dann schaffe ich's noch zu Englisch." Schnell greife ich in die Schlüssel-Schale und schnappe mir meinen Schlüssel, dann renne ich schnell aus der Wohnung, das Treppenhaus herunter bis ich auf den Straßen Berlins stehe, und endlich die besorgten Blicke von Steff und Thomas nicht mehr auf mir spüren muss. Dann beginne ich zu rennen.

↬ 𝐒𝐜𝐡𝐫𝐢𝐭𝐭𝐞 𝟐 // 𝐒𝐢𝐥𝐛𝐞𝐫𝐦𝐨𝐧𝐝 𝐅𝐚𝐧𝐟𝐢𝐜𝐭𝐢𝐨𝐧Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt