Chapter 5

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Vanessa

Er hieß Till.
Der Name passte zu ihm.
Die Frau, die bei ihm stand, musste seine Mutter sein.
Er hatte noch eine, mir wurde meine einfach weggenommen.
Nach kurzer Zeit verschwand sie und Till machte sich daran die Tasche zu holen.
Dieses Mal fiel er leider nicht in das Wasser.
Sofort beschriftete der Mann ebenfalls einen Zettel, als er meinen laß.
Gut sichtbar lag er auf einem Stein. Rasch verschwand einer das Zelt um mit einer Badehose und T-Shirt begleitet wiederzukommen.
Er wird doch nicht.
Doch er tat es.
Extrem langsam zog er das schwarze T-Shirt aus und präsentierte mir seine leicht behaarte durchtrainierte Brust. Ich kam erst aus meinem Versteck, als Till schon länger im See schwamm, doch bemerkte nicht, dass er mich die ganze Zeit beobachtete.
Rasch rannte ich zu dem Stein und faltete mit pochendem Herz den Zettel auseinander.

Wer zu lebzeit gut auf Erden.
Wird nach dem Tod ein Engel werden.
Den Blick gen Himmel fragst du dann. Warum man sie nicht sehen kann.

Ich verstand nicht so richtig.
Plötzlich spürte ich etwas Nasses am Rücken und zwei Arme, die sich um meinem Körper schlangen. Erschrocken quiekte ich auf.
„Schön dich mal kennen zu lernen", raunte er in mein Ohr, was mir eine Gänsehaut bereitete.
Langsam drehte ich mich um und blickte in zwei strahlend grüne Augen.
Er hielt mich noch immer fest, als hätte er Angst, dass ich davonlief. „Hattest du Spaß mich zu ärgern?", auf seinen Lippen zeichnete sich ein leichtes Grinsen ab.
Ich konnte nicht anderste als mit zu lächeln.
„Ja, hatte ich", gestand ich.
„Was willst du jetzt machen?", fragte er verunsichert.
Ungewollt kamen die Erinnerungen an die Nacht hervor, die mein Leben veränderte.
Automatisch bildeten sich Tränen in meinen Augen, die ungehindert meine Wangen hinab liefen.
Sofort zog er mich fester an sich heran, wobei eine Hand behutsam durch mein Haar fuhr.
Wieso fühlte ich mich so wohl bei ihm?
„Scht... alles wird gut", versuchte er mich zu beruhigen.
„Es wird überhaupt nichts gut", blickte ich ihn entsetzt an mit verweinten Gesicht, „Meine Mutter wurde erschossen! Von meinem Vater!"
„Ich weiß", meinte Till zögerlich, hatte Angst irgendetwas falsches zu sagen.
Schlurzend schmiegte ich mich an seine nackte Brust.
Natürlich war es durch die Medien gegangen.
Wie hätte ich etwas anderes denken können?
Ein Mann, der seine Frau erschießt, die Tochter verschwunden.
Die Geschichte war für die Mediendienste die reinste Geldgrube. Für mich die Hölle.
„Wo hast du eigentlich geschlafen?", versuchte er mich auf andere Gedanken zu bringen, wofür ich froh war.
„Ich zeig es dir", ich verschränkte eine Hand mit seiner und zog ihn hinter mir her.
„Warte", lachte er, „Ich will mich noch umziehen."
Ich schaute ihn an.
Jeglich eine Badehose trug er.
„Oh", meinte ich, „Dann beeile dich aber."
„Ich versuche es", rief er, wobei ich sein Grinsen förmlich vor mir sah. Nach wenigen Minuten tauchte der muskulöse Mann wieder auf.
Ein mulmiges Gefühl machte sich in mir breit, während wir tiefer in den Wald liefen.
Der Rucksack lag nach wie vor an derselben Stelle, seitdem ich hier war. Nervös wippt ich mit den Füßen, während er den Schlafplatz begutachtete.
