Wenn es etwas gibt, dass ich abgrundtief hasse, dann sind es die Feiertagsgewände die ich mir jedes Mal aufs Neue aufzwingen muss. Das Kriegsgewand ist um vieles besser und bequemer - jedenfalls glaube ich das. Zusätzlich sind sie sehr gewagt, was bedeutet, dass mir heute sehr unwohl sein wird. "Mle, was dauert das so lange? Beeile dich bitte, ich hab nicht ewig Zeit!" Ruft Kiri aus der Nähe, als ich mir schnaubend über die Tracht fahre. Als ob ich wirklich die Motivation dazu besitze, einen weiteren Geburtstag zu feiern. Wir Omaticaya verschwenden zu viel Zeit und Mühe mit diesen sinnlosen Feten. Kurz kämpfe ich mit meinem Ego, bevor ich mich dann doch dazu entschliesse, mich an Kiri zu hängen. Diese hat ebenfalls einen festlichen Anzug angetan, wirkt aber nicht annähernd so anreizlos wie ich.
"Da bist du ja endlich!" Sagt sie augenverdrehend, "Lass mich nie wieder so lange warten. Paps fragte schon wo wir sind und du weisst wie wichtig ihm dieses Fest ist. Na los, Bewegung!" Schmunzelnd renne ich ihr nach und stolpere dabei beinahe an einer Baumwurzel, was mich zum aufjaulen bringt. Fluchend versuche ich ihr nachzukommen und ernte dabei ein paar amüsierte Blicke der anderen Na'vi welche sich ebenfalls auf den Weg begeben. Im Hauptsitz angekommen erklingt bereits die Stimme von Ninat, welche wie sonst auch, ein Lied singt für das Volk. Einige Na'vi hatten sich zum Tanzen aufgestellt und erschwerten mir somit einen direkten Blick auf Kiris Bewegungen, bis ich sie schlussendlich komplett verlor. Na toll.
Aber da sie der royalen Familie angehört, muss sie wahrscheinlich erhöhter wie wir anderen, Platz nehmen. Ich bin verdammt froh, dass meine Eltern nur einfache Na'vi sind und sich nicht mit einem Prinzen oder einer Prinzessin vermehrt hatten. Denn da die Königskinder gute Freunde von mir sind, muss ich mir öfter wie gewollt die Dramen Pandoras anhören, welche mich nicht weniger scheren könnten. Hoffentlich ist das bald zu Ende, denn auch wenn ich erst angekommen bin, ist mir die Laune vergangen.
Was rede ich denn da? Sie war ja noch nie vorhanden.
"Mle mein Kind! Wo wart ihr denn so lange, das hat ja ewig gedauert!" Ertönt die Stimme Neytiris hinter mir, welche mich kurz aufzucken lässt. "Wir müssen reden, kleines."
Ihre Aussage lässt mich erschaudern. Und als ich mich dann zu ihr umdrehe und sehe wie kritisch ihre grossen, gelben Augen mich mustern, wird mir vor Aufregung beinahe schlecht. Neytiri will mit mir reden? Ich glaube, ich kollabiere gleich. Das war noch nie zuvor vorgekommen. Oh Eywa, heilige Mutter, habe ich was angestellt? Zögernd laufe ich ihr hinterher als sie sich umdreht und ihre Schritte sich dem royalem Unterschlupf nähern. Plötzlich bleibt sie stehen, was mich dazu bringt in sie reinzulaufen und geschämt ein 'Tschuldigung' zu murmeln. Dann setzt sie sich hin und deutet mir an, mich zu ihr auf den Boden zu gesellen. Vorsichtig und hoffentlich elegant-wirkend, beuge ich meine Knie und mache es mir bequem. Aber nicht zu bequem, da ich angemessen wirken will. Wobei ich nicht weiss, wieso ich den Drang dazu verspüre, formell zu wirken.
"Wie läuft dein Heilen?" Fängt sie an und blickt mir skeptisch in die Augen. "Meine Tochter hat mir erzählt, du würdest gut von deiner Mutter lernen. Anscheinend hast du auch schon mehrere Wunden behandelt." Rasch schlucke ich unsicher und verpasse mir innerlich einen Schlag auf den Hinterkopf. Kiri diese Idiotin. Was hat sie denn sonst noch über mich erzählt? "Nun-" Beginne ich, wobei sich meine Stimme leicht anfühlt, was ich mit einem zurückhaltendem Räuspern ändere, "ich heile Wunden, ja. Die Pilze welche ich auf den Baumwurzeln finde, also die lilanen, die haben sich als gut erwiesen. Also- Was bedeutet gut, ich zerhackte sie, also nur den Stumpf. Und dann vermischte ich sie mit Blaugras und Kräutern, welches eine richtig stinkige Masse formt. Alles so wirklich miefend. Wäre beinahe ohnmächtig geworden, hätte ich mir nicht die Nase zugehalten...Und-"
"Heilst du Wunden, mein Kind?" Unterbricht sie mich und unterdrückt dabei ein schmunzeln, was mich dazu bringt, meinen Blick von ihrem zu senken. Wie peinlich war das denn jetzt? "Ja Ma'am." Antworte ich und warte eine Reaktion von ihr ab, erhalte aber nur ein "Mhm." Kurz tretet Stille ein, welche mich alle bisherigen Lebensentscheidungen anzweifeln lässt. Und zusätzlich schmerzt meine Brust, diese Gewände sind so verdammt unbequem. Ausserdem schwitzen meine Handflächen wie wild, was mich dazu bringt, sie stets an meinen Oberschenkeln oder dem Holz unter mir abzuwischen.
"Wie wäre es, wenn du dich von deinem Heilen entfernen würdest und dich mehr auf das Jagen fokussieren würdest?" Gibt sie von sich und verschränkt dabei die Arme. "Meine Kinder würden dir dabei helfen, eine Jägerin zu werden. Wir haben genug Heiler im Volk und du hast mit Sicherheit Potential."
"Aber ich bin echt langsam." Entgegne ich und will damit eigentlich sagen, dass mir alles lieber wäre wie das Jagen. Alles wirklich alles. Ich könnte die Ikräne baden, wenn sie zurück sind von einem Flug. Oder Haare flechten. Genau Haare flechten, das wäre toll. Zwar bin ich in dem ebenso nicht unbedingt die Beste, aber- "Das lässt sich ändern." Erwidert Neytiri und blickt mir dabei freundlich entgegen. "Meine Kinder können dich trainieren, wenn dir das lieber ist, wie von den Älteren trainiert zu werden." Ich will heulen. Bitte nicht. "Mle? Wie fändest du das?"
Diese Entscheidung werde ich sowas von bereuen. Sowas von. Komplett. Erneut räuspere ich mich und antworte dann mit einem schwachen, "Das wäre toll." Woraufhin sich Neytiris Mundwinkel heben und sie mir ihre Hände auf die Schultern legt.
"Hervorragend, ich sage den anderen Bescheid. Morgen auf Sonnenaufgang werden Kiri, Lo'ak und Neteyam auf dich warten. Dafür kannst du dich auch gerne stärken und dich ausnahmsweise heute früher von uns verabschieden. Ich wünsche dir viel Vergnügen." Antwortet sie und erhebt sich, woraufhin sie aus meinem Blickfeld verschwindet.
Na toll.