Kapitel 16

70 9 4
                                        

Vor dem Club ist der laute Bass bereits in den Knochen zu spüren. Er befindet sich in einer Ecke dieser Stadt, die gefüllt ist mit Alkohol, Prostitution und Sünden. Sehr wahrscheinlich auch einer Menge an Drogen. Teure Autos stehen auf dem Parkplatz auf dem auch wir stehen. An manchen Autos lehnen Leute, in manchen Autos machen Leute rum. Nüchtern ist hier kaum jemand. Nun ja, die Angestellten bestimmt. Zumindest habe ich da ein klein wenig Hoffnung. 
Tj geht vor. Er bahnt sich den Weg an den Autos vorbei und zur Vordertür des Clubs, neben der ein Türsteher weilt, der das doppelte von Tj ausmacht. Dieser Mann hat ein Nacken wie ein Stier und einen so eisernen Blick, dass er Adern gefrieren könnte.

„Hey...Steve...", begrüßt Tj den Kerl, doch dieser sieht Tj nicht besonders erfreut über dessen Besuch an.

„Was tust du hier?"

„Ich will zu Ju"

„Ich bin mir sicher, dass der Boss dich nicht sehen will."

„Hey-", Tj legt ihm seine Hand auf die Schulter, zieht sie bei Steve's Raunen jedoch wieder weg, „-er ist mir noch was schuldig."

Während die beiden diskutierten sehe ich mir den Laden von außen genauer an. Vor einigen Fenstern sind Gitterstäbe befestigt und der Putz bröckelt von den Wänden. Über dem Eingang steht in Neonbuchstaben JAM - CLUB drüber.

„Ich sag doch, er ist mir noch was schuldig."
„Ist mir egal."
„An deiner Stelle würde ich-"

Ich gehe etwas weiter um den Club herum. Ein Weg führt rechts außen entlang. In meinem Outfit bin ich zwar nicht zu 100% Club geeignet, aber der kurze Rock und der Body mit dem weiten Ausschnitt hat anscheinend gereicht, denn die Leute, die mir entgegen kommen, sprechen mich nicht etwa darauf an, dass ich hier vielleicht nichts zu suchen habe.
Ich hatte mich vor unserem Verlassen des Hostelzimmers in Klamotten geworfen, die Tj mir eingepackt hatte. Wahrscheinlich sind sie von Zasha. Komisch genug, dass er mir sogar ihre Schuhe eingepackt hat, mit denen ich hier entlang stöckle und beinahe meine Knöchel breche.

Tj hatte mich angestarrt, nachdem ich mich im Zimmer umgezogen hatte und in den Klamotten vor ihm stand. Er selbst hat seinen Hoodie in ein schwarzes Hemd umgetauscht und sich in eine Jeans geworfen, die zwar etwas locker sitzt aber klassisch aussieht.
Mir wurde bei dem Anblick kurz warm.

Und während Hemdchen vorne weiter mit Steve diskutiert bahne ich mir weiter meinen Weg. Ich laufe eine Stahltreppe hinauf und bleibe bei den ersten Stufen nahezu in den Löchern hängen.
Atmen, Jade.
Vorsichtig laufe ich weiter nach oben, wo eine Tür auf mich wartet. Gerade als ich durch die Tür will kommt mir ein junger Typ entgegen und rempelt mich schon fast so um, dass ich die Treppe auch gleich wieder hinunter gesegelt wäre.

„Sorry", sagt er total erschrocken und hält noch immer meinen Arm fest, den er sich aus Panik gegriffen hat. „Alles okay?"

„Ja, danke...", gebe ich zurück und weiche seiner Hand aus, die folglich von meinem Arm rutscht. Ich sehe ihn etwas genauer an. Er ist High.
„Na dann-", sage ich abschließend und will durch die Tür neben ihm.

„Warte mal-...gehörst du zu Julien?"
„Wieso?"
„Weil nur Crew Mitglieder den Eingang benutzen dürfen. Und ich hab dich hier noch nie gesehen."
„Ich bin neu.", will ich ihn abwimmeln.
„Ah, na dann"

Er verschwindet die Treppe runter.
Zum Glück.
Ich schlüpfe durch die Tür und ein Geruch von Gras, Zigaretten und verkippter Schnaps kommt mir entgegen. Die laute Musik ist hier etwas gedämmt. Ich befinde mich in einem Zimmer, ähnlich eingerichtet wie ein Wohnzimmer oder ein Aufenthaltsraum. Eine Couch, eine Küchenzeile und einige Leute die sitzen und stehen, doch keiner scheint sich für mich zu interessieren.