Ich hätte ihn nicht hierherbringen sollen.
Ich hätte weglaufen sollen, als er sich umgezogen hatte.
Nun war alles zu spät.
„Das hast du alleine gemacht?", fragte er beeindruckt und ich nickte. Bewundert blickte mich Till an.
Zum ersten Mal verlor ich mich in seinen grünen Augen, konnte mich von ihnen nicht losreißen.
„Der Wald ist für ein so hübsches Mädchen nicht der richtige Ort", riss er mich aus meiner Starre.
Hatte er mich gerade wirklich hübsches Mädchen genannt?
„Meine Mutter wohnt hier in der Nähe. Ich glaube sie hat gegen einen Gast mehr nichts einzuwenden", schnappte sich der Mann einfach meine Sachen, „Sie ist echt nett. Du wirst sie mit Sicherheit mögen." Unsicher folgte ich Till, nachdem er sein Zelt abgebaut hatte, zurück in die Zivilisation.
Doch Till hatte Recht der Wald war keine Lösung.
Ich spürte wie die Blicke der Bewohner an mir klebten, bis wir ein recht großes Haus erreichten. Freundlich begrüßte mich die Frau, die vor ein paar Tagen am See war. Ich hatte recht mit meiner Vermutung, die Frau, die sich als Brigitte vorstellte, war seine Mutter. „Fühl dich wie zu Hause", meinte sie und machte eine ausladente Handbewegung.
Zu Hause.
Hatte ich überhaupt noch eins?
„Dann gehe ich duschen!", sagte ich strahlend, da mir dies in den letzten Tagen gefehlt hatte.
Brigitte schien dies recht sein, offensichtlich wollte sie mit Till unter vier Augen reden.
Hastig erklimmte ich die Holztreppe, doch blieb in der Mitte stehen und drehte mich fragend um.
Till klurgste amüsiert, was seine Mutter verzweifelte.
„Es befindet sich rechts erste Tür", grinste der Mann wissend.
Zügig erklimmte ich die restliche Treppe und verschwand im Bad, was ich zuerst abschloss.
Frische Handtücher entdeckte ich in dem kleinen Schrank.
Das Bad wurde schlicht gehalten in einem creme Ton und hellblauen Akzenten.
Mir gefiel es.
Das warme Wasser fühlte sich auf meiner Haut herrlich an.
Es herrschte eine angenehme Stille, jeglich das angenehme Prasseln des Wassers und das aufgebrachte Gespräch durchbrach sie.
Moment aufgebrachtes Gespräch?
Till und seine Mutter stritten sich? Meine Konzentration richtete sich auf das Gespräch.
„Was hast du?!", rief Till empört.
„Ich habe das Jugendamt angerufen, damit sie sich um das Mädchen kümmern können", verteidigte sich Brigitte.
„Sie hat ihre Familie verloren. Alles verloren", entgegnete Till.
„Genau deswegen.
Sie soll noch eine schöne Kindheit haben in einer netten Familie.
Warum bist du so dagegen?", es herrschte kurze Stille, bevor sie weitersprach, „Du bist doch nur mit Rammstein beschäftigt!"
Jetzt wusste ich woher ich ihn kannte. „Du verstehst es einfach nicht!", schlurzte er und stapfte die Treppe hoch.
Eine Tür wurde zugeknallt.
Weinte Till?
Jugendamt halten die Wörter in meinem Kopf.
Ich würde in irgendeine Familie gesteckt werden, wo ich gar nicht hinwollte.
Unten wurde die Haustür aufgemacht und eine Stimme ertönte, die ich nicht kannte.
Das Jugendamt.
Immer mehr Tränen stahlen sich aus meinen Augen mischten sich unter das Wasser der Dusche.

~Und keiner sah wie ich weinte. ~

Ich wollte nicht weg.
Nicht weg von Till, der sich in mein Herz geschlichen hatte.     

Mein Herz brennt (Rammstein)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt