Meine Eltern schämen sich für mich. Was durchaus verständlich ist, obwohl ich kaum glaube, dass mein Vater noch nie zuvor das Bedürfnis verspürte, sich die Kante zu geben und die roten Pilze zu probieren.
Meine Mutter hatte mir schon oft von Vaters rebellischer Phase erzählt. Und nach ihren Kenntnissen, ist er im Rauschgebiet um einiges neugieriger gewesen wie ich.
Das hält ihn aber nicht davon ab, mit Toruk Makto höchstpersönlich, über eine passende Strafe zu diskutieren. Während ich daneben sitze und versuche, mir das Lachen zu verkneifen, weil Kiri ihr Gesicht verzieht. Denn auch sie erhält jetzt eine Strafe - als würde das uns aufhalten, erneut diese Pilze zu kosten.
Ich meine, natürlich entsprachen die Nebenwirkungen dem Ebenbild der Hölle, aber unsere Sorgen verschwanden für eine kurze Sekunde.
Und hallo? Auch wenn das nur rasch war, fühlte es sich echt geil an."Wie wäre es, wenn ihr beide dem Ernst der Sache klar werden würdet? Mit jedem Lachen, wächst die Strafe, das ist euch schon bewusst oder?" Zischt uns mein Vater zu, während er sich kurz von Jake abwendet.
Witzigerweise sass auch Lo'ak neben uns, denn er hatte mich so oft gefragt, welche Pilze es waren, dass unsere Eltern sich dazu entschieden, ihm ebenfalls eine Strafe zu erteilen. Eigentlich dachte ich, er würde das mit Humor nehmen. Stattdessen sitzt er nur da und starrt bedrückt auf den Boden.
Erst als sich unsere Väter zu uns drehen, hebt er seinen Kopf und lässt mich somit ebenfalls in deren Richtung gucken.
"Mädchen. Ich weiss wirklich nicht, wo ich anfangen soll. Ich kann nicht in Worte fassen, wie unglaublich enttäuscht und beschämt bin. Wie könnt ihr bloss so blöd sein und euer Leben riskieren? Drogenkonsum ist kein Spiel und auch wenn ich verstehe, dass ihr nicht wusstet, dass es eine Droge war - was überaus fragwürdig ist, da Mle eine der besten Heilerinnen des Dorfes ist - kann ich euch nicht ohne Strafe davonkommen lassen." Fängt Jake an und blickt dabei streng von Kiri zu mir. "Somit haben wir uns dazu entschlossen, dir Kiri, die Ausgangszeit einzuschränken. Zusätzlich wirst du ab sofort immer, überallhin, von jemanden begleitet. Und dieser jemand wird weder Lo'ak noch Mle sein. Dies wird so lange gehen, bis wir wissen, dass du nicht wieder auf die falsche Spur gerätst."
Jetzt war Kiri das Lachen vergangen und sie hatte sich die Arme um die Knie geschlungen, um somit kleiner zu wirken oder sich komplett zu verstecken. Das tut mir echt leid für sie. Sie liebt die Einsamkeit und Ruhe.
"Und jetzt zu dir Fräulein. Mle, du bist wie bereits gesagt, ein begabtes Mädchen. Wir sind sehr dankbar für deine Heilkünste, aber diese wirst du nur noch unter Aufsicht betätigen dürfen-"
"Wie bitte?!" Rufe ich aus und schaue zu meinem Vater, welcher mir einen tödlichen Blick zuwirft, da ich Toruk Makto unterbrochen hatte.
"Lass mich ausreden. Du wirst nur noch unter Aufsicht deine Kräuter sammeln und bereiten. Das Training wird ab sofort nicht mehr mit Lo'ak oder Kiri durchgeführt - sondern durch Neteyam UND eine Begleitperson. Ausserdem, wirst du dich zusammenreissen und nie wieder eine derartige Scheisse anstellen, haben wir uns verstanden?" Fährt er fort und zeigt mit seinem Zeigefinger zu mir, was ich zögernd Nicken lässt.
"Haben wir uns verstanden, habe ich gesagt!" Wiederholt er prüfend und zeigt dieses Mal von mir zu Kiri.
"Ja." Geben wir synchron von uns, woraufhin er seinen Blick auf Lo'ak lenkt.
"Lo'ak, damit du ein weiteres Stück Disziplin erlernst, wirst du ab sofort das Training der Kleinkinder übernehmen. Und ich will dich nie wieder bei Mle sehen, wenn sie am trainieren ist, verstanden?" Gibt Jake von sich, was Lo'ak erleichtert aufatmen lässt.
Wenigstens ist einer von uns Dreien zufrieden.
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2 Wochen später;"Halte deinen Bogen weiter in die Höhe. Genau. Jetzt musst du mit dem Bauch atmen. Somit konzentrierst du dich auf den Pfeil. Und jetzt spanne und lass den Pfeil fliegen." Erklärt mir Neytiri und demonstriert damit, die verschiedenen Schritte.