Ich schleiche mich an den Menschen vorbei und durch eine Schwebetür, die zu einem Flur führt. Alles hier ist klassisch in Schwarz, Weiß und Beige eingerichtet. Je weiter ich den Flur entlang gehe, desto näher komme ich der lauten Musik. In einem Spiegel im Flur checke ich noch mal kurz mein Aussehen. Der Rock endet wirklich nur kurz unter meinem Hintern und die High Heels sind höher als mein aktueller Lebenswille in dieser Bude. Meine Haare hängen in Wellen meinen Rücken herunter und um meinem Hals weilt ein Klunker, von dem ich mir sicher bin, dass Zasha ihn irgendwo geklaut hat. Immerhin bin ich mit meinem Make-Up relativ zufrieden. Ich sehe nicht so leblos aus wie sonst, auch wenn ich gern bei dem Anblick meines Dekolletés im Boden versinken würde. So viel von meiner Brust habe ich ewig nicht gezeigt.
Ich denke kurz drüber nach, wie gern ich all das in einfache Sachen eintauschen würde, als ich bei dem Anblick von einer Bürotür stehen bleibe.

Sie ist hier am Ende vom Flur, direkt vor einer Treppe die nach unten und oben führt. Ich hab den Drang zu checken ob sie verschlossen ist, aber gehe dann weiter Richtung Musik, die von unten kommt.
Jubelnde Leute drängeln sich inmitten eines riesigen Dancefloors gegeneinander, tummeln sich an einer langen Bartheke und schreien über den Bass die Kellner und Barkeeper mit Wünschen an. Ich sehe von hier den Vordereingang und auch Steve's Umriss, der wie ein Wachhund inmitten des Türrahmens steht. Kopfschüttelnd quetsche ich mich zwischen mehrere Menschen an die Bar.

„Tequila!", rufe ich der Barkeeperin zu als sie mich fragend anschaut. Nur Sekunden später habe ich das Gesöff vor mir und vernichte es auch genau so schnell. Ekelhaft aber super.

Dann zwänge ich mich zurück, dahin wo Platz zum Fortbewegen ist, und gehe Richtung Eingang. Ich erscheine in Steve's Schatten.

„Ich sag dir, du bist ein richtiger Pi-", Tj versteinert im Satz.

„Hey", sage ich hinter Steve und lenke beide Blicke auf mich. Während Steve mich kaum verwunderter hätte ansehen können, schaut mich Tj an als hätte er soeben einen Geist gesehen. Vielleicht gibt der kleine Entzug ihm ja Halluzinationen.
„Er gehört zu mir."

Was mache ich hier eigentlich?

„Warst du nicht eben noch seine Begleitung?", fragt Steve verwirrt.
„Ich bin seit mehreren Stunden hier drinnen, wie könnte ich dann seine Begleitung sein?"
„Äh-"
„Schau, Julien will ihn sehen. Er hat eben mit mir gesprochen. Ich bin neu im Team, ich hab eben schon mit dem einen Typen gesprochen...wie heißt er noch gleich...der mit den dunklen Locken und den Grübchen, immer high-"
„Du hast mit Jackson gesprochen?"
„Ja, Jackson! Er hat mich fast die Treppe runter gestoßen als ich in den Aufenthaltsraum wollte."
„Ich hasse diese Treppen."
„Ja, ich auch...also, lässt du ihn jetzt rein? Julien wird sicher wütend, wenn er erfährt, dass du ihn aufhältst."
„Ja...natürlich!"

Steve tritt zur Seite und Tj huscht an ihm vorbei in den Club. Die Musik wird mit jedem Schritt hinein wieder lauter und durchströmender. Ich sehe ihn ausatmen und seinen Kragen richten. Er winkt mich zu sich heran, um mir was zu sagen.

„Wie zur Hölle bist du hier rein gekommen?!"
„Durch Jackson!"
„Wer ist Jackson?!"

Rein zufällig kommt Jackson gerade die Treppe runter. Ich zeige auf ihn.

„Der da!"

Tj schüttelt ungläubig seinen Kopf. Ihm fallen die Haare auf die Stirn.
„Ich gehe Julien suchen, du wartest hier!"

„Oh nein! Ich komme mit!"
Ich will gerade voraus gehen, da zieht er mich zu sich zurück. Seine Hand umklammert mein Handgelenk, sein Oberkörper berührt meinen. Ich schaue zu ihm hoch.

„Warte hier!", kommandiert er. Eh ich mich versehen kann ist er in der Menge verschwunden.

Ich glaube, ich muss ihn umbringen.
Er ist unmöglich.

LIGHTNING | Buch 2 der Shadows-ReiheWo Geschichten leben. Entdecke jetzt