Konzentriert mache ich es ihr nach und verfehle. "Fast. Nochmal." Sagt sie und lässt mich den Pfeil erneut holen. Neytiri ist wirklich eine gute Lehrerin. Aber sie ist auch echt verdammt perfektionistisch, was mich zum Verzweifeln bringt.
"Ma', ich übernehme jetzt. Tuk hat Bauchschmerzen und ich weiss nicht was ich machen soll." Ruft Neteyam aus dem Ferne, als er auf uns zuläuft. Schnell senke ich den Blick, als ich seinen auf mir spüre.
"Wieso hast du sie nicht her gebracht?" Fragt Neytiri besorgt und läuft schnell weg. Oh nein. Nicht schon wieder. Alleine, mit ihm. Neytiri komm zurück!
"Wieso kannst du mich nie direkt ansehen?" Kommt es angepisst von ihm, was mich die Augen verdrehen lässt. Hastig macht er zwei Schritte auf mich zu, weshalb ich ihm ins Gesicht blicke und seinem Blickkontakt stand halte.
"Weil ich nicht will." Entgegne ich und sehe, wie er die Augenbrauen nach oben zieht und sich zu mir nach vorne beugt. "Wir beide wissen, dass das eine Lüge ist, Mle." Flüstert er mir zu und ist jetzt näher, wie je zuvor.
Provozierend nähere ich mich ein weiteres Stück, sodass sich unsere Gesichter beinahe berühren. Diese Handlung lässt mich zwar ein Kribbeln im Bauch verspüren, was ich aber gekonnt ignoriere. Für eine Milisekunde lässt er seinen Blick über mein Gesicht laufen und erhebt dann erneut seine Stimme.
"Ich hab mir wirklich Sorgen um dich gemacht, als du dir diese verdammten Pilze reingezogen hattest. Und du? Du hast mir hiermit bewiesen, dass du meine Mühe nicht verdienst." Zischt er mir zu und lässt mich kurz schlucken, bevor ich mich abwende und den Pfeil und Bogen in die Hand nehme.
"Wieso trainierst du mich dann? Bitte erspare mir deine Erklärung, es könnte mich nicht weniger interessieren." Erwidere ich und sehe, wie er seinen Kiefer anspannt, sich die Hände zu Fäusten ballt und mir erneut näher kommt.
"Wieso so schlecht drauf? Vielleicht, weil dein Liebling nicht hier ist? Oh Lo'ak, du bist so witzig! Oh Lo'ak, wo bist du nur?" Faucht er mir zu und beugt sich zu mir runter, während er mir den Pfeil und Bogen aus der Hand schlägt.
"Was ist dein scheiss Problem, Neteyam?" Rufe ich aus und zeige ihm dabei den Vogel, was ihn falsch auflachen lässt. "Mein scheiss Problem? Was ist dein verficktes Problem, Mle?! Gib es doch einfach zu, du stehst auf ihn."
"Selbst wenn es so wäre, was würde dich das angehen?!" Gebe ich provozierend von mir und beobachte, wie er etwas sagen will, sich aber dann doch stoppt und den Kopf schüttelt.
"Du bist unmöglich." Erwidert er und hebt sein Kinn an, während er meinen Blick stand hält. Erneut verdrehe ich meine Augen und laufe einen Schritt, bevor er mich an der Taille packt und rasch gegen einen Baum presst. Erschreckt ziehe ich meinen Atem ein und spüre wie meine Haut unter seinen Händen prickelt.
"Hör auf deine Augen zu verdrehen." Zischt er mir flüsternd zu, woraufhin ich überfordert die Locken aus meinem Gesicht streiche. "Scheisse, du stehst nicht auf ihn oder? Mle, sieh mich an."
Zögernd hebe ich mein Kinn und sehe ihm somit direkt in die Augen, welche mich aufmerksam mustern. Langsam schüttele ich meinen Kopf und erkenne, wie er kurz schluckt und anschliessend die Hände von meiner Taille nimmt.
Verlegen räuspert er sich und tretet einen Schritt zurück. Verwirrt sehe ich ihn an, während ich seine Hände noch auf meine Taille spüre, als wären sie noch da.
"Entschuldige." Entgegnet er und lässt mich aufschnauben und den Pfeil und Bogen vom Boden aufnehmen.
"Reiss dich zusammen." Sage ich zu ihm und spanne den Pfeil, während ich versuche seine Präsenz auszublenden.
Doch seinen stechenden Blick spüre ich noch immer auf mir.
"Du machst es noch immer falsch." Entgegnet er schnippisch und macht einen Schritt auf mich zu, weshalb ich den Pfeil und Bogen auf ihn richte.
"Komm mir nicht zu nah, Neteyam. Ich warne dich